Viel Zeit bleibt dem amerikanischen Präsidenten nicht mehr, will er als Legende in die Geschichte eingehen. Viele seiner Versprechen hat er bereits erfüllt. Wenn er sich jetzt nicht verzettelt, kann er sie auch halten - obwohl gerade 47 Republikaner versucht haben, ihn international zu blamieren.

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"I am not going to stop fighting" (Ich werde nicht aufhören zu kämpfen) – mit diesen Worten ging Barack Obama ins letzte Viertel seiner achtjährigen Präsidentschaft. Kampfgeist scheint der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten tatsächlich zu brauchen. Denn nicht nur aussenpolitisch schwelen mit der Krise in der Ukraine, dem Kampf gegen den IS und der schwierigen Beziehung zu Israel Brandherde – auch innenpolitisch hat Obama mit dem Verlust der Mehrheit im Senat einen schwierigen Stand. Mit einem Brief an die Regierung Irans haben 47 republikanische Senatoren ihren Präsidenten dazu noch international blamiert. Sie drohen, Atomabmachungen mit dem Iran jederzeit wieder kippen zu können.

Viel Zeit, seine Ziele zu erreichen, bleibt Obama nicht mehr, fürchtet Sergey Lagodinsky, Politikwissenschaftler und Leiter des Referats Europäische Union/Nordamerika der Heinrich-Böll-Stiftung. "Eine Strategie wird jetzt nicht mehr möglich sein", erklärt der US-Experte unserem Portal. Dem stimmt auch Patrick Keller von der Konrad-Adenauer-Stiftung zu: "Obama geht es jetzt um die Konsolidierung dessen, was er erreicht hat."

Barack Obama kümmert sich nun mehr um die Innenpolitik

Mit dem Versprechen "Nation building at home, not abroad", läutete Obama einen strategischen Rückzug aus der internationalen Politik ein. So habe der Präsident auch seine umstrittene Gesundheitsreform, Obamacare, umgesetzt, meint Keller. Diese könne er in seiner verbleibenden Amtszeit noch weiterentwickeln und vorantreiben. Noch immer sind 12,6 Prozent der Amerikaner ohne Krankenversicherung. "Diese Reform hat Obama entschlossen und gegen viel Widerstand durchgesetzt", sagt Lagodinsky.

Ebenso kann sich der Präsident die soziale Erneuerung seines Landes, mehr Unterstützung für die Armen sowie die Wirtschaftsförderung, die nun ihre Früchte trägt, auf die Fahne schreiben, fügt Keller hinzu. Auch sein Wahlkampfversprechen, ein "Anti-Bush" zu werden, hat er erfüllt. Aus dem Irak hat er die amerikanischen Soldaten abgezogen, aus neuen Konflikten wie in Libyen oder dem syrischen Bürgerkrieg hat er das US-Militär herausgehalten.

Doch dadurch wirke der US-Präsident aussenpolitisch eher zurückhaltend: Das schlägt sich auch in der Entwicklung der Ukrainekrise nieder, in der Washington Europa immer wieder die Führungsrolle zusprach. Als Nato-Mitglied hat der Präsident nun aber 3.000 Soldaten in den Baltikum entsendet, um damit dem Militärbündnis den Rücken zu stärken. Der NATO mehr Gewicht zu verleihen, geht nicht ohne den Rückhalt der Amerikaner. Es sei im Hinblick auf Russland "nötig, dass die Nato Anpassungen" mache, sagt Keller. Damit bezieht er sich auf den "Readiness action plan", der eine schnelle Einsatztruppe im Verteidigungsfall vorsieht.

Politisch gesehen riskiert Obama einen Spagat: Einerseits müsse er "Störer in die Schranken verwiesen", gleichzeitig aber seine Versprechen halten. Deshalb will der Friedensnobelpreisträger einen neuerlichen Einsatz seiner Soldaten unbedingt vermeiden. Dabei gebe es "ohne eine starke Rolle der USA niemanden, der die internationale Ordnung hält", gibt Keller zu bedenken. Das habe sich auch im Kampf gegen den Islamischen Staat gezeigt. Der Politikwissenschaftler hält es daher für wichtig und richtig, dass der Präsident in diesem Fall von seiner Linie abgewichen ist. "Er muss den militärischen Einsatz dort sogar noch verstärken", fordert der Experte.

Zu viele "Querfeuer" gegen Atomabkommen mit dem Iran

Seinen Versuch, eine friedliche Lösung zu finden, haben die Republikaner mit ihrem Brief an Iran untergraben. Politikwissenschaftler Lagodinsky glaubt, dass ein langfristiges Atomabkommen dadurch nur noch wenig Erfolgschancen hat. "Dafür gibt es zu viel Querfeuer", sagt er. Zwar liegt die Aussenpolitik in der Hand Obamas. Laut Verfassung ist er nicht gezwungen, eine Atomvereinbarung mit dem Iran vom Kongress genehmigen zu lassen. Doch die Gegenkandidaten der Republikaner laufen sich bereits für die nächsten Wahlen warm - und könnten in ihrer Amtszeit Obamas Entscheidungen rückgängig machen.

Ähnlich sieht es auch Keller: "Dieser Brief ist die nächste Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung der Republikaner mit dem Weissen Haus." Damit hätten sich Obamas Gegner aber einen "Bärendienst" erwiesen. Obamas Position, mit der Atommacht ein Abkommen zu erreichen, habe sich nur noch verstärkt. "Er wird nun alles daran setzen, doch noch eine Übereinkunft zu erreichen", glaubt Keller.

TTIP, China, Europa - viele offene Baustellen

Ausserdem müsse Obama nun den Fokus wieder mehr aufs Krisenmanagement legen. Dies gelte sowohl für den Kampf gegen den Islamischen Staat, als auch im Ukraine-Konflikt. Denn "mittelfristig wird es ohne die Amerikaner nicht gehen", sagt Keller im Bezug auf beide Krisengebiete. Aber auch mit Blick auf China, das militärisch enorm aufgerüstet habe. "Das hat Obama richtig erkannt: Dort spielt sicherheitspolitisch die Musik."

Auch wirtschaftliche Herausforderungen kommen auf den US-Präsidenten zu. Das seit langem in Verhandlung stehende Freihandelsabkommen TTIP mit Europa ist eine grosse Baustelle. "Ein Projekt, um das er sich dringend kümmern sollte", meint Keller. Es sei das einzige umfassende Projekt, an dem Amerikaner und Europäer gemeinsam arbeiten. "Die Chancen dafür sind jetzt grösser denn je." Zumal die Republikaner dem Freihandel offener gegenüberstehen als die Demokraten. Mit dem Abkommen könnten Europa und die USA Standards definieren, nach denen sich dann auch China, Indien und Brasilien richten müssten.

Mit Asien entsteht bereits ein ähnliches Abkommen – und ist deutlich weiter gediehen als TTIP. Sollte es Obama nicht gelingen, die Verhandlungen vor Ablauf seiner Amtszeit zu Ende zu bringen, "wird TTIP auf längere Zeit nicht zustande kommen", fürchtet Lagodinsky. Dass Washington das Freihandelsabkommen nicht als Priorität behandelt, hat mit Obamas ursprünglichem Wahlversprechen zu tun: Sich auf die Probleme im Inland zu konzentrieren. Und dafür hat er noch bis Ende 2016 Zeit.

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