Angesichts chaotischer Zustände bei der Evakuierung aus Afghanistan durch die Bundeswehr 2021 fordern Vertreter der Ampel-Fraktionen für ähnliche Krisen eine bessere Koordination innerhalb der Regierung.

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Es sei notwendig, "klare Verantwortlichkeiten zu definieren, wer am Ende diese Konflikte, die immer zwischen den einzelnen Ressorts vorhanden sind, auflöst", forderte der SPD-Obmann im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Jörg Nürnberger.

Er äusserte sich am Rande der Vernehmung der früheren Vizepräsidentin des Bundesnachrichtendienstes (BND), Tania von Uslar-Gleichen, in Berlin. Das Kanzleramt "wäre die natürliche Autorität, die am Ende solche Konflikte auflösen können sollte", fügte er hinzu.

Am späteren Nachmittag sollte auch der Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes, Bruno Kahl, von den Abgeordneten vernommen werden.

Vorwurf gegen BND: Lage in Kabul falsch eingeschätzt

Der Ausschuss soll Entscheidungen rund um den Abzug der Bundeswehr und die Evakuierungsmission im August 2021 aufklären. Die Bundeswehr hatte Afghanistan im Juni 2021 schneller als geplant verlassen. Sie folgte zeitlichen Vorgaben der USA.

Im August 2021, als die Taliban nach einer Blitzoffensive im Land die Hauptstadt Kabul praktisch ohne Gegenwehr einnahmen, beteiligte sich Deutschland an einem internationalen militärischen Evakuierungseinsatz. Es kam zu chaotischen Zuständen und gefährlichen Situationen rund um den Flughafen. Dem BND wird vorgeworfen, die Lage falsch eingeschätzt zu haben.

Grüne: Kommunikationsprobleme zwischen BND und Politik

Grünen-Obfrau Sara Nanni erklärte, der Eindruck verstärke sich, dass das Erkenntnisaufkommen auf der untersten Ebene beim BND sehr gut gewesen sei. Aber: "Je weiter die Analyse nach oben gebracht wird, desto unkonkreter, unschärfer und dadurch auch das Problem etwas kleinredender wird sie." Es habe auch Kommunikationsprobleme zwischen Nachrichtendienst und Politik gegeben.

FDP fordert Nationalen Sicherheitsrat

FDP-Obfrau Ann-Veruschka Jurisch sagte, das Ressortprinzip stosse in Krisen an seine Grenzen. "Deswegen brauchen wir einen Nationalen Sicherheitsrat", forderte sie.

Auch Unions-Obmann Thomas Röwekamp (CDU) kritisierte eine fehlerhafte Einschätzung der Lage durch den BND. Man könne aber nicht sagen, dass operativ gravierende Fehler gemacht worden seien. "Am Ende reden wir über Einschätzung, über Lagesplitter und Einschätzungen und die sind am Ende fehlerhaft getroffen worden."

Ex-BND-Vizepräsidentin: Geschwindigkeit der Entwicklung unterschätzt

Die damalige BND-Vizepräsidentin Tania von Uslar-Gleichen sagte in ihrer Vernehmung, die Prognose des BND zur wahrscheinlichsten Entwicklung Afghanistans - nämlich der in Richtung eines islamischen Emirats - sei grundsätzlich gut gewesen. Dies gelte aber nicht für die "unglaubliche Geschwindigkeit".

Die USA hätten damals zugesichert, Kabul nicht vor dem 11. September zu verlassen, sagte Uslar-Gleichen. Sie habe sich damals auch nicht vorstellen können, dass die USA den Taliban einen derart symbolischen Sieg und Prestigegewinn gönnen würden, dass deren Fahne an diesem Tag über der US-Botschaft wehen werde. Sie habe sich aber getäuscht.

Am 11. September 2001 hatte das islamistische Terrornetzwerk Al-Kaida unter anderem das World Trade Center in New York angegriffen.  © dpa

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