• Olaf Scholz ist neuer Bundeskanzler: Der SPD-Politiker wurde am Mittwochmorgen im Bundestag gewählt.
  • Altkanzler Schröder (SPD) und der unterlegene Unionskanzlerkandidat Armin Laschet gratulieren dem Nachfolger von Angela Merkel.
  • Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban sieht indes tiefe Gräben im Verhältnis zu Deutschland und auch zur neuen Bundesregierung.

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Der SPD-Politiker Olaf Scholz ist zum neunten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Auf ihn entfielen am Mittwoch in geheimer Abstimmung im Bundestag 395 von 707 abgegebenen Stimmen. Es gab 303 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen. SPD, Grüne und FDP, die die erste Ampel-Koalition im Bund bilden, haben im Parlament zusammen 416 Mandate. Zur Wahl des Sozialdemokraten waren 369 Stimmen nötig.

SPD-Vize Kevin Kühnert geht davon aus, dass die Abweichler bei der Kanzlerwahl nicht aus Reihen der SPD, sondern von FDP und Grünen kamen. Den Koalitionspartnern falle es naturgemäss schwerer, jemanden von einer anderen Partei zum Kanzler zu wählen, sagte Kühnert am Mittwoch dem Sender Phoenix. Gefragt nach dem Wahlverhalten der Jusos unter den Bundestagsabgeordneten sagte er: "Da würde ich meine Hand ins Feuer legen, dass bei uns alle gestanden haben."

Scholz nahm die Wahl an. Als Erster überreichte ihm SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich einen Blumenstrauss, dann Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Auch der unterlegene Unionskanzlerkandidat Armin Laschet gratulierte. Der 63-Jährige ist der vierte SPD-Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik - nach Willy Brandt (1969-1974), Helmut Schmidt (1974-1982) und Gerhard Schröder (1998-2005). Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie zuletzt Kanzlerin Merkel.

Scholz zum Kanzler gewählt: Altkanzler Schröder und von der Leyen gratulieren

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich zuversichtlich geäussert, dass sein Parteikollege Scholz seine neue Aufgabe als Bundeskanzler einer Koalition mit FDP und Grünen gut meistern wird. "Olaf Scholz wird das sehr, sehr gut machen", sagte Schröder am Mittwoch im Interview mit dem Fernsehsender "Welt". "Ich traue ihm eine Menge zu und deswegen bin ich guten Mutes."

Es sei zwar "schwieriger, eine Konstellation zu führen aus drei Parteien, die sehr unterschiedlich aufgestellt sind", sagte er weiter. Aber die Erfahrungen, die Scholz aus seiner Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg mitbringe, würden ihm dabei helfen.

Scholz sei "ein Mensch, der Geduld hat und sehr kommunikativ führen wird", erklärte der Altkanzler weiter. Er sei auch sicher, dass Scholz schon an die Zeit nach der anstehenden Legislaturperiode denke und die Koalition so führen werde, dass sie "eine Chance hat, wiedergewählt zu werden". Schröder selbst war zwischen 1998 und 2005 der siebte Bundeskanzler der Bundesrepublik und führte damals die erste Regierungskoalition zwischen SPD und Grünen auf Bundesebene an.

Vor der Lebensleistung der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äusserte der Altkanzler Respekt. "Sie hat sicher eine überzeugende Leistung vollbracht, und das wird auch von ihr bleiben", sagte er. Darüber hinaus wolle er einer "so bedeutenden Persönlichkeit" wie Merkel keine Ratschläge für den Ruhestand geben.

Weitere Glückwünsche aus dem Europaparlament für Olaf Scholz

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat dem neuen Bundeskanzler Scholz ebenfalls alles Gute für sein neues Amt gewünscht. "Herzlichen Glückwunsch, lieber Olaf Scholz, zur Wahl und Ernennung als Bundeskanzler", schrieb die CDU-Politikerin am Mittwoch auf Twitter. "Ich wünsche einen guten Start und freue mich auf eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit für ein starkes Europa." Sie freue sich auf ein baldiges Treffen in Brüssel. Von der Leyen und Scholz waren teils zeitgleich Ministerin beziehungsweise Minister unter Angela Merkel.

Auch der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, gratulierte Scholz: "Wir wünschen Ihnen und Ihrer Regierung viel Erfolg und eine glückliche Hand für die Bewältigung der grossen Aufgaben, die in Deutschland und Europa anstehen." Das Europaparlament freue sich auf die Zusammenarbeit.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat dem neuen Bundeskanzler eine "konstruktive Zusammenarbeit" angeboten. "Als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz setze ich darauf, die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Bund und Ländern gerade in den Fragen fortzusetzen, die unsere gesamte Gesellschaft bewegen und länderübergreifender Lösungen bedürfen", teilte Wüst am Mittwoch in Düsseldorf mit. Insbesondere die Corona-Pandemie erfordere "verantwortungsvolle Politik, einen klaren Kurs und konsequentes, gemeinsames Handeln von Bund und Ländern".

Orban: "Stehen nicht mehr Seite an Seite"

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sieht hingegen tiefe Gräben im Verhältnis zu Deutschland und auch zur neuen Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz. "Die neue linksliberale Regierung strebt weg von Kohls Europa der Vaterländer hin zu einer migrations- und genderfreundlichen, deutsch geprägten, zentralistischen Politik aus Brüssel. Hier stehen wir nicht mehr Seite an Seite", schrieb der konservative Politiker in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung.

Orban stellte weiter fest: "Schon mit der Migrationskrise 2015 zerbrach unsere Einigkeit." Die damalige Krise habe tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft der Europäischen Union zu Tage gefördert, schrieb er. "Für die Ungarn und andere Mitteleuropäer ist die Heimat immanent, die nationale und kulturelle Identität substanziell. Die Entwicklung zeigte, dass Angela Merkel eine andere Richtung einschlug, einen nachchristlichen und postnationalen Weg."

Putin strebt "konstruktive Beziehungen" an

Russlands Präsident Wladimir Putin strebt hingegen "konstruktive Beziehungen" zur neuen Bundesregierung an. "Wir setzen auf Kontinuität und darauf, dass sich konstruktive Beziehungen zwischen dem Präsidenten und dem neuen Kanzler einstellen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Scholz ebenfalls zu seiner Wahl gratuliert. "Das nächste Kapitel werden wir zusammen schreiben. Für die Franzosen, für die Deutschen, für die Europäer", schrieb Macron auf Twitter. "Wir sehen uns am Freitag!", fügte er hinzu. Scholz wird am Freitag zum Mittagessen im Elysée erwartet. Es wird der erste Auslandsbesuch des Kanzlers nach der Amtsübernahme sein. (pak/dpa/AFP)

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