Bundesratswahlen sind ein demokratisches Ritual. Dieses bringt die Schweizer Regierung hervor. Es fallen dabei aber keine grossen Entscheidungen. Das hat mit dem Konkordanzsystem, aber auch mit dem Wahlverfahren zu tun.

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Zwischen 1999 und 2015 standen die Bundesratswahlen in der Schweiz ganz im Zeichen des Umbruchs. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) gewann Nationalratswahlen in Serie, drängte danach zu mehr Bundesräten, bekam einen Sitz zulasten der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), schloss die Gewählten mangels Parteiloyalität aus und holte sich schliesslich mit neuen Politikern die beiden Bundesratssitze zurück.

2018 kehrte man weitgehend zum Ritual zurück, so dass sich die Frage stellt: Was ist bei Bundesratswahlen heute normal, was nicht normal?

Vorzeitige Rücktritte sind normal

Bereits im Sommer 2017 kündigte Doris Leuthard (CVP) an, vorzeitig aus dem Bundesrat auszutreten. Johann Schneider-Ammann (Freisinnig-Demokratische Partei, FDP.Die Liberalen) beteuerte stets, bis Ende 2019 gewählter Bundesrat zu sein; schliesslich war er aber der Erste, der seinen definitiven Abgang bekanntmachte.

Normal, nicht normal?

Historisch gesehen ist das der Normalfall. Zwar müssen sich alle Mitglieder der Landesregierung jeweils nach den eidgenössischen Parlamentswahlen einzeln einer Neuwahl stellen, um weitere vier Jahre regieren zu können. Doch halten sie sich meist nicht daran: Seit 1919 sind nur 21 der 71 Rücktritte auf den ordentlichen Termin hin erfolgt. Das sind gerade mal 30 Prozent. Sieben von zehn Rücktritten fielen in die Amtsperiode. Dabei führt ausgerechnet die CVP die Statistik an: 82 Prozent ihrer Abgänge waren vorzeitig. Bei der FDP waren es 79 Prozent.

Die durchaus spezielle Normalität hat einen Grund: In den Köpfen der meisten Bundesräte steckt fest, dass sie ihren Rücktritt selber bestimmen. Dabei denken sie nicht zuletzt an ihre Partei: Ihr ermöglichen sie so eine personelle Erneuerung vor dem entscheidenden Wahljahr.

In Betracht gezogen werden aber auch denkbare Bewerbungen. Kurz vor den Parlamentswahlen 2019 mussten diesmal sowohl Gerhard Pfister (Parteipräsident CVP) als auch Petra Gössi (Parteipräsidentin FDP) ihre durchschimmernden Ambitionen auf einen Sitz im Bundesrat zugunsten der Wahlkampfführung reduzieren.

Zweier-Tickets – ein weiterer Normalfall

Beide Parteien mit Rücktritten schlugen der Vereinigten Bundesversammlung je zwei Bewerbungen vor. Bei der FDP war Karin Keller-Sutter die eindeutige Favoritin, so dass man einen Moment lang gar überlegte, nur sie zu portieren. Bei der CVP war kurzzeitig ein Dreier-Ticket im Gespräch, wohl aber nicht als Strategie, sondern eher um möglichst viele Ambitionen der vier Kandidaten zu befriedigen.

Normal, nicht normal?

Beides. Seit 1993 ist es üblich, mehr als eine Person für das Amt vorzuschlagen. Das berücksichtigt sowohl das Gebot der Wahlfreiheit der Vereinigten Bundesversammlung als auch den politischen Anspruch der Fraktion mit einem Rücktritt, möglichst wunschgemäss im Bundesrat vertreten zu sein.

Vor allem macht es die Bundesratswahlen berechenbar. In 93 Prozent der Fälle wurde nämlich die Person Bundesrat, die gleichzeitig auf einem Mehrfach-Ticket stand. Das trägt zur Stabilität des Regierungssystems bei.

Wenn es auch oft übersehen wird: Es ist schon fast normal, dass die CVP einen reinen Frauenvorschlag unterbreitet. Sie tat dies 1999 für einen der beiden freien Sitze erstmals, 2006 für das eine verbliebene Mandat wiederum, und das Gleiche wiederholte sich 2018. Auf diese Weise wurden Ruth Metzler, Doris Leuthard und Viola Amherd Bundesrätinnen.

Der Doppelerfolg der Frauen bei den diesjährigen Bundesratswahlen ist Ausdruck einer Normalisierung der Geschlechterfrage. Es scheint zumindest so, dass eine weitgehend ausgeglichene Vertretung von Mann und Frau im Bundesrat zur neuen Norm wird.

Eigentlicher Testlauf ist der Rücktritt von Ueli Maurer (SVP). Dann kann die letzte Regierungspartei zeigen, wie sie mit der Geschlechterfrage bei Bundesratswahlen umgeht. Es könnte auch sein, dass eine Frauenmehrheit in der Landesregierung zum Durchbruch verhilft.

Juniorpartnerin CVP – ein Ausnahmefall

Es bleibt die Frage nach der Stellung der CVP im Bundesrat. Sie war die Verliererin mindestens bei der Zuordnung der Departemente nach der Wahl. Ihrer neuen Bundesrätin blieb einzig noch das VBS mit Armee, Bevölkerungsschutz und Sport übrig. Gemeinhin wird dieses Departement als das am wenigsten wichtigste eingestuft.

Normal, nicht normal?

Eher nicht die Norm. Normal wäre gewesen, dass neue Bundesräte – hier Bundesrätinnen – diejenigen Departemente übernehmen müssen, die übrig bleiben. Die Reihenfolge wäre Amherd vor Keller-Sutter gewesen, da die CVP-Frau kurz vorher gewählte Bundesrätin war. Sie hätte wohl das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) bekommen, die FDP-Vertreterin das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS).

Persönliche Absichten und parteipolitisches Kalkül haben zur Umkehr geführt. Freiwillig geschah das nicht; der Bundesrat musste abstimmen.

Ganz unüblich war für die CVP, dass sie bei der Departementsverteilung in die Rolle des Juniorpartners gerückt wurde.

Denn im neuen Bundesrat sind die Katholiken zum ersten Mal in der Mehrheit. "Mission erfüllt!", hätte die CVP zu gerne ausrufen wollen. Faktisch musste sie feststellen, dass die Zeiten der Mehrheitsbeschafferin in wichtigen Fragen definitiv vorbei sein dürften.

Die Gründe hierfür müsste die CVP zunächst bei sich selbst suchen. Fast ungebrochene Wählerverluste während annähernd 40 Jahren sind die eigentliche Herausforderung, die der Partei zu schaffen macht. Da täuscht die Stärke im Ständerat (Kantonskammer) immer weniger darüber hinweg.

Ausblick: der nächste Normalfall steht an

Trösten wird man sich in der CVP damit: In einem Jahr sind Gesamterneuerungs-Wahlen für den Bundesrat, bei denen Ueli Maurer seine politische Karriere beenden könnte. Dann ginge die Verteilung der Departemente von Neuem los.

Normal wäre für 2019, dass der Letztgewählte, in der Armeesprache der "Hamburger", nicht wählen kann. Es ist gut möglich, dass das VBS dann wieder in SVP-Hände wechselt, selbst wenn es eine "Hamburgerin" sein sollte.

Auch das wäre dann schon fast normal.  © swissinfo.ch

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