Nun ist Österreich an der Reihe von Horst Seehofer abgebügelt zu werden. Der bayerische Ministerpräsident hat das Nachbarland in der Flüchtlingskrise scharf kritisiert: Immer mehr Menschen würden ohne Rücksprache zur deutschen Grenze gebracht. "Das EU-Recht wird nicht eingehalten, wie an vielen anderen Stellen auch", sagt die Politologin Katrin Böttger.
Jeden Tag überqueren mittlerweile Tausende Flüchtlinge die deutsch-österreichische Grenze. Für
Gegen Bundeskanzlerin
Rückendeckung bekam er von seinem Innenminister
Europaweit wird EU-Recht verletzt
Rechtlich ist das Vorgehen der österreichischen Regierung um Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) tatsächlich bedenklich. "Österreich müsste die Flüchtlinge eigentlich registrieren und unterbringen. Das EU-Recht wird nicht eingehalten, wie an vielen anderen Stellen in den letzten Jahren auch", sagte Dr. Katrin Böttger vom Institut für Europäische Politik in Berlin. Dies sei schon seit Jahren in Griechenland und Italien der Fall, beides Länder mit EU-Aussengrenze.
Nach dem Dublin-Abkommen können Flüchtlinge eigentlich nur in dem Staat der Europäischen Union Asyl beantragen, den sie zuerst betreten. Sie müssten dort registriert und bis zum Ende des Asylverfahrens untergebracht werden.
Auch die anderen Länder auf der Balkanroute lehnen die Registrierung der Hilfesuchenden ab, die meisten wollen ohnehin nach Deutschland. Österreich ist nur die letzte Durchgangsstation auf diesem Weg, es muss selbst mit einem enormen Flüchtlingsstrom aus Slowenien zurechtkommen. Wenn alle Staaten EU-Recht konsequent umsetzen würden, "dürfte es gar nicht erst zu dieser Situation" kommen, erklärt Böttger. Seehofers Kritik hält die 38-Jährige insofern für nachvollziehbar, als die logistische Herausforderung für Bayern enorm ist. "Aber er könnte genau so gut auch andere Länder kritisieren."
Keine Stacheldrahtrollen in Passau
Wie wird es nun also weitergehen? Könnten die Grenzen zu Österreich tatsächlich geschlossen werden? Könnte Österreich zugleich seine Schlagbäume zu Slowenien senken? Das Schengener Abkommen erlaubt lediglich vorübergehende Kontrollen, wie sie Deutschland seit September durchführt. "
Ich sehe nicht", sagt Katrin Böttger, "dass in Passau wieder die Stacheldrahtrollen auf die Grenze gelegt werden." Das würde nur eine Kettenreaktion in Gang setzen. Sie hält eine solidarische, europäische Lösung zur Verteilung der Flüchtlinge für optimal. "Wir würden alle verlieren, wenn wir die Flüchtlingskrise nationalstaatlich lösen – die EU-Länder und die Flüchtlinge." Die Politologin erinnert zugleich an das Grundrecht auf Asyl und den gebotenen humanitären Umgang mit den Flüchtlingen.
Seehofer in Europa keine "entscheidende Figur"
Weil Horst Seehofer in Europa keine "entscheidende Figur" ist, rechnet sie nicht mit Belastungen für zwischenstaatliche Beziehungen.
Die Reaktion in Österreich auf das bajuwarische Gepolter fiel dementsprechend gelassen aus. Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) teilte in einer Erklärung mit, Bundeskanzler Faymann stünde "in engstem Kontakt mit Kanzlerin Angela Merkel". Er selbst sei auf Koordinatorenebene "in Abstimmung mit dem deutschen Kanzleramtsminister Peter Altmaier".
Ostermayer betonte das gemeinsame Vorgehen, eine Änderung der Wiener Politik ist kaum zu erwarten. Kritischer äusserte sich die oberösterreichische Polizei: Landespolizeidirektor Andreas Pilsl klagte am Dienstag im österreichischen Fernsehen, die deutschen Behörden hätten seit Montag nur noch "50 Personen pro Stunde pro Grenzübergang durchgelassen". Es wird ein Rückstau befürchtet, wenn die Zahl der Grenzabfertigungen nicht wieder verdoppelt wird.
Für Seehofer sind solche Aussagen eine Provokation, es ist mit weiteren scharfen Worten aus der bayerischen Staatskanzlei zu rechnen. Auf die österreichische Politik werden sie dennoch auch weiterhin wohl keinen Einfluss haben.
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