Kann der Einsatz von Antibiotika durch homöopathische Mittel reduziert werden? Politiker in Bayern haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ziel: neue Methoden zur Bekämpfung von mulitresistenten Keimen finden. Die heftige Kritik an dem geplanten Projekt liess nicht lange auf sich warten.
So viel Wirbel haben CSU und Freie Wähler wohl nicht erwartet. Anfang November hatte der bayerische Landtag beschlossen, eine Studie dazu in Auftrag zu geben, ob mithilfe homöopathischer Präparate der Einsatz von Antibiotika verringert werden kann. Die Reaktion: Empörung und Spott. Experten verreissen das Projekt, Satiremedien spiessen es auf.
Auch Stephan Sieber von der Technischen Universität München hat kein Verständnis für das Vorhaben. "Ich bin überrascht, dass die Studie in Auftrag gegeben wird und weiss nicht, welchen Mehrwert das bringen soll", sagt er. "In der Wissenschaft gibt es keine Belege dafür, das Homöopathie wirkt." Sieber ist Professor am Lehrstuhl für organische Chemie und forscht seit Jahren zur Entwicklung neuer Antibiotika.
Kampf gegen multiresistente Keime steht im Vordergrund
"Ich verstehe die Aufregung nicht", sagt hingegen der CSU-Politiker Bernhard Seidenath. "Jeder keilt sich an dem Thema Homöopathie fest." Dieses komme nur am Rande vor und sei Teil eines grösseren Massnahmenpaketes, mit dem sogenannte multiresistente Keime bekämpft werden sollen. Bayerns Staatsregierung hatte 2017 einen Aktionsplan dazu verabschiedet. Der Landtagsabgeordnete aus Dachau hatte daran federführend mitgewirkt.
Weil nach Einschätzung von Experten zu viel Antibiotika verteilt und teils falsch verabreicht werden, entwickeln Bakterien sogenannte Resistenzen. Dann wirken die Medikamente nicht mehr wie gewünscht. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben Schätzungen zufolge jährlich allein in Ländern der Europäischen Union rund 25.000 Menschen an schweren Infektionen mit resistenten Bakterien, mit denen sie sich etwa in einem Krankenhaus angesteckt haben.
Mit Stimmen von CSU, Freien Wählern und Grünen hatte der Landtag am 7. November beschlossen, untersuchen zu lassen, "wie ein reduzierter Antibiotikaeinsatz im medizinischen Bereich realisiert werden kann". "Auch soll in diesem Zusammenhang eine mögliche positive Rolle von gegebenenfalls ergänzend verabreichten homöopathischen Präparaten beleuchtet werden", heisst es in dem Antrag (Drucksache 18/3320).
Meinungen zu Studie gehen stark auseinander
Homöopathie könne weder den Einsatz von Antibiotika reduzieren noch die Abwehrkräfte stärken, wie es in dem Antrag heisst, betont Professor Sieber. "Auf einer wissenschaftlichen Grundlage müssen Sie mit einem Wirkstoff Bakterien töten. Dazu benötigen Sie Konzentrationen, die mit der Homöopathie nie erreicht werden."
Homöopathie ist ein in Deutschland weit verbreitetes Verfahren. Es werden unter anderem Mittel eingesetzt, die bei Gesunden in hohen Dosen Symptome der jeweiligen Krankheit auslösen würden. Die Substanzen werden extrem verdünnt und meist als Tropfen, Tabletten oder Kügelchen (Globuli) verabreicht.
Als besonders umstritten gilt ein Passus des Antrags, in dem einer homöopathischen Behandlung unter Berufung auf eine nicht näher genannte Studie ein Nutzen bei einer schweren Sepsis - auch bekannt als Blutvergiftung - zugesprochen wird. "Das ist höchst gefährlich", erklärt Sieber. "Bei einer schweren Sepsis muss die bakterielle Last gesenkt werden. Das geht mit Antibiotika", so der Experte.
Doch die Zahl der gegen vielerlei Antibiotika resistenten Keime wird immer grösser. CSU-Mann Seidenath beeindruckt die Kritik daher kaum. "Wir wollen versuchen, alle Register zu ziehen, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten und Resistenzen zu vermeiden." Dafür dürfe nichts unversucht und nichts ununtersucht bleiben. Er hält das Geld für die Studie - Seidenath geht von rund 300.000 bis 400.000 Euro Kosten aus - für "sinnvoll investiert".
Wirksamkeit wird immer wieder diskutiert
Nun muss die bayerische Staatsregierung die Analyse in Auftrag geben. Einen Zeitplan gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums noch nicht. Aus der Behörde heisst es, nichts spreche gegen eine Studie, "sofern diese - vorzugsweise durch eine universitäre Einrichtung - nach wissenschaftlichen Kriterien konzipiert und durchgeführt wird".
Doch auch im Ministerium ist eine gewisse Skepsis spürbar. Die Wirksamkeit vieler homöopathischer Methoden sei nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht nachgewiesen, sagt ein Sprecher. "Die Ergebnisse geben keine belastbaren Hinweise auf eine Wirksamkeit, welche über die bekannten positiven Placebo-Effekte von Ritualen, Gespräch und Zuwendung hinausreichen."
In Deutschland gehört Homöopathie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen. Allerdings erstatten viele Kassen Behandlungskosten für Naturheilverfahren, weil es eine Nachfrage dafür gibt und weil dies ein Instrument im Konkurrenzkampf ist. Dies ist immer wieder Anlass für Debatten. In Frankreich sollen homöopathische Arzneimittel mangels erwiesener Wirksamkeit ab 2021 nicht mehr erstattet werden.
Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) setzt vor allem auf einen verantwortungsvollen und reduzierten Umgang mit Antibiotika. Auch Experte Sieber sagt: "Der Einsatz von Antibiotika lässt sich am wirksamsten dadurch verringern, dass sie zum Beispiel nicht bei viralen Infektionen eingesetzt werden." (dpa/kad)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.