Bundesinnenminister Horst Seehofer hätte ein Interview mit AfD-kritischen Äusserungen nicht auf der Website seines Ministeriums veröffentlichen dürfen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. In seinem Urteil gab das Gericht einer Klage der Partei gegen den früheren CSU-Chef statt.
Die AfD hat im Rechtsstreit um eine harsche Kritik von Bundesinnenminister
Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe entschied am Dienstag, dass Seehofer die AfD durch die Veröffentlichung von kritischen Interviewäusserungen auf der Website seines Ministeriums in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt und damit gegen das Gebot staatlicher Neutralität verstossen habe (Az. 2 BvE 1/19). Der Innenminister hatte die Partei unter anderem als "staatszersetzend" bezeichnet.
BVG beanstandet ausdrücklich nicht die Äusserungen
Nach der Veröffentlichung hatte das Ministerium den dpa-Text zu den anderen Medienberichten auf seiner Homepage gestellt. Dieser Aspekt wurde von den Richtern kritisiert.
Der Zweite Senat des Verfassungsgerichts beanstandete ausdrücklich nicht die Äusserungen an sich. Aus dem Gesamtzusammenhang werde klar, dass Seehofer als Parteipolitiker gesprochen habe. Er sei auch zu Themen befragt worden, die nicht sein Ressort betreffen.
Durch die Veröffentlichung auf der Website habe der Bundesinnenminister allerdings auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamts zu Verfügung stünden. Da er diese Möglichkeit im politischen Meinungskampf eingesetzt habe, liege ein Verstoss gegen das Gebot staatlicher Neutralität vor.
"Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung endet dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt", sagte der scheidende Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle bei seiner voraussichtlich letzten Urteilsverkündung. Insbesondere müsse der Rückgriff auf mit dem Amt verbundene Ressourcen unterbleiben.
Direkte Konsequenzen für den Minister hat das Urteil nicht. Das Interview steht schon lange nicht mehr auf der Website.
Meuthen: "Wichtiger Beitrag zur politischen Hygiene"
Das Innenministerium wollte das Urteil zunächst nicht kommentieren. Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla sagte: "Der Bundesvorstand wird AfD-Wähler und Parteimitglieder auch weiterhin vor Diffamierungen schützen.
Sein Co-Vorsitzender
"Dieser juristische Sieg der AfD über Seehofer ist ein wichtiger Beitrag zur politischen Hygiene in Deutschland", ergänzte er.
Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser betonte, es sei zwar ein Fehler gewesen, das Interview auf der Webseite des Ministeriums zu veröffentlichen. An der Richtigkeit der von Seehofer getroffenen Aussage ändere das aber nichts. "Die AfD ist und bleibt in ihren Zielen staatszersetzend", sagte Strasser.
Seehofer bezeichnete Abgeordnete der AfD als Feinde des Staates
Im September 2018 hatte das Bundesinnenministerium ein Interview der Deutschen Presse-Agentur veröffentlicht. Unmittelbar davor hatte die AfD-Fraktion versucht, im Bundestag den Haushalt des Bundespräsidenten diskutieren zu lassen. Ihr Vorwurf: Frank-Walter Steinmeier habe "für eine linksradikale Grossveranstaltung" geworben, indem er ein Konzert gegen Rassismus der zeitweilig vom Verfassungsschutz beobachteten Linkspunkband Feine Sahne Fischfilet unterstützt hatte.
Seehofer kommentierte das in dem Interview mit den Worten: "Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausendmal sagen, sie sind Demokraten." Das sei bei einem "Frontalangriff auf den Bundespräsidenten" im Bundestag mitzuerleben gewesen. "Das ist für unseren Staat hochgefährlich", sagte Seehofer. "Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend."
AfD macht Organstreitverfahren geltend
Nach der Veröffentlichung hatte das Ministerium den dpa-Text zu den anderen Medienberichten auf seiner Homepage gestellt. Die AfD machte daraufhin in einem sogenannten Organstreitverfahren vor dem höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe geltend, Seehofer habe seine Neutralitätspflicht im politischen Meinungskampf und das Recht auf Chancengleichheit der Parteien verletzt.
Die AfD hatte in einem ganz ähnlichen Fall in Karlsruhe schon einmal erfolgreich gegen die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) geklagt. (dpa/afp/ank/hau)
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