Union und SPD haben sich darauf verständigt, dass Deutschland 1.553 zusätzliche Flüchtlinge von fünf griechischen Inseln aufnehmen will. Das teilte Vizekanzler Olaf Scholz mit.

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Deutschland will nach der Brandkatastrophe von Moria noch mehr Hilfe leisten und 1553 zusätzliche Flüchtlinge von fünf griechischen Inseln aufnehmen. Darauf haben sich Union und SPD am Dienstag verständigt, wie Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin mitteilte. Es handelt sich dabei um 408 Familien mit Kindern, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden.

Dies soll der zweite Schritt sein, nachdem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits am Freitag mitgeteilt hatte, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen bis zu 150 Jugendliche aufnehmen. Die 400 Minderjährigen sollen auf europäische Länder verteilt werden.

In einem dritten Schritt sollen laut Bundesregierung gegebenenfalls weitere Menschen aufgenommen werden, wenn es dazu Vereinbarungen mit weiteren europäischen Staaten geben sollte. Die SPD hatte die Aufnahme eines massgeblichen Anteils an Betroffenen gefordert.

SPD rechnet mit weiteren Aufnahmen von Flüchtlingen

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist die Aufnahme der Familien bereits mit der griechischen Regierung abgestimmt. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder nannte den Vorschlag einen "sehr guten Kompromiss".

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken geht davon aus, dass Deutschland nach der Aufnahme von 1553 zusätzlichen Flüchtlingen von den griechischen Inseln weitere Schutzsuchende von dort aufnehmen wird. Mit der Union sei klar vereinbart, dass Deutschland innerhalb eines möglichen europäischen Kontingents, über das seit einer Woche verhandelt werde, einen angemessenen Beitrag leisten werde. "Der wird sich mit Sicherheit in einer ähnlichen Grössenordnung bewegen, wie wir jetzt auch handeln", sagte Esken am Dienstag in Berlin.

Vizekanzler Scholz sagte, mit der deutschen Zusage könne auf der Insel Moria Entspannung eintreten. Deutschland handele als ein Land, "das eine grosse Verantwortung in Europa hat". Auch Scholz betonte, dass es damit aber nicht getan sei.

EU-Ratspräsident Charles Michel betonte bei einem Besuch in Athen die Notwendigkeit einer Reform des europäischen Asylsystems. "Wir müssen eine gerechte und starke Antwort zur Bekämpfung der Schleuser und ein neues Asylsystem entwickeln", erklärte er nach einem Treffen mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Gastgeber Mitsotakis kündigte ein neues Lager auf der Insel Lesbos an, das unter gemeinsamer Führung der EU und Griechenlands entstehen solle.

Grüne kritisieren "Alibi-Angebot"

Die Idee eines neuen, geschlossenen Lagers auf Lesbos ist dabei nichts Neues – entsprechende Pläne gibt es in Athen schon länger. Allerdings wehrten sich die Bewohner der Insel bisher erfolgreich gegen solch eine Anlage. Sie fürchten, dadurch endgültig als Flüchtlingsinsel stigmatisiert zu werden und wollen, dass die Migranten die Insel verlassen.

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte von der Bundesregierung "eine schnelle Aufnahme von 5000 Menschen". Die Aufnahme von 400 Familien, die bereits positive Asylentscheidungen haben, sei "ein Alibi-Angebot". Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, sagte: "Die Geflüchteten aus den Lagern in den Bundesländern und Kommunen aufzunehmen, die sich dazu bereit erklärt haben, wäre problemlos machbar." Das Seehofer dies verhindere, "ist an Kaltherzigkeit und Zynismus kaum zu überbieten".

FDP: EU-Lösung muss her

Die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg, erklärte dagegen: "Ein neuerliches deutsches Solo führt nicht weit. Die ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik ist Sache der Europäischen Union und nicht deutscher Kommunal- und Landespolitiker." AfD-Parteivize Stephan Brandner kritisierte die geplante Hilfsaktion. Er sagte: Das Einfliegen von Migranten aus Moria schafft weitere Anreize, Flüchtlingslager weltweit in Brand zu stecken und so ein Ticket nach Deutschland zu erpressen."

Die griechischen Behörden gehen davon aus, dass das seit Jahren heillos überfüllte Flüchtlingslager Moria vergangene Woche von Migranten angezündet worden war. Zuvor war die Situation dort eskaliert, nachdem mehrere Asylbewerber positiv auf das Coronavirus getestet worden waren.

Der griechische Minister für Bürgerschutz, Michalis Chrysochoidis, teilte am Dienstag mit, fünf von sechs mutmasslichen Brandstiftern seien inzwischen ausfindig gemacht worden. Er sagte im Staatsradio: "Die Brandstifter sind festgenommen. Es sind junge Migranten. Ein weiterer wird noch gesucht."

Mutmassliche Brandstifter festgenommen

Griechische Medien berichteten, zwei der mutmasslichen Brandstifter seien nicht auf Lesbos, sondern in Nordgriechenland festgenommen worden. Es handele sich um Minderjährige, die einen Tag nach dem Grossbrand nach Nordgriechenland ausgeflogen worden waren, um sie zu schützen, und die von anderen Staaten der EU aufgenommen werden sollten, berichtete der Athener Fernsehsender "Mega" unter Berufung auf Kreise der Polizei.

Aus Polizeikreisen hiess es, die fünf Festgenommenen seien Afghanen, deren Asylanträge abgelehnt worden waren. Mehr als 12.500 Migranten wurden durch den Brand in der Nacht zum vergangenen Mittwoch obdachlos.

Seehofer hatte am Freitag mitgeteilt, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen, die aus Griechenland in andere europäische Länder gebracht werden sollen, 100 bis 150 Jugendliche aufnehmen. Zudem betonte er, man wolle dann in einem zweiten Schritt mit Athen über die Aufnahme von Familien mit Kindern sprechen.

Neues Lager für 5000 Migranten

Die griechischen Behörden hatten - abgesehen von den 400 unbegleiteten Minderjährigen - offiziell bislang nicht um die Aufnahme der nun obdachlos gewordenen Menschen in anderen EU-Staaten nachgesucht. Viele von ihnen zögern jedoch, einzuziehen. Stand Dienstagmorgen waren rund 800 Migranten in dem Lager aufgenommen, das mittlerweile Platz für rund 5000 Menschen bietet, wie der griechische Staatssender ERT berichtete.

Deutschland hatte bereits vor dem Brand zugesagt, gemeinsam mit anderen europäischen Staaten besonders schutzbedürftige Migranten von den Inseln aufzunehmen - unbegleitete Kinder und Jugendliche sowie kranke Kinder mit ihren Eltern und Geschwistern. Laut Bundesregierung betrifft diese frühere Zusage insgesamt voraussichtlich mindestens 1000 Menschen, von denen mehr als 500 schon in Deutschland sind. (mss/dpa)

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