Behörden im Norden Nigerias halten trotz einer landesweiten Kontroverse an einer geplanten Massenverheiratung von 100 verwaisten jungen Frauen fest. Die Hochzeit findet am Freitagnachmittag (Ortszeit) in Kontagora im nördlichen Bundesstaat Niger statt, wie die Deutsche Presse-Agentur vom Sprecher des Frauenministeriums in Abuja erfuhr. Die Frauen, die Behördenangaben zufolge zwischen 18 und 24 Jahre alt sein sollen, haben ihre Eltern bei Angriffen bewaffneter Gruppen verloren. Nigerias Frauenministerin Uju Kennedy-Ohanenye erwirkte vergangene Woche zunächst eine einstweilige Verfügung, um die Zeremonie zu stoppen. Der Sprecher der Ministerin sagte der dpa am Freitag, dass sie das Gerichtsverfahren nun zurückgezogen und grünes Licht für die Hochzeit gegeben habe.
Empörung und Kritik an der Massenverheiratung
Die Ankündigung der Hochzeit durch den Sprecher des Abgeordnetenhauses des Bundesstaats Niger, Abdulmalik Sarkin-Daji, hatte vergangene Woche eine grosse Debatte in dem westafrikanischen Staat ausgelöst. Viele Nigerianer äusserten sich empört über Vermutungen, dass unter den Waisen auch Minderjährige sein könnten und die Massenverheiratung einer Zwangsheirat gleichkomme. Sarkin-Daji sagte, die Mädchen hätten als Waisen mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, sodass es besser sei, sie bei der Heirat zu unterstützen, um ihr Leid zu lindern. Er werde Dinge wie Möbel und Betten zur Verfügung stellen, die traditionell die Bräute in die Ehe mitbringen müssen. Einige der Ehemänner sind Regierungsangestellte, andere sind in der Wirtschaft tätig.
Ministerium sichert Frauen Unterstützung bei der Bildung zu
Die Ministerin habe der Hochzeit zugestimmt, nachdem die "notwendigen Untersuchungen" an den Mädchen durchgeführt worden seien, sagte ihr Sprecher der dpa. Die jungen Frauen und die Männer seien zudem auf HIV/AIDS und Hepatitis untersucht worden seien. Das Frauenministerium werde den Mädchen berufliche Fähigkeiten vermitteln, während diejenigen, die zur Schule gehen wollen, ein Stipendium erhalten sollen.
Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstes Land mit mehr als 220 Millionen Einwohnern, leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise und grossen Sicherheitsproblemen. Vor allem im Norden sind sowohl islamistische Terrorgruppen wie Boko Haram, die für Massenentführungen und Zwangsverheiratungen von Mädchen und Frauen berüchtigt sind, aber auch bewaffnete kriminelle Banden aktiv. Die Behörden der überwiegend muslimischen Region halten es für moralisch nicht akzeptabel, wenn junge Frauen nicht heiraten. Auch Eltern verheiraten ihre Töchter als Sicherheitsmassnahme, um sie vor Gewalt zu schützen.
Viele frühe Ehen und Kinderheiraten trotz Verbots in Nigeria
Frühe Ehen gelten als ein Grund für die grosse Armut und den Analphabetismus unter den Frauen im Norden Nigerias. Heiraten von Mädchen und Jungen unter 18 sind nach einem 2003 verabschiedeten Gesetz mittlerweile in 35 der 36 Bundesstaaten Nigerias verboten. Nach Angaben der NGO Equality Now, die sich für die Menschenrechte von Frauen einsetzt, werden dennoch 12 Prozent der Kinder bis 15 Jahre und 30,3 Prozent der Kinder unter 18 Jahren verheiratet. Die Kinderheiratsraten in Nigeria gehören zu den höchsten in Afrika.
"Dies ist ein Fall einer Regierung, die über keinen angemessenen sozialen Schutzmechanismus verfügt", sagte Jean-Paul Murunga, Rechtsexperte von Equality Now. Der Vorwand sei, dass die Ehe ein sicherer Hafen für verwaiste Mädchen sei. "In der Realität sind Kinder- oder Zwangsehen häufig mit einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen verbunden, da Frauen und Mädchen ihrer Autonomie und der Kontrolle über ihren Körper beraubt werden." © dpa
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