Der Weg zu einem EU-Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich ist holprig. Doch beide Seiten wollen nun "den Tiger in den Tank packen". Der britische Premierminister Boris Johnson hält es sogar für möglich, noch im Juli eine Einigung für ein Brexit-Anschlussabkommen mit der EU zu erreichen.
Die Europäische Union und Grossbritannien halten am Ziel eines Handelspakts zum Jahresende fest und wollen jetzt in den Verhandlungen Gas geben. Dies ist das Ergebnis eines Spitzentreffens per Video am Montag. Der britische Premier Boris Johnson hält sogar eine Einigung schon im Juli für möglich. Trotzdem wird die deutsche Wirtschaft nervös. Denn die Zeit ist knapp, und ohne Einigung drohen ab 2021 Zölle und Handelshemmnisse.
Bei dem Spitzentreffen zog
Inhaltlich nichts Neues
Inhaltlich war allerdings keine Bewegung zu erkennen. Ratschef Michel twitterte, man sei "bereit, einen Tiger in den Tank zu packen". Allerdings werde die EU keine Katze im Sack kaufen. Michel beharrte auf der zentralen EU-Forderung: gleiche Wettbewerbsbedingungen im künftigen Handel. Johnson wiederholte seinerseits in der BBC seine roten Linien, darunter die Ansage, dass sich sein Land nicht mehr nach EU-Regeln richten werde. Britische Medien hatten berichtet, Johnson sei zu einem "No Deal" bereit, wenn es weiter keine Fortschritte gebe. Davon sagte er öffentlich aber nichts.
Grossbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten. In einer Übergangsfrist bis zum Jahresende gehört das Land aber noch zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion, so dass sich im Alltag fast noch nichts geändert hat. Gelingt kein Vertrag über die künftigen Beziehungen, könnte es Anfang 2021 zum harten wirtschaftlichen Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen kommen. Denn eine Verlängerung der Verhandlungsfrist hat Grossbritannien abgeblockt.
Grossbritannien will keine Vorgaben der EU akzeptieren
Die Hürden vor einer Einigung sind hoch. Brüssel bietet London ein umfassendes Handelsabkommen mit Zugang zum EU-Markt ohne Zölle und Mengenbegrenzung, fordert aber dafür gleich hohe Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards. Grossbritannien will jedoch keine Vorgaben der EU akzeptieren. Weitere wichtige Streitpunkte sind der Zugang von EU-Fischern zu den reichen britischen Fischgründen, die Rolle des Europäischen Gerichtshofs bei Streitigkeiten der Vertragspartner und der Datenaustausch bei polizeilichen Ermittlungen.
Aus Sicht Grossbritanniens könnte die langfristige Bindung an EU-Standards ein weitreichendes Handelsabkommen mit den USA verhindern. Das Versprechen von der Rückkehr zur globalen Handelsnation war zentral für die Brexit-Kampagne. Allerdings sind sich Experten einig, dass durch ein Abkommen mit Washington der Verlust des EU-Marktzugangs bei Weitem nicht wettgemacht würde.
Ähnlich sieht es bei der Fischerei aus. Sie ist für gerade einmal 0,1 Prozent der Bruttowertschöpfung in Grossbritannien verantwortlich, hat aber hohe symbolische Bedeutung für die einstige Weltmacht zur See. Zudem steht Johnson im Mai 2021 die erste grosse Prüfung seit seinem Wahlsieg bevor: Die Parlamentswahl in Schottland. Es sind vor allem die Fischer im Nordosten Schottlands, die sich von der Loslösung der gemeinsamen Fischereipolitik zusätzliche Einnahmen versprechen.
Auf harten Bruch vorbereiten
Das Ergebnis des Spitzentreffens wurde auf der EU-Seite sehr unterschiedlich bewertet. "Für die deutsche Wirtschaft ist es kein gutes Signal, dass der wichtige politische Impuls zur Auflösung der Verhandlungsblockade beim Spitzentreffen heute nicht gelungen ist", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben. "Damit wächst der Druck auf die Wirtschaft."
Die Grünen-Europaexpertin Franziska Brantner forderte, nun müsse man sich auf einen harten Bruch vorbereiten: "Die EU darf sich von Johnsons PR-Show heute mit von der Leyen nicht blenden lassen."
Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, David McAllister, betonte hingegen, beide Seiten hätten den festen Willen erklärt, eine gute zukünftige Partnerschaft bis zum Jahresende anzustreben. "Von dem heutigen Treffen geht ein neuer Impuls für die kommenden Gespräche aus." (dpa/fra)
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