• Die Impf-Affäre um gut ein Dutzend Lokalpolitiker in Halle an der Saale hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
  • Durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ist nun herausgekommen: Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Schachtschneider drängelte sich vor.
  • Bis zuletzt hatte er das aber seiner Partei verheimlicht - die reagiert aufgebracht.

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Die Impf-Affäre in Halle an der Saale zieht immer weitere Kreise. In der Grossstadt in Sachsen-Anhalt wurden Anfang des Jahres Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und mehrere Stadträte gegen das Coronavirus geimpft, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsstufe angehörten. Der Vorfall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.

Wiegand soll vom Dienst suspendiert werden, wie der Stadtrat am Mittwoch auf einer Sondersitzung beschlossen hat. Als das Vordrängeln des Oberbürgermeisters und weiterer Lokalpolitiker im Februar publik wurde, zeigte sich die CDU-Stadtratsfraktion "über dieses unsolidarische und dreiste Verhalten erschüttert".

Nun kam heraus: Auch der CDU-Landtagsabgeordnete und Vize-Stadtratsvorsitzende Andreas Schachtschneider liess sich vorzeitig impfen. Das haben Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laut "Mitteldeutscher Zeitung" (MZ) und MDR aufgedeckt. Schachtschneiders Parteikollegen zeigen sich entsetzt – insbesondere, weil er ihnen gegenüber die Unwahrheit sagte.

Monatelang die Fakten verschwiegen

Dem Kreisvorsitzenden Marco Tullner, zugleich Bildungsminister in Sachsen-Anhalt, hatten im Februar alle Mitglieder der Hallenser CDU-Stadtratsfraktion erklärt, nicht "von einem wie auch immer gearteten Impfangebot des Oberbürgermeisters Gebrauch gemacht" zu haben.

Doch Schachtschneider muss seinen Landtagskollegen Tullner belogen haben. Denn wie die MZ berichtete, wurde Schachtschneider bereits Ende Januar vorzeitig gegen SARS-CoV-2 geimpft. Der Politiker habe der Zeitung erklärt, dass er am 25. Januar telefonisch vom Leiter des Impfzentrums spontan gefragt wurde. Schachtschneider nahm das Angebot an, obwohl der damals 59-Jährige nach der von Bund und Land festgelegten Dringlichkeit der Berechtigten mit einer Impfung noch nicht an der Reihe gewesen wäre.

"Was uns als CDU in Halle so fassungslos macht, ist die Tatsache, dass Herr Schachtschneider monatelang die Fakten verschwiegen hat und sich offensichtlich nur durch die äusseren Umstände, also durch den Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft, gezwungen sah, sich zu seinem Verhalten zu äussern", kritisierte Tullner am Donnerstag auf Facebook. Es habe genug Gelegenheit gegeben, sich zu erklären.

Unsere Redaktion konnte Schachtschneider telefonisch nicht erreichen, auf schriftliche Nachfrage per E-Mail hat er bislang nicht reagiert.

CDU-Fraktion drängt zur Aufklärung

Der Vorfall sorgt in der Landespartei für Entsetzen. Sachsen-Anhalts CDU-Landeschef Sven Schulze sei "menschlich schwer enttäuscht", dass Schachtschneider die Impfung nicht offengelegt hat. "Dazu hätte er damals mehrere Gelegenheiten gehabt, die er anscheinend bewusst nicht genutzt hat", sagte Schulze der "MZ".

"Es ist Aufgabe der CDU in Halle und des Abgeordneten Schachtschneider, hier zeitnah für Aufklärung zu Sorgen", bemerkte eine Sprecherin der Landtagsfraktion auf Anfrage unserer Redaktion. Der Politiker werde sich in der kommenden Fraktionssitzung erklären müssen.

Der Kreisvorstand der CDU Halle hat derweil schon reagiert: In einer Pressemitteilung vom Donnerstag ist von einem "gestörten Vertrauensverhältnis" die Rede. Schachtschneider soll demnach zwar bereits als Vize-Kreisvorsitzender zurückgetreten sein. Der Kreisvorstand forderte ihn aber auf, alle seine Parteiämter im Kreisverband niederzulegen und erwartete, dass er "hinsichtlich seiner Mandate persönliche Konsequenzen zieht".

Schachtschneider seien Transparenz und Bürgernähe "sehr wichtig"

Schachtschneider soll zudem nach Möglichkeit von der Landesliste der Partei zur Landtagswahl am 6. Juni in Sachsen-Anhalt gestrichen und ein anderer Direktkandidat für den Wahlkreis Halle I nominiert werden.

Der ehemalige Berufsschullehrer war erst im Januar in den Magdeburger Landtag nachgerückt, dort sass er bereits von 2015 bis 2016. Dem Stadtrat gehört er seit 2009 an. Auf der Webseite seiner Fraktion lässt er sich unter anderem mit folgendem Satz zitieren: "Transparenz und Bürgernähe sind mir in meiner politischen Arbeit sehr wichtig."

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Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat sich mit dem Präparat von Astrazeneca gegen Corona impfen lassen. Das gab der 58-Jährige am Mittwochabend via Twitter bekannt. Währenddessen hält die Stiko an ihrer Empfehlung für das Vakzin fest. Die EMA hingegen empfiehlt den Impfstoff weiter uneingeschränkt.
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