Fünf Monate vor dem Austritt Grossbritanniens aus der EU ist immer noch kein Durchbruch zu erkennen. Die Regierung in London nimmt mit einer Abstimmung zum Haushalt im Parlament eine wichtige Hürde und verbreitet Optimismus. Doch Brüssel dämpft die Erwartungen.
Berichte über eine Einigung in Sachen Finanzdienstleistungen haben am Donnerstag Hoffnungen auf einen baldigen Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen geschürt. Dazu erhielt die Regierung in London grünes Licht für ihre Haushaltspläne im Parlament. Doch Brüssel versetzte dem Optimismus einen Dämpfer.
Britische Finanzdienstleister sollten nach dem Brexit weiterhin Zugang zu den EU-Märkten erhalten, hatte die Londoner "Times" unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Unterhändler von Grossbritannien und der Europäischen Union hätten eine vorläufige Vereinbarung für alle Aspekte einer zukünftigen Partnerschaft bei Dienstleistungen sowie beim Datenaustausch erzielt. Die Regulierung der Finanzbranche müsse sich dabei an EU-Vorgaben orientieren.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier widersprach der Darstellung der "Times". Im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er von "irreführenden Medienberichten". Die EU sei lediglich bereit, mit Grossbritannien über den Zugang der Finanzdienstleister zu verhandeln. Das Land verlässt die EU Ende März 2019.
Auch EU-Diplomaten wiesen die Berichte zurück. Der vermeintliche Fortschritt sei "reines Wunschdenken unserer britischen Partner, das offenbar über den völligen Stillstand der Verhandlungen mangels britischer Bewegung hinwegtäuschen soll", berichtete der "Tagesspiegel" (Freitag) unter Berufung auf EU-Diplomaten.
Die Kontakte zwischen Grossbritannien und der EU laufen derzeit auf technischer Ebene. Wann das nächste Treffen zwischen Barnier und dem britischen Brexit-Minister Dominic Raab sein werde, könne noch nicht gesagt werden, sagte ein Sprecher der EU-Kommission.
Eine Sorge hat die Regierung von Premierministerin
Zuvor hatte die nordirisch-protestantische DUP damit gedroht, den Haushalt durchfallen zu lassen, sollte May auf Kompromisse mit der EU in der heiklen Irland-Frage eingehen. Die Regierungschefin ist mit ihrer konservativen Minderheitsregierung auf die Unterstützung der DUP-Abgeordneten angewiesen. Sie liessen sich jedoch mit einem kräftigen Geldsegen für ihre Region zunächst besänftigen.
Streitpunkt irische Grenze
Brexit-Minister Raab geht davon aus, dass ein Abkommen mit Brüssel über den EU-Austritt Grossbritanniens bis zum 21. November in trockenen Tücher sein kann. Das geht aus einem Schreiben Raabs an den Brexit-Ausschuss hervor. Nach Angaben seines Ministeriums gibt es aber noch keinen festen Termin für den Abschluss der Verhandlungen. EU-Diplomaten sagten dem "Tagesspiegel" hingegen, eine Einigung im Dezember wäre "ein mittleres Wunder".
Die Brexit-Verhandlungen befinden sich vor allem mit Blick auf die Irland-Frage in einer Sackgasse. London und Brüssel konnten sich bislang nicht darauf einigen, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland verhindert werden können. Befürchtet wird, dass eine feste Grenze wieder Unruhen in der fragilen Ex-Bürgerkriegsregion auslösen könnte.
Brüssel hat einen Notfallplan (Backstop) für die Irland-Frage zur Bedingung für ein Austrittsabkommen und die etwa zweijährige Übergangsphase gemacht, in der sich so gut wie nichts ändern soll.
Den Vorschlag Brüssels, dass im Notfall nur Nordirland eng an die EU gebunden bleiben soll, trifft besonders bei der DUP auf grossen Widerstand. Ein Kompromiss könnte sein, dass ganz Grossbritannien so lange im EU-Binnenmarkt und in der Europäischen Zollunion bleibt, bis das Problem im Rahmen eines Handelsabkommens geklärt ist. Darauf habe man sich mit Brüssel prinzipiell geeinigt, so Raab. "Eine Einigung über die Details des Backstops sollte möglich sein." Voraussetzung sei aber, dass das Land nicht unbegrenzt an die EU gebunden bleibe. (mc/dpa) © dpa
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