Vor wenigen Tagen verkündete Premierministerin Theresa May Einigkeit in ihrem zerstrittenen Kabinett über den Brexit-Kurs. Nun steht alles infrage. Werden dem Rücktritt von Davis weitere folgen? Selbst ein Sturz der Premierministerin scheint nicht ausgeschlossen.
Der britische Brexit-Minister David Davis ist im Streit über den Kurs der Regierung beim EU-Austritt zurückgetreten.
Der "neue Trend" der Brexit-Politik und die Taktik mache es unwahrscheinlicher, dass Grossbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen werde, begründete Davis den Schritt in seinem Rücktrittsschreiben an Premierministerin
Die Regierungschefin widersprach. Sie stimme seiner Charakterisierung der neuen Brexit-Strategie nicht zu, erwiderte sie.
Einigung unter grossem Druck
May hatte ihr Kabinett am Freitag zu einer zwölfstündigen Marathonsitzung auf den Landsitz Chequers nordwestlich von London beordert. Die Minister mussten während der Klausurtagung sogar ihre Smartphones abgeben.
Am Abend verkündete May, die Regierung habe sich auf eine neue Strategie für den EU-Austritt verständigt. Doch die Einigung kam nur unter grossem Druck zustande.
Weitere Rücktritte könnten May stürzen
Der Plan wurde von vielen Brexit-Hardlinern als Abkehr vom EU-Austritt gewertet. Für May ist der Rücktritt von Davis ein heftiger Schlag. Sie muss nun mit weiterem Widerstand aus dem Brexit-Flügel ihrer Partei rechnen. Etwa 60 Abgeordnete in ihrer Fraktion werden dazu gezählt.
Auch Aussenminister Boris Johnson soll den Plänen nur äusserst widerwillig zugestimmt haben. Zwei Staatssekretäre im Brexit-Ministerium sollen ebenfalls ihren Hut genommen haben.
Sollten weitere Regierungsmitglieder zurücktreten, könnte das May in ernsthafte Bedrängnis bringen. Selbst ein Sturz der Premierministerin wäre dann nicht mehr ausgeschlossen.
Davis gilt als glühender Vertreter eines klaren Bruchs mit Brüssel. Er hatte bereits in der Vergangenheit mit seinem Rücktritt gedroht, sollte May das Land zu eng an Brüssel binden.
Seit Langem gilt er als unzufrieden mit seiner Rolle in der Regierung. Davis hatte sich bei den Austrittsgesprächen in Brüssel stets nur kurz gezeigt und wirkte oft schlecht vorbereitet. Mehr und mehr übernahm May in den Verhandlungen selbst das Steuer.
Sein Rücktritt stürzt die Regierung zur Unzeit in eine neue Krise. Grossbritannien verlässt die Europäische Union am 29. März 2019. Bis dahin muss ein Austrittsabkommen stehen, sonst droht Chaos.
Sechster Abgang im Kabinett May
Davis ist der sechste Minister, den May seit der Neuwahl im vergangenen Juni verliert. Verteidigungsminister Michael Fallon und Vize-Regierungschef Damian Green hatten nach Belästigungsvorwürfen ihre Posten aufgegeben.
Entwicklungshilfeministerin Priti Patel trat zurück, weil sie sich ohne Absprache im Israel-Urlaub mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu getroffen hatte. Innenministerin Amber Rudd musste im Skandal um die unrechtmässige Behandlung von Gastarbeitern aus der Karibik als illegale Einwanderer abtreten.
Nur ein Rücktritt war nicht von einem Skandal ausgelöst worden: James Brokenshire hatte sein Amt als britischer Nordirland-Minister wegen einer Erkrankung aufgegeben.
Er kehrte - gesundet - als Minister für Kommunen an den Kabinettstisch zurück. © dpa
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