Im Streit um die mögliche Abschiebung von Flüchtlingen nach Syrien verweist das Auswärtige Amt auf die Prüfung eines Urteils des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (OVG). Man werde sich die schriftliche Urteilsbegründung "genau anschauen", sagte eine Sprecherin zum aktuellen Lagebericht des Ministeriums in Berlin.

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Das OVG in Münster hatte in der vergangenen Woche ein Urteil zum Schutzstatus eines Syrers verkündet, das für Aufregung gesorgt hatte. Anfang der Woche hatte das Gericht dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht. Demnach besteht in Syrien für Zivilisten "keine ernsthafte, individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" mehr. Am Donnerstag hatte das Gericht die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung ebenfalls veröffentlicht und nicht nur den Verfahrensbeteiligten zugestellt. Dieser Schritt ist ungewöhnlich.

Darin ist zu lesen, dass der Kläger Kurde ist. Bekannt war, dass er aus der Provinz Hasaka stammt, die von der kurdischen Selbstverwaltung in Nordostsyrien beherrscht wird. Nach Angaben des OVG kann hier der syrische Staat weder Männer zum Militärdienst einziehen noch Strafen durchsetzen. Der Syrer hatte in seinem Verfahren angegeben, dass er von der kurdischen Armee vor seiner Flucht angesprochen worden war. Er sei gebeten worden, sich ihnen anzuschliessen. Waffen müsse er nicht tragen, aber er könnte gemeinnützige Dinge tun. Er sei nicht unter Druck gesetzt worden, ist in der schriftlichen Urteilsbegründung nachzulesen. Gegenüber den Behörden in Deutschland sagte er aus, dass er keine Wahl gehabt habe, sich entweder den kurdischen Kämpfern oder dem Assad-Regime anzuschliessen oder zu flüchten.

Widerspruch durch das OVG

Dem widerspricht das OVG jetzt in seiner Urteilsbegründung. Der Kläger sei nicht unter Druck aus Syrien ausgereist. Er sei zuvor weder politisch verfolgt noch bedroht worden. Die von ihm befürchtete Einbeziehung zum Reservedienst in der syrischen Armee stand nicht bevor. Und auch die kurdische Seite habe ihn nicht verfolgt. Bei einer jetzigen Rückkehr drohe keine Bedrohung durch den syrischen Staat.

Der Kläger war vor seiner Einreise nach Deutschland in Österreich zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er an der Schleusung von Menschen aus der Türkei nach Europa beteiligt gewesen war. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen seiner vor der Einreise begangenen Straftaten ab. Auch die Voraussetzungen für subsidiären Schutz als Bürgerkriegsflüchtling sahen die Behörden nicht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Auch wenn die Revision nicht zugelassen wurde, kann dagegen Beschwerde eingelegt werden.   © dpa

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