Nach den Attacken auf israelische Fussballfans in Amsterdam beschuldigen rechte Politiker Muslime und Migranten. Es gibt lange Krisengespräche wegen Rassismusvorwürfen. Am Ende hält die Koalition.
Die Koalitionsparteien der niederländischen Regierung haben einen Bruch verhindert und ihren Streit über mutmasslich rassistische Äusserungen von Ministern beigelegt. Nach stundenlangen Krisengesprächen in Den Haag erklärte Ministerpräsident Dick Schoof, dass die Koalition weiter gemeinsam regieren wolle. Sie hätten "als Kabinett beschlossen, gemeinsam weiterzumachen", sagte er. "Es gab und gibt keinen Rassismus in der Regierung", fügte er hinzu.
Anlass für die Krise waren angeblich beleidigende Äusserungen über Muslime und marokkanische Niederländer von Ministern nach den Angriffen auf israelische Fussballfans in Amsterdam in der vergangenen Woche. Die aus Marokko stammende Staatssekretärin im Finanzministerium, Nora Achahbar, trat deswegen zurück. Die übrigen Minister der Zentrumspartei NSC entschieden, in der Regierung zu bleiben.
Bei einer Kabinettssitzung über die Angriffe auf israelische Fussballfans in Amsterdam war es Berichten zufolge am Montag zu einer hitzigen Debatte gekommen. Nach "Meinung Achahbars wurden rassistische Äusserungen gemacht", berichtete der öffentliche Rundfunk NOS. Unklar blieb, um was für Äusserungen es sich handelte – oder wer sie tätigte.
Rücktritt: Achahbar kann Amt nicht mehr "effektiv ausüben"
"Die polarisierenden Interaktionen der vergangenen Wochen hatten solche Auswirkungen" auf sie, dass sie nicht mehr in der Lage sie, ihr Amt "effektiv auszuüben", erklärte Achahbar in ihrem Rücktrittsschreiben an das Parlament. Bei einer Parlamentsdebatte am Mittwoch hatte Geert Wilders, Chef der grössten Regierungspartei, gesagt, die Angreifer seien "alle Muslime" und hauptsächlich Marokkaner gewesen und müssten wegen Terrorismus verfolgt werden.
Die Regierungskoalition, der erstmals auch die radikal-rechte Partei des islamfeindlichen Populisten Geert Wilders angehört, ist seit gut vier Monaten im Amt. Sie gilt als sehr instabil.
Nach den Attacken auf Israelis hatten mehrere Minister Muslime und marokkanisch-stämmige Niederländer verantwortlich gemacht. Der parteilose Regierungschef Schoof hatte von einem Scheitern der Integration gesprochen. Wilders hatte die Ausbürgerung der Schuldigen gefordert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch, wer für die Angriffe verantwortlich ist. Die Angriffe hatten in den Niederlanden und vielen weiteren Ländern grosse Bestürzung und Kritik ausgelöst.
Ausschreitungen nach Fussballspiel
Bei den Ausschreitungen gegen die israelischen Fans nach einem Spiel von Ajax Amsterdam gegen den israelischen Fussballklub Maccabi Tel Aviv am vergangenen Donnerstag waren fünf Israelis so schwer verletzt worden, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. 20 bis 30 weitere erlitten laut Polizei leichte Verletzungen. Die Angreifer hatten nach Angaben der Polizei auf einen in Onlinediensten veröffentlichten Aufruf zu Attacken auf Juden reagiert.
Auch israelische Fans hatten nach Angaben der Polizei Gewalttaten verübt und mit rassistischen Parolen Palästinenser beleidigt.
Vor dem Hintergrund der Konflikte Israels mit der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen und mit der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon verzeichnen viele Länder einen deutlichen Anstieg antisemitischer Gewalt. (dpa/AFP/bearbeitet von tas)
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