Die österreichischen Kommunisten können Wahlen gewinnen – zumindest lokal. In Salzburg wurden sie zweitstärkste Kraft. In Graz stellen sie die Bürgermeisterin und zwei Stadträte. Einer von ihnen ist Robert Krotzer. Im Interview spricht er über das Erfolgsrezept der KPÖ, Karl Marx und die Genossen aus Deutschland.
Ein Gespenst geht um in Österreich – das Gespenst des Kommunismus. Unheimlich sind die Politikerinnen und Politiker der Kommunistischen Partei Österreich (KPÖ) aber nicht. Im Gegenteil: Sie bieten regelmässige Sozialberatungen an, spenden einen Grossteil ihres Gehalts an bedürftige Bürger und die Revolution haben sie in die ferne Zukunft verschoben. Die KPÖ will eine Kümmerer-Partei sein.
Bei den Wählern kommt das gut an. In Ihrer Hochburg Graz haben sie 2021 die Kommunisten mit 29 Prozent zur stärksten Kraft gemacht. Elke Kahr wurde Bürgermeisterin und der damals 29-jährige Robert Krotzer der jüngste Stadtrat in der Geschichte des zweitgrössten Ortes Österreichs. "Der Erfolg ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Arbeit", sagt er im Interview mit unserer Redaktion. Auch aus Deutschland kämen nun Linke nach Graz, um von der KPÖ zu lernen.
Herr Krotzer, wie gut lebt es sich in Graz mit 2.200 Euro brutto im Monat?
Robert Krotzer: Damit lebt es sich passabel, man spürt aber natürlich auch die stark gestiegenen Preise etwa für Wohnen oder Lebensmittel. 2.200 Euro entsprechen ziemlich genau dem Medianeinkommen in Österreich. Das heisst, 50 Prozent der Personen haben weniger als diese Summe und 50 Prozent haben mehr, manche natürlich deutlich mehr. Ich lebe in einer Mietwohnung, kann meine Fixkosten abdecken und damit gut leben.
Sie spenden Zweidrittel Ihres Gehalts als Grazer Stadtrat für Gesundheit und Pflege. Warum?
Wir sind überzeugt, dass sich Politiker durch ihre Bezüge nicht so weit abheben sollten vom Durchschnitt der Bevölkerung. Diese Regelung haben wir bei der KPÖ aber nicht erfunden. Sie folgt einem alten sozialistischen Prinzip, das es auch schon in der Pariser Kommune von 1871 gab. Bereits dort wurde festgelegt, dass Mandatare nur einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn beziehen sollen. Wir folgen dieser Idee, um den Bezug zu den normalen Wohn- und Lebenskosten nicht zu verlieren. Es soll ein Vertrauensbeweis gegenüber den Menschen sein, dass die KPÖ eine Partei ist, die ihre sozialen Interessen vertritt, und deren Politikerinnen und Politiker das nicht aus Karrieregründen machen.
An wen geht das Geld?
Ich biete eine regelmässige Sprechstunde an, in der Menschen mit unterschiedlichsten Anliegen zu mir ins Büro kommen. Etwa bei Mietrückständen, wenn sich Eltern den Schul-Skikurs für die Kinder nicht leisten können oder wenn dringend ein Therapieplatz gebraucht wird. Ich bespreche mit den Menschen, welche Lösungswege oder Serviceleistungen für sie infrage kommen. Bei finanziellen Engpässen ist es aber manchmal notwendig, dass rasch reagiert wird. In solchen Fällen kann ich die Kosten sehr unbürokratisch erst einmal übernehmen.
Wie kommt das bei den Wählerinnen und Wählern an?
In erster Linie kommt es bei den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Graz an. Mitunter wird uns von anderen Parteien oder von Medien vorgehalten, das sei Wählerkauf. Wir machen das aber aus einer Überzeugung heraus: Wir streben eine andere, eine gerechtere Gesellschaft an, in der sich die Menschen gegenseitig unterstützen. Niemand wird bei uns gefragt, wen er wählt. Die Menschen schätzen es sehr, dass sich Politikerinnen und Politiker Zeit für Ihre Anliegen nehmen. Das ist in der heutigen Parteienlandschaft nur selten der Fall.
Seit 2021 stellt die KPÖ mit Elke Kahrs die Bürgermeisterin in Graz. Abgesehen von Ihrer Spendenpraxis, wie lässt sich dieser Erfolg erklären?
Der Erfolg ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Arbeit, die von unseren Mandataren und Mandatarinnen ausgeübt wird. Wir haben eine ganze Reihe von Angeboten, über die wir im direkten Kontakt und Austausch mit der Bevölkerung sowie mit Vereinen und Initiativen stehen. Gleichzeitig sind wir als Partei regelmässig präsent auf der Strasse, bei Festen und bei Infoständen, auch abseits von Wahlkämpfen. Unsere Partei soll eine politische Heimat für die Menschen sein.
Der Grazer Soziologe Christian Fleck sagt über die KPÖ: "Sie haben alles getan, um ihren Kommunismus kleinzuhalten, und verbergen ihn unter pseudochristlichen Nächstenliebeparolen." Was halten Sie von dieser Beschreibung?
Das ist die Sicht von Herrn Fleck, mit dem wir dann und wann auch schon darüber diskutiert haben. Es wundert mich ein bisschen. Immerhin steht auf dem Wahlzettel "Kommunistische Partei Österreichs". Wir verstecken das also keineswegs.
Was verstehen Sie unter Kommunismus?
Der Kommunismus ist für uns nach wie vor, auf Karl Marx zurückgehend, die Idee einer gleichberechtigten, befreiten, klassenlosen Gesellschaft. Das ist das grosse Fernziel einer kommunistischen Partei. Wir wissen aber auch, dass das wohl ein langer Weg über Generationen hinweg sein wird. Im Alltag geht es erst einmal darum, den öffentlichen Sektor zu stärken. Während neoliberale Politik immer mehr Bereiche dem Marktgeschehen unterwerfen will, gehen wir den umgekehrten Weg: Es muss Bereiche geben, die dem Markt entzogen werden müssen, etwa im Bereich der Wasserversorgung, der Gesundheit oder des Wohnens.
Karl Marx war der Ansicht, dass die klassenlose Gesellschaft nur mit einer Revolution herbeizuführen ist, im Zweifelsfall mit einer gewaltvollen. Ist das auch Teil Ihres Programms?
Unser Ziel ist eine grundlegende gesellschaftliche Transformation. Das kann ein revolutionärer Prozess sein, der mit breiten gesellschaftlichen Mehrheiten friedlich umgesetzt wird. Wir haben viele Lehren aus der Geschichte gezogen und für uns ist klar: Es geht uns um eine demokratische Umwälzung der Machtverhältnisse und letztendlich auch der Eigentumsverhältnisse.
Dennoch assoziieren viele Menschen mit Kommunismus schreckliche Diktaturen und Millionen von Toten. Ist das nicht ein gehöriges Image-Problem für Ihre Partei?
Das wird uns vielfach medial zugeschrieben. Wenn die Menschen in Graz an die KPÖ oder den Kommunismus denken, bringen sie damit aber in erster Linie Elke Kahr oder Ernst Kaltenegger, einen weiteren bekannten KPÖ-Politiker, in Verbindung. Sie denken einfach an das, was die KPÖ hier und heute tagtäglich macht. Man kann die grossartigste Idee haben, es kommt aber darauf an, wie sie von den handelnden Personen umgesetzt wird.
Auf Bundesebene steht die KPÖ derzeit in Umfragen bei vier Prozent und könnte damit nach den Wahlen im Herbst das erste Mal seit 1959 in den Nationalrat einziehen. Ist Ihre kommunale Strategie auf den nationalen Massstab übertragbar?
Noch lässt sich schwer abschätzen, ob wir tatsächlich die Vier-Prozent-Hürde überspringen werden. Die politische Situation in Österreich ist sehr volatil. Die Chance ist aber greifbar. Und wir werden alles tun, um möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass es einen frischen Wind im österreichischen Parlament braucht und dass die KPÖ dort eine wichtige soziale Stimme und eine Stimme für leistbares Wohnen sein kann. Wir haben eine herzeigbare bundesweite Liste mit Personen, die in vielen Bereichen Erfahrungen sammeln konnten. Aber natürlich wäre der Einzug in den Nationalrat eine grosse Aufgabe, vor der wir auch mit Respekt stehen.
Während die KPÖ im Aufwind ist, hat sich die deutsche Linke gerade gespalten. Wem fühlen Sie sich näher: dem Wagenknecht-Bündnis oder der verbliebenen Linkspartei?
Unsere offizielle Schwesterpartei ist die DKP, die Deutsche Kommunistische Partei. Darüber hinaus haben wir gute Kontakte zu anderen linken Parteien und Initiativen. Wir freuen uns, dass es insbesondere in der Linkspartei grosses Interesse daran gibt, wie sich die KPÖ in den letzten Jahren entwickelt hat.
Kommen die Genossen aus Deutschland auch mal nach Graz, um zu sehen, was Sie besser machen?
Ja, wir haben immer wieder Besuch. Wir sind sehr offen für diesen Austausch und erzählen gerne, was wir bei uns in Graz machen. Wir massen uns aber nicht an, die richtige Strategie für Frankfurt am Main, Hamburg oder Berlin parat zu haben.
Über unseren Gesprächspartner
- Robert Krotzer ist 1987 in Braunau am Inn geboren. Er trat 2002 in die Kommunistische Jugend ein, deren Bundesvorsitzender er 2008 wurde. Krotzer absolvierte ein Lehramtsstudium in Graz. Hier wurde er 2017 Stadtrat für Gesundheit und Pflege. Seit Oktober 2023 ist Krotzer ausserdem der Vorsitzende des KPÖ-Landesverbandes der Steiermark.
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