Der Druck wurde zuletzt immer grösser: Boliviens Präsident Evo Morales hat in einer Fernsehansprache seinen Rücktritt angekündigt. Zuvor hatte der Staatschef eine Neuwahl angekündigt. Das reichte jedoch nicht aus, um die Opposition zu beschwichtigen.
Die Zeit des ersten indigenen Präsidenten Boliviens geht nach 13 Jahren zu Ende: Evo Morales hat seinen Rücktritt als Staatschef des südamerikanischen Landes erklärt. "Unser grosser Wunsch ist es, dass der soziale Frieden wiederkehrt", sagte der linke 60-Jährige am Sonntag in einer Fernsehansprache.
Er trete zurück, um die Gewalt der Opposition zu stoppen. Die Welt solle erfahren, wie sich Oligarchen gegen die Demokratie verschworen, sagt er. Morales hatte zuvor von einem Putschversuch gegen sich gesprochen.
Die Wut der Bolivianer über Unregelmässigkeiten bei der Präsidentenwahl vor drei Wochen, bei der er sich eine vierte Amtszeit sichern wollte, wurden Morales zum Verhängnis.
Er hatte am Sonntag zunächst eine Neuwahl angekündigt, nachdem die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in einem vorläufigen Bericht Manipulationen bei der Wahl festgestellt hatte.
Trotzdem gingen die Proteste gegen ihn weiter. Es gab auch erneut Berichte von Gewalt - gegen Anhänger sowie Gegner des Präsidenten. Die Chefs der Streitkräfte und der Polizei forderten seinen Rücktritt.
"Das Ende der Tyrannei"
Es wurde allmählich deutlich, was die Stunde geschlagen hatte. Chaotische Szenen spielten sich vor dem Präsidentenpalast in La Paz ab, wo sich der Oppositionsführer Luis Fernando Camacho den Weg durch eine grosse Menschenmenge bahnte, um Morales ein Rücktrittsschreiben zur Unterschrift zu überreichen.
Mehrere Kabinettsminister und Bürgermeister sowie der Präsident der Abgeordnetenkammer, Víctor Borda, und die Chefin des Wahltribunals, María Choque Quispe, erklärten ihre Rücktritte. Medien berichteten, Morales sei auf dem Weg nach Argentinien.
Dann tauchte der Präsident im Fernsehen auf - neben ihm sein Vizepräsident Álvaro García Linera, der ebenfalls seinen Rücktritt erklärte. Die Strassen von La Paz füllten sich mit jubelnden Menschen, die die Nationalfahne schwenkten und Böller zündeten.
"Ich werde diesen einzigartigen Tag nie vergessen. Das Ende der Tyrannei", schrieb der Ex-Präsident Carlos Mesa, der bei der Wahl Zweiter geworden war, auf Twitter.
Drei Tote bei Unruhen
Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl am 20. Oktober hatte sich Morales direkt zum Sieger erklärt, obwohl die Opposition, aber auch die OAS und die EU erhebliche Zweifel anmeldeten. Seitdem lieferten sich seine Anhänger und Gegner fast täglich heftige Auseinandersetzungen. Mindestens drei Menschen kamen ums Leben.
Morales regiert Bolivien seit 2006. Der frühere Koka-Bauer hatte sich zum dritten Mal zur Wiederwahl gestellt, obwohl die Verfassung höchstens eine Wiederwahl vorsieht. Morales überwand diese Hürde mit Hilfe der Justiz, die die Begrenzung der Amtszeiten als Verletzung seiner Menschenrechte bezeichnete.
Zwar floriert Bolivien - das Armenhaus Südamerikas - unter dem Sozialisten wirtschaftlich, doch sein zunehmend selbstherrliches und autoritäres Gehabe stiess immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen. (sg/dpa)
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