Der Oberste Gerichtshof in Brasilien hat die Anklage gegen den früheren Präsidenten Jair Bolsonaro zugelassen. Das teilte das Gericht mit. Dem rechten Politiker wird die Planung eines Staatsstreichs nach seiner Abwahl vorgeworfen.

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Brasiliens Oberster Gerichtshof hat entschieden, dass Ex-Präsident Jair Bolsonaro wegen Putschvorwürfen vor Gericht gestellt wird. Alle fünf Richter der Ersten Kammer folgten dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft. Damit werden der ehemalige Staatschef (2019-2022) und sieben mutmassliche Mitverschwörer formell Angeklagte in einem Strafverfahren.

Bolsonaro und seinen Mitangeklagten drohen im Falle einer Verurteilung allein für den Tatvorwurf des Staatsstreichs bis zu zwölf Jahre Haft.

"Die kriminelle Organisation hat alle notwendigen Schritte unternommen, um die rechtmässig gewählte Regierung zu stürzen", sagte Richter Alexandre de Moraes. Der Umsturzversuch sei lediglich gescheitert, weil die Führung der Streitkräfte sich dem Putsch nicht anschloss.

Nach Überzeugung der Ermittler plante der rechte Ex-Militär in einer kriminellen Vereinigung mit seinen Verbündeten einen Putsch, um sich nach seiner Wahlniederlage im Oktober 2022 gegen den bis heute amtierenden Präsidenten Lula an der Macht zu halten. Am 8. Januar 2023 stürmten Anhänger Bolsonaros, die den Wahlsieg Lulas nicht anerkennen wollten, den Kongress, Regierungssitz und Obersten Gerichtshof in der Hauptstadt Brasília und richteten erhebliche Schäden an.

Parallelen zum Sturm aufs Kapitol in Washington

Die Bilder der Krawalle gingen damals um die Welt und erinnerten an die Erstürmung des US-Kongresses in Washington durch Anhänger des damals abgewählten Präsidenten Donald Trump, der seine Niederlage gegen Joe Biden nicht akzeptieren wollte. Bolsonaro wurde wegen seiner Rhetorik und Amtsführung auch als "Tropen-Trump" bezeichnet.

Neben dem Ex-Präsidenten sind in dem Verfahren sieben weitere Männer angeklagt, darunter der frühere Gemeindienstchef Alexandre Ramagem, der ehemalige Justizminister Anderson Torres und der frühere Verteidigungsminister Braga Netto. Ihnen werden Bestrebungen zur gewaltsamen Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats, die Planung eines Staatsstreichs und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Sie weisen die Vorwürfe ebenfalls zurück.

In der ersten Phase des Strafverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof können Staatsanwaltschaft und Verteidigung nun die Vorlage von Beweismitteln beantragen und Zeugen vorladen. Nach den Plädoyers fällt der Gerichtshof ein Urteil in der Sache und entscheidet, ob die Angeklagten verurteilt oder freigesprochen werden.

Insgesamt 34 Anklagen gegen Minister und ranghohe Militärs

Der Oberste Gerichtshof prüfte, ob ausreichende Beweise gegen Bolsonaro für die Eröffnung eines Strafprozesses vorliegen. Die Staatsanwaltschaft hatte am 19. Februar formell Anklage wegen Putschversuchs erhoben. Der 70-Jährige soll versucht haben, den Amtsantritt seines linksgerichteten Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva nach dessen Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2022 zu verhindern.

Zu den fünf Anklagepunkten zählt auch die Bildung einer "bewaffneten kriminellen Organisation", die einen Plan zur Ermordung von Lula, seines Stellvertreters und eines Richters am Obersten Gericht ausgearbeitet haben soll. Ein weiterer Anklagepunkt lautet auf "Versuch der gewaltsamen Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats".

Insgesamt wurden im Februar 34 Menschen, darunter mehrere ehemalige Minister und ranghohe Militärs, angeklagt, sich verschworen zu haben, um eine Rückkehr des derzeit amtierenden Präsidenten Lula zu verhindern. Ermittelt wurde gegen Bolsonaro schon seit über einem Jahr. Im März 2024 hatten hochrangige Militärs den Ex-Präsidenten schwer belastet.

Bolsonaro wies am Dienstag in einer Erklärung alle Vorwürfe zurück. "Sie beschuldigen mich eines Verbrechens, das ich nicht begangen habe", erklärte der ultrarechte Politiker. Er sei Opfer "der grössten politisch-juristischen Verfolgung in der Geschichte Brasiliens".

Bolsonaro will bei nächster Präsidentschaftswahl antreten - darf er aber nicht

Bolsonaro hofft – ähnlich, wie es dem ideologisch nahestehenden US-Präsidenten Donald Trump gelungen war – auf ein politisches Comeback und will 2026 bei der nächsten Präsidentschaftswahl in seinem Heimatland antreten. Das darf er aber nach jetzigem Stand gar nicht: Das brasilianische Wahlgericht schloss Bolsonaro 2023 bis 2030 von politischen Ämtern aus, da er ohne Beweise die Zuverlässigkeit des elektronischen Wahlsystems in Zweifel gezogen hatte.

Gegen den Ex-Präsidenten laufen zudem eine ganze Reihe von Verfahren. So wirft die Polizei ihm auch vor, Schmuck und Luxusuhren, die er in seiner Amtszeit als offizielles Gastgeschenk in Saudi-Arabien erhielt, illegalerweise zur eigenen Bereicherung verkauft zu haben. Bolsonaro stritt auch dies stets ab. Ausserdem liess er nach Auffassung der Ermittler während der Corona-Pandemie Impfpässe für sich, Familienmitglieder und Mitarbeiter fälschen. (AFP/dpa/bearbeitet von ank)