Wegen seines Vorgehens in einer Verfahrensfrage ist der Sprecher des britischen Unterhauses, Lindsay Hoyle, schwer in die Kritik geraten. Bis zum späten Donnerstagvormittag unterzeichneten Dutzende Abgeordnete der regierenden Konservativen Partei sowie der oppositionellen Schottischen Nationalpartei (SNP) einen Antrag, dem "Speaker of the House of Commons" das Vertrauen zu entziehen.
Das Amt ist mit dem Posten des Bundestagspräsidenten vergleichbar. Hoyle ist seit November 2019 als Nachfolger von John Bercow, der in den Brexit-Debatten mit seinen "Order"-Rufe bekannt wurde, in dem überparteilichen Amt. Seine Mitgliedschaft in der sozialdemokratischen Labour-Partei ruht seither.
Hoyle hatte am Vortag eine Abstimmung über einen Änderungsantrag von Labour zu einem SNP-Antrag zugelassen, bevor über den eigentlichen SNP-Antrag abgestimmt wurde. Dabei ging es um eine Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen. Da sich die regierende Tory-Fraktion enthielt, wurde der Labour-Antrag angenommen und der SNP-Antrag kam nicht mehr zur Abstimmung. Die Sitzung ging daraufhin im Chaos unter.
Experten kritisierten Hoyles Vorgehen als Bruch der Traditionen. Demnach darf nur die Regierung Änderungen zu einem Oppositionsantrag beantragen. Der Speaker liess aber sowohl den Labour- als auch den Tory-Antrag zur Abstimmung zu. Hoyle entschuldigte sich. Er habe den Abgeordneten ermöglichen wollen, in einer emotionalen Frage über eine breite Palette von Vorschlägen abzustimmen. Tory-Abgeordnete werfen dem 66-Jährigen vor, er habe sich dem Druck seiner früheren Partei gebeugt. Das weisen Hoyle und Labour zurück.
Die Tories von Premierminister Rishi Sunak und die SNP hätten Labour eine politische Falle gestellt, betonten Kommentatoren. Bei einer ähnlichen Debatte vor einigen Wochen hatten Dutzende Labour-Abgeordnete entgegen der Vorgabe der Parteispitze mit der SNP gestimmt. Mit dem eigenen Antrag wollte Labour nun eine Wiederholung verhindern. "Parteipolitische Spielchen im Gaza-Konflikt bringen das Parlament in Verruf", schrieb die Chefin der Denkfabrik Institute for Government, Hannah White. © dpa
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