Nach einer erneuten Gewaltnacht in Belarus meldet sich die ins Exil geflohene Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja in einer Videobotschaft zu Wort. Sie sei gegangen, um bei ihren Kindern zu sein. Unterdessen gehen die Proteste weiter.

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Einen Tag nach ihrer Flucht ins Exil hat die belarussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja in einer ergreifenden Videobotschaft ihre Ausreise ins Ausland gerechtfertigt.

Sie sei aus eigenem Entschluss gegangen, um bei ihren Kindern zu sein, sagte Tichanowskaja. "Ich dachte, der Wahlkampf hätte mich abgehärtet und mir die Kraft gegeben, alles durchzustehen. Aber wahrscheinlich bin ich doch die schwache Frau geblieben, die ich zu Beginn war", sagte sie mit stockender Stimme.

Die 37-Jährige hatte sich in der Nacht zum Dienstag im benachbarten EU-Land Litauen in Sicherheit gebracht. Das bestätigte der litauische Aussenminister Linas Linkevicius am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Er hatte sich am Montagabend angesichts der gewaltvollen Proteste in Belarus besorgt um die Sicherheit der Oppositionellen gezeigt.

Eigentlich wollte Tichanowskaja weiter kämpfen

Sie habe diese schwere Entscheidung selbstständig getroffen, niemand habe sie beeinflussen können, sagte sie. "Viele werden mich verstehen, mich verurteilen oder hassen. Aber Gott bewahre, dass die je vor so einer Wahl stehen müssen, wie ich es musste."

"Leute, passt bitte auf Euch auf. Kein Leben ist es wert, was jetzt passiert. Kinder sind das Wichtigste im Leben", sagte Tichanowskaja weiter.

Auf einer Pressekonferenz hatte Tichanowskaja zuvor erklärt, dass sie im Land bleiben werde und weiter kämpfen wolle. Am Montag hatte sie bei der Wahlleitung offiziell Beschwerde gegen das Ergebnis der Wahl eingelegt. Dann sei sie stundenlang nicht mehr erreichbar gewesen.

Die 37-Jährige wolle vom sicheren Ausland aus weiter aktiv sein und ihren Sieg mit demokratischen Mitteln verteidigen, sagte ihre Vertraute, Olga Kowalkowa, dem Internetportal "Tut.by". Die belarussischen Behörden selbst hätten die Kandidatin ausser Landes gebracht.

"Sie hatte keine Wahl. Wichtig ist, dass sie in Freiheit und am Leben ist." Tichanowskaja habe mit ihrer Flucht auch die Freilassung ihrer Wahlkampfleiterin Maria Moros erreicht. Moros sei eine "Geisel" gewesen, beide reisten demnach gemeinsam aus.

Tichanowskaja war nur die Ersatzkandidatin

Tichanowskaja war an Stelle ihres inhaftierten Ehemannes Sergej Tichanowski als Gegenkandidatin von Alexander Lukaschenko zur Wahl angetreten. Zuvor arbeitete sie als Fremdsprachenlehrerin und hatte kaum politische Erfahrung.

Tichanowski ist ein bekannter Blogger, der im Internet offen Korruption und Missstände unter Staatschef Lukaschenko kritisierte. Seine Frau war im Juli als Kandidatin registriert worden und wurde zur Hoffnungsträgerin der Opposition.

Das Paar hat zwei Kinder, die beide minderjährig sind. Tichanowskaja hatte sie schon vor einiger Zeit ins Ausland gebracht.

Weitere Gewaltnacht in Belarus

Nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl am Sonntag waren landesweite Proteste ausgebrochen. Am Montagabend hatten abermals Tausende Menschen gegen Wahlfälschungen protestiert, die Staatschef Lukaschenko zu dem von der Wahlleitung erklärten haushohen Sieg verholfen hätten.

Es gab nach offiziellen Angaben mindestens 3.000 Festnahmen und rund 100 Verletzte, darunter Demonstranten und Polizisten. Ein Demonstrant wurde bei den Zusammenstössen getötet. Für den Abend sind erneut Proteste angekündigt.

Die Demonstrationen richten sich gegen Lukaschenko, der die zwischen Polen und Russland gelegene Ex-Sowjetrepublik seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit harter Hand regiert. An seinem vermeintlichen Sieg bei der Wahl am Sonntag mit 80 Prozent der Stimmen gibt es grosse Zweifel. Lukaschenko wird von Kritikern als "letzter Diktator Europas" bezeichnet. (dpa/ank)

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