Im Krieg gegen die IS-Miliz sollen bis zu 1.200 deutsche Soldaten in das Kampfgebiet entsendet werden. Auf dem Gebiet von Syrien und des Iraks sollen sie mit sechs Tornado-Aufklärungsjets eine internationale Allianz unterstützen. Wie bereiten sich die Soldaten vor?

Ein Interview

Thomas Wassmann ist über 20 Jahre als Waffensystem-Offizier auf Bundeswehr-Phantom-Kampfjets geflogen. Heute ist er Vorsitzender der Interessenvertretung der deutschen Kampfjet-Besatzungen.

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Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt er, wie sich die Bundeswehr-Soldaten auf den Einsatz gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien vorbereiten, wie er die Risiken beurteilt - und für wie sinnvoll er eine Beteiligung der Bundeswehr am Anti-IS-Kampf in Syrien hält.

Herr Wassmann, sechs Tornado-Aufklärungsjets sollen den Kampf einer internationalen Allianz gegen die IS in Syrien und im Irak unterstützen. Wie werden die Besatzungen dieser Jets auf ihren Einsatz vorbereitet?

Thomas Wassmann: Die Besatzungen machen im Laufe ihrer Ausbildung und in kontinuierlichen Wiederholungen auch darüber hinaus unter anderem regelmässig ein Fallschirm-Training. Das heisst, sie trainieren zum Beispiel das Abspringen über See.

Situationen wie die, dass der Fallschirm, wenn sie am Boden sind, sie noch übers Wasser zieht - und sie sich lösen müssen; dass sie in ihr Schlauchboot vernünftig reinkommen; dass sie das Wasser, was eventuell drin ist, rausschöpfen; dass sie das Boot wasserdicht schliessen und sie ihre Funksignale absetzen, damit sie gefunden werden können.


Es gibt natürlich auch Schwimmübungen, wie man sich so kräftesparend wie möglich über Wasser halten kann; wie man seine Ausrüstung bedient usw.

Das Programm setzt sich zusammen aus theoretischen und praktischen Übungen, also im Schwimmbad und in der Tat auch in der Nordsee, bzw. im Fahrwasser der Weser, wo sie zum Beispiel im Hubschrauber aus ihrem Schlauchboot hochgeseilt werden, damit sie nicht zum ersten Mal mit dieser Situation konfrontiert werden, wenn sie im Einsatz sind.

Gibt es auch Landübungen?

Die Besatzungen machen ein ähnliches Training im Süden der Republik, in einer Fallschirm-Trainingsschule, in der sie lernen, wie man sich am Fallschirm verhält; wie man richtig landet; wie man sich richtig abrollt.

Allerdings passiert das nicht während eines echten Fallschirmsprungs, sondern alles nur in der Halle, praktisch unter der Decke baumelnd und runterfallend, aber es kommt ja letztlich beim Sprung auf die letzten Meter an.

Und einmalig in ihrer Ausbildung, meistens in den ersten Jahren, trainieren sie auch zu zweit sogenannte Durchschlageübungen. Da haben sie eine gute Woche Unterricht, wie man sich im Gelände verhält; was man trinken kann; wie man Feuer macht; wie man sich warmhält; wie man erste Hilfe leistet - gegenseitig und an einem selber.

Da gehen sie dann auch zwischendurch ins Gelände, um das Ganze nochmal praktisch umzusetzen. Die Abschlussübung ist dann letztlich eine 24 Stunden Durchschlageübung, wo sie zu zweit irgendwo ausgesetzt werden - und sich dann zu einem gewissen Punkt durcharbeiten müssen, an dem sie dann aufgenommen werden.

Gibt es auch speziell psychologisches Trainings für solche Einsätze?

Erstmal sind diese Soldaten ja sowieso schon sehr, sehr speziell ausgesucht, anhand der Bewerbungen und des Auswahltrainings, das ganz zu Beginn stattfindet. Das ist ja schon eine sehr sortierte Klientel.

Es kommen überhaupt nur ein bis zwei Prozent der Bewerber überhaupt in die engere Auswahl, sodass sie die Ausbildung anfangen können - und selbst dann fallen noch Einige raus, im Laufe der Zeit.


Sie können also davon ausgehen, dass Eigenschaften wie psychologische Standfestigkeit, Charakterstärke usw. bereits so weit wie möglich im Vorfeld geprüft worden sind. Eine spezielle psychologische Betreuung vor Einsätzen gibt es deshalb so nicht.

Es gibt allerdings inzwischen auch Anlaufstellen und Unterricht zu Fragen, wie man sich absichern sollte, wenn man in der Einsatz geht. Wie sichere ich meine Familie ab? Wie setze ich ein Testament auf?

Dazu gibt es Checklisten und auch Hilfe, wenn man sie denn braucht. Das sind natürlich Dinge, mit denen man sich normalerweise in dieser Altersgruppe in zivilen Berufen eher selten auseinandersetzen muss.

Wie alt sind die Besatzungen im Durchschnitt?

Es fängt an mit 21. Da werden die allerdings sicherlich noch nicht in den Einsatz gehen, weil da noch eine gewisse Erfahrung fehlt. Und in der Regel hören die mit 41 auf zu fliegen.

Das hat auch etwas mit dem Alter, körperlicher Fitness, geistiger Reaktionsfähigkeit, Koordination und ähnlichen Dingen zu tun.

Wie kann man sich als Soldat überhaupt auf solch einen Einsatz mental vorbereiten?

Das ist natürlich eine sehr individuelle Sache und hängt auch von den Lebensumständen ab. Bin ich noch Junggeselle? Habe ich Verpflichtungen, Familie etc.? Wie gehe ich mit Risiko und ähnlichen Dingen um?

In der Regel ist es so, dass man sich selbstverständlich mit seinen engsten Verwandten und Freunden über solche Sachen unterhält, sich da theoretisch auch drauf vorbereitet, soweit man das überhaupt kann, auf die Frage, was wäre eigentlich wenn...?


Aber letztendlich geht man davon aus, dass man A) seinen Beruf beherrscht und B) vernünftiges Material zur Verfügung gestellt bekommt - und eine Verletzung oder ein Todesfall wirklich die absolute Ausnahme bilden.

Sonst könnte man diesen Beruf ja gleich an den Nagel hängen, wenn man immer das Schlimmste denkt oder immer vom Worst-Case-Szenario ausgehen würde.

Was würde passieren, wenn ein Kampfjet abstürzt und die Besatzung in die Hände des IS gerät?

So einen Gegner haben wir, glaube ich, alle noch nicht gesehen. Die halten sich ja an nichts, was international die moralischen Grundschnittmengen sind.

Wobei man ehrlich sein muss, dass es andere Nationen gibt, die teilweise sehr befreundet mit uns sind, die sich auch an nichts halten, die das nur anders verkaufen.

Das ist also eine besondere Situation, für die den Besatzungen schon mal das eine oder andere beigebracht wird. Ich denke aber, dass man sie auf das, was einem blühen könnte, wenn man in die Hände der IS gerät, sowieso nicht vorbereiten kann.

Wie würde die Bundeswehr reagieren?

Natürlich würde die Bundeswehr in einem solchen Fall alles versuchen, die Besatzungen da abzuholen, wo sie gerade sind. Wir haben ja schon Fälle gehabt, in denen Spezialkräfte anderer Nationen Geiseln befreit haben.

Aber inwieweit die Bundeswehr überhaupt in der Lage wäre, das alleine zu tun, weiss ich nicht. Da gehört ja nicht nur Personal dazu, da müssen sie die Leute ja auch hinfliegen, mit Hubschraubern zum Beispiel - und auch wieder rauskriegen.


Also, das alles ist sehr, sehr spekulativ und jede Aktion würde wahrscheinlich, wenn ich mir die Fähigkeiten der Bundeswehr angucke, nur durch oder gemeinsam mit befreundeten Nationen durchgeführt werden können.

Ist die Bundeswehr überhaupt gut genug auf so einen Einsatz vorbereitet?

Die Frage, die sich stellt, ist: Wie halten wir das personell durch? Wie lange werden wir da unten vor Ort sein? Das haben Sie ja zum Beispiel beim letzten vergleichbaren Bundeswehreinsatz des Patriot-Systems in der Türkei gesehen.

Die sind ja unter anderem auch deshalb nach Hause gekommen, weil sie personell einfach alles so lange belastet haben, dass die Personaldecke dünn geworden ist.

Und Ähnliches kann ihnen natürlich gerade bei alten Systemen auch mit Ersatzteilen passieren, wenn da mal mehr kaputt geht als geplant.

Also ist das eine Frage der Zeit?

Das ist mit Sicherheit eine Frage der Zeit, weil wir in der Bundeswehr ja das System Breite vor Tiefe verfolgen. Breite heisst, wir haben ein so breites Spektrum von Einsatzmöglichkeiten wie möglich. Das geht vor Tiefe.

Tiefe heisst ja Durchhaltefähigkeit, also Länge des Einsatzes. Das heisst, wir können alles leisten, aber nicht so richtig lange. Das Gegenteil würde bedeuten, man verzichtet auf Fähigkeiten - und hat dafür natürlich Lücken.

Das heisst, wenn man bestimmte Kompetenzen mal bräuchte, müsste man erst befreundete Nationen bitten - und das will man natürlich unbedingt vermeiden.

Wo liegen denn aus Ihrer Sicht die besonderen Risiken dieses Einsatzes?


Die Frage ist da für mich vor allem, wie sicher es zur Zeit in der Türkei ist, besonders in den entlegenen Orten, wo wir dann stationiert sind. Das wird sich erst vor Ort zeigen, das hat aber mit dem IS nur sehr bedingt etwas zu tun.

Die Gefahr, durch den IS abgeschossen zu werden, schätze ich als relativ gering ein. Wie weit natürlich die Russen mit ihren jetzt neu stationierten Systemen einen Fehler machen, so wie die Türkei vor kurzem mit dem Abschuss des russischen Fliegers - das weiss ich nicht.

So etwas dürfte eigentlich nicht passieren, aber sogenanntes Friendly-Fire hat es schon immer gegeben - und wird es wahrscheinlich auch immer mal wieder geben, egal wie modern und kommunikativ die Systeme untereinander sind.

Aber die eigentliche Gefahr, von dem IS abgeschossen zu werden, halte ich für gering, weil wir in sehr grossen Höhen operieren werden - und meiner Meinung nach der IS keine Waffensysteme besitzt, die A) die Höhen erreichen können - und B) überhaupt vom Gegner beherrscht werden können.

Halten Sie persönlich die Teilnahme der Bundeswehr an diesem Einsatz für sinnvoll?


Es steht mir nicht unbedingt zu, Entscheidungen der Bundesregierung zu kritisieren oder zu beurteilen. Wir liefern in diesem Einsatz natürlich Dinge, die die anderen Nationen ganz nett unterstützen und entlasten.

Wie weit die Amerikaner mit ihren Drohnen oder Satelliten nicht ohnehin schon jeden Quadratzentimeter des Gebiets vermessen haben, weiss ich nicht.

Allerdings haben bis jetzt alle Operationen auch ohne uns gut funktioniert. Wir liefern sicherlich einen Beitrag, aber ob es ohne diesen Beitrag nicht genauso gut gehen würde, das lasse ich jetzt mal dahingestellt.

Thomas Wassmann ist über 20 Jahre als Waffensystem-Offizier auf dem Bundeswehr-Kampfjet Phantom F-4F geflogen. Seit 17 Jahren ist er Vorsitzender des "Verbandes der Besatzungen strahlgetriebener Kampf-Flugzeuge der Deutschen Bundeswehr e.V." und damit der oberste Interessen-Vertreter der Besatzungen der Kampfjets. Seit sechs Jahren ist er zudem Präsident des Forums Militärische Luftfahrt (FML).

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