Anis Amri stand über ein halbes Jahr lang auf der "Gefährder"-Liste deutscher Sicherheitsbehörden. Der mutmassliche Attentäter beim Terroranschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin stand unter Verdacht, terroristische Aktivitäten vorbereiten zu wollen. Aufhalten konnten die Behörden ihn dennoch nicht. Eine Geschichte des Versagens? Die Chronologie.

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Er war den deutschen Sicherheitsbehörden kein Unbekannter. Anis Amri soll am 19. Dezember 2016 in Berlin mit einem Lkw über einen Weihnachtsmarkt gerast und dabei zwölf Menschen getötet und 49 weitere teils schwer verletzt haben. Nun wird international nach ihm gefahndet.

Der Verdacht gegen den Tunesier erhärtet sich mit den neuesten Meldungen: Laut "SZ", dem "NDR" und dem "WDR" wurden an der Fahrertür des Tat-Lkw Fingerabdrücke von Amri gefunden.

Das hat Innenminister Thomas de Maizière mittlerweile bestätigt: "Wir können Ihnen heute mitteilen, dass es zusätzliche Hinweise gibt, dass dieser Tatverdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich der Täter ist."

Amri war als sogenannter "Gefährder" schon länger im Visier der Sicherheitsbehörden. Wieso wurde er nicht aufgehalten? Eine Spurensuche.


  • Haftstrafe in Italien

Anis Amri aus Tunesien, geboren am 22.12.1992, sitzt vor seiner Einreise in Deutschland eine vierjährige Haftstrafe in Italien ab. Das Vergehen: Brandstiftung. Das berichten italienische Medien.

  • Juni 2015: Einreise nach Deutschland

Anis Amri beantragt im Juni 2015 Asyl in Deutschland. Zunächst lebt er in Freiburg, dann in Nordrhein-Westfalen. Registriert wird er in Kleve. In NRW lebt er laut "Spiegel Online" in einer Asylbewerberunterkunft in Emmerich.

  • März 2016: Amri wird als "Gefährder" eingestuft

Seit Februar 2016 hält er sich meist in Berlin auf. Zu dieser Zeit wird Anis Amri als "Gefährder" eingestuft, gilt in dieser Liste sogar als "Grösse". Zum einen wegen radikal-islamischer Ansichten, zum anderen, "weil man ihm zutraut, jederzeit andere töten zu können", wie die "SZ" berichtet - Amri wird als sehr gefährlich eingestuft.

Ein Ermittler im Landeskriminalamt NRW soll demnach über Amri gesagt haben: "Wir haben viele Gefährder, aber solche wie den haben wir nur wenige."

Weiter berichtet die "SZ", dass der Generalbundesanwalt Anfang März 2016 ein Verfahren gegen Amri nach Paragraf 89 anregt, wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat.

Zuvor wird bekannt, dass sich der Tunesier im Umfeld des salafistischen Predigers Abu Walaa bewegt.

  • Juni 2016: Amris Antrag auf Asyl wird abgelehnt

Überwacht wird Anis Amri laut Generalstaatsanwaltschaft von März bis September 2016.


Der Tunesier fällt den Behörden auf, weil es Informationen gibt, wonach Amri einen Einbruch plane, um Geld für den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen, "möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen", so die Behörde.

Nach Berichten des "Spiegel" hatte Amri sich zudem bereits vor Monaten in Islamistenkreisen als Selbstmordattentäter angeboten. Das geht aus ausgewerteten Telefonüberwachungen hervor.

Wie Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger am Mittwoch erklärte, hätte Amri nicht abgeschoben werden können, weil er keine gültigen Ausweispapiere gehabt hatte.

Wie die "SZ" berichtet habe Tunesien lange bestritten, dass Amri tunesischer Staatsbürger sei. Die für die Abschiebung wichtigen Ersatzpapiere habe Tunesien erst am Mittwoch den deutschen Behörden zugeschickt.

Amri benutzt mindestens acht Alias-Namen, weshalb er für die Behörden schwer aufzuspüren ist.

So hatte sich der Tunesier auch als politisch verfolgter Ägypter ausgegeben. Da er jedoch so gut wie keine Angaben über Ägypten machen konnte, sei der Asylantrag nach wenigen Wochen abgelehnt worden, berichtet "Spiegel Online".

  • Ende Juli 2016: Amri spricht davon, Anschläge zu begehen

Im Sommer 2016 soll Amri nach Informationen von "SZ", "NDR" und "WDR" davon gesprochen haben, Anschläge zu begehen. So steht es in einem Bericht einer Vertrauensperson des Landeskriminalamtes NRW von Ende Juli 2016.

Zu dieser Zeit wird Amri in Friedrichshafen am Bodensee mit einem gefälschten italienischen Ausweisdokument festgenommen, wie die "SZ" unter Berufung auf hochrangige Beamte berichtet.

Der Tunesier kommt wieder frei, man hat nicht genug gegen ihn in der Hand.

  • September 2016: Die Überwachung wird abgebrochen

Die Observierung und Überwachung der Kommunikation Amris ergebe keine Hinweise auf ein staatsschutzrelevantes Delikt, erklärte die oberste Berliner Ermittlungsbehörde.

Es gebe lediglich Hinweise, dass der Tunesier als Drogendealer tätig und an einer körperlichen Auseinandersetzung, vermutlich in der Dealerszene, beteiligt gewesen sein könnte.

Deshalb wird die Überwachung im September beendet.

  • November 2016: Amri und die Verhaftung von Abu Walaa

Amri hatte Kontakte zum Netzwerk des kürzlich verhafteten Hildesheimer Predigers Abu Walaa, den NRW-Innenminister Jäger als "Chefideologen" der Salafisten in Deutschland eingestuft hat. (Hier lesen Sie mehr über Abu Walaa)

In diesem Umfeld wird auch Boban S. festgenommen, ein Dortmunder, bei dem Amri zeitweise gewohnt haben soll, wie die "SZ" berichtet.

Boban S. habe laut der Ermittler für den Dschihad geworben und sich zum IS bekannt.

Anis Amri wird nicht festgenommen - laut "SZ" ist er "einer von 25 Personen, die dem Prediger [Abu Walaa] nahestanden, bei denen es aber nicht für einen Haftbefehl reichte".

  • Dezember 2016: Amri taucht unter, Fahndung läuft

Die Sicherheitsbehörden tauschen laut NRW-Innenminister Ralf Jäger noch im November 2016 ihre Erkenntnisse über Amri im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum aus.

Laut "SZ", "NDR" und "WDR" taucht Anis Amri im Dezember unter.

Wie die "New York Times" berichtet, soll Amri sich im Internet über den Bau von Sprengsätzen informiert haben. Ausserdem soll er mindestens einmal über den Messenger-Dienst "Telegram" Kontakt mit der Terrormiliz "Islamischer Staat" gehabt haben.

Am 21. Dezember 2016 wird Anis Amri europaweit zur Fahndung ausgeschrieben. Das BKA veröffentlicht sein Fahndungsbild.

Mit Informationen von dpa und afp

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