Der Zeitplan für die Wahl eines neuen CDU-Chefs steht fest - und nach Norbert Röttgen will auch Friedrich Merz offiziell aus der Deckung kommen. Dass es noch zu einer gütlichen "Teamlösung" kommt, ist unwahrscheinlich. Die Zeichen stehen auf Kampfkandidatur - inklusive der Gefahr, dass die dramatische Führungskrise der CDU nicht endet.

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Das wird wohl nichts mit einer Lösung im Team oder in einer "Formation" bei der Suche nach dem neuen CDU-Vorsitzenden. Als die scheidende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses vor die Mikrofone tritt, ist längst klar, dass es beim Sonderparteitag in neun Wochen wieder in eine Kampfkandidatur mehrerer Bewerber gehen wird - inklusive der Gefahr, dass die schlingernde Partei doch wieder nicht aus ihrer dramatischen Führungskrise herauskommt, in der sie seit dem Abschied von Kanzlerin Angela Merkel vom Parteivorsitz im Jahr 2018 steckt.

Kramp-Karrenbauer konnte Kampfkandidatur nicht verhindern

Mit Kramp-Karrenbauer steht der Hamburger Spitzenkandidat Marcus Weinberg vor den Kameras - nach dem Desaster der dortigen CDU bei der Bürgerschaftswahl mit dem schlechtesten Ergebnis der Partei bei Landtagswahlen seit fast 70 Jahren.

Doch es interessiert eigentlich nur ein Thema: Wie geht es in der offenen Führungsfrage der CDU weiter? Kann die Partei mit einem neuen Vorsitzenden oder einem Team von Spitzenleuten den Abwärtstrend stoppen, aus dem Umfragetief herauskommen und endlich wieder Wahlen gewinnen? Droht die weitere Demontage der wohl einzig verbliebenen deutschen Volkspartei?

Zwei Wochen lang hat AKK nun Gespräche mit möglichen Kandidaten geführt. Doch es ist ihr trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, einen für die CDU gefährlichen Wettbewerb der mächtigen Männer beim Sonderparteitag zu verhindern.

Merz will sich am Vormittag zu Kandidatur äussern

Keine vier Stunden, nachdem Kramp-Karrenbauer ihren Auftritt in der Parteizentrale beendet hat, ist klar: Nach Ex-Umweltminister Norbert Röttgen wird an diesem Dienstag mit dem früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz ein weiterer machtbewusster Kandidat öffentlich seine Bewerbung für den Parteivorsitz abgeben.

Um kurz nach 18:00 Uhr verschickt die Bundespressekonferenz, der Zusammenschluss der Hauptstadtjournalisten in Berlin, die Einladung für den Auftritt von Merz an diesem Dienstag. Nüchtern heisst es dort: "Zur Kandidatur für den CDU-Vorsitz", dann folgt der Vermerk "Neu!". Nur Minuten später gibt es in Parteikreisen hinter vorgehaltener Hand die Bestätigung: Ja, Merz wird antreten.

Es mag Zufall sein, dass Merz fast genau zur selben Zeit zum Traditionellen Heringsessen des CDU-Stadtverbands Ueckermünde begrüsst wird. Es ist der junge CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der den Sauerländer nach Mecklenburg-Vorpommern eingeladen hat.

Heringsessen mit Amthor und Merz
Friedrich Merz (r.) beim traditionellen Heringsessen des CDU Ueckermünde mit Philipp Amthor. Merz will seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz nun offiziell machen. © Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Amthor, eine 27 Jahre alte Nachwuchshoffnung der Konservativen in der Partei, bewirbt sich um den Vorsitz seines CDU-Landesverbandes. Und Merz, auf den viele Konservative in der CDU nach den langen Merkel-Jahren mit dem CDU-Kompass als "Partei der Mitte" ebenfalls grosse Hoffnungen setzen, will Chef der Bundespartei werden.

Es gibt grossen Applaus in Ueckermünde, als Amthor Merz vor fast 200 Gästen als Mann mit messerscharfem Verstand und klarer Sprache ankündigt.

In Berlin gelten Merz wie Röttgen, der bislang als einziger offiziell seine Kandidatur für die AKK-Nachfolge angekündigt hat, als Intimfeinde Merkels. Die Kanzlerin hatte Merz 2002 als damalige Oppositionsführerin vom Vorsitz der Unionsfraktion verdrängt. Im Dezember 2018 war er Kramp-Karrenbauer nur knapp im Kampf um den Vorsitz unterlegen.

CDU steht vor Richtungsentscheidung

Beflügeln dürften Merz auch die Umfragewerte. Meist führt er das Feld jener an, die als mögliche AKK-Nachfolger gehandelt werden, vor CSU-Chef Markus Söder, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet oder Gesundheitsminister Jens Spahn.

Tritt nun auch noch Laschet an? Er hat eine selbst für die Bundes-CDU extrem wichtige Kommunalwahl im bevölkerungsreichsten Bundesland im Jahr 2020 vor sich.

Immer geht es bei den einzelnen Kandidaten auch um eine Richtungsentscheidung: Laschet steht eher für die Fortsetzung des Mitte-Kurses von Merkel. Zudem ist es in der Union ein offenes Geheimnis, dass der mächtige bayerische Ministerpräsident Söder wohl nur schwer mit einem Kanzlerkandidaten Merz leben könnte.

AKK verärgert CSU mit Ansage zur K-Frage

Als wenn die Führungskrise nicht genug sei, hat Kramp-Karrenbauer noch zwei weitere Felder aufgemacht, auf denen es noch schweren Streit geben dürfte.

Mit ihrer unmissverständlichen Ansage, dass mit der Entscheidung über den Parteivorsitz ein wichtiges Signal für die Kanzlerkandidatur der CDU verbunden sei, hat sie Söder verärgert.

Wie man danach zu einem gemeinsamen Kanzlerkandidaten mit der CSU kommen werde, müsse ihr Nachfolger klären, sagt AKK lapidar. Die Wahl Ende April sei jedenfalls ein klares "Präjudiz" für die Kanzlerkandidatur.

Die Antwort aus München lässt nicht lange auf sich warten. "Man sei sehr verwundert über das Vorgehen, das sei so nicht abgesprochen gewesen", heisst es aus der CSU-Spitze. Man gehe fest davon aus, dass die Suche nach dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten wie in der Vergangenheit auch Sache der Parteichefs von CDU und CSU sei.

Dabei war AKK gerade von Söder oft dafür gelobt worden, welchen Anteil sie an der neugewonnenen Einheit der Unionsschwestern habe - nach dem jahrelangen Zerwürfnis wegen der Migrationspolitik der Kanzlerin. Ist die schwarze Eintracht nun wieder passé?

Wutausbruch gegen SPD-Generalsekretär Klingbeil

Mit einem regelrechten Wutausbruch gegen SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dürfte Kramp-Karrenbauer auch zusätzliche Unwucht in die ohnehin nach wie vor schlingernde grosse Koalition Merkels gebracht haben.

Klingbeil greife die CDU mit dem Vorwurf mangelnder Abgrenzung zur AfD immer wieder an, zürnt AKK. Sie könne das nur als ganz bewusste Diffamierungs- und Schmutzkampagne werten nach dem Motto: "Irgendwas wird schon hängenbleiben". "Dann soll er die Konsequenz ziehen und seine Partei auffordern, diese Regierung zu verlassen mit der CDU", verlangt AKK.

Klingbeils Antwort kommt prompt. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen sei "ein Tabubruch", von dem sich die CDU lange nicht erholen werde, keilt er zurück.

Und dann legt er noch den Finger in die offene Wunde der CDU: Die Frage, ob man nicht doch mit der AfD zusammenarbeite, werde immer wieder gestellt werden - etwa im nächsten Jahr bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt oder in Mecklenburg-Vorpommern.

Es sind turbulente Wochen für die Union, ob bei der Klärung des Umgangs mit der Linken in Thüringen oder in der Führungskrise. Ausgang offen. (jwo/dpa)  © dpa

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