Präsident Yoon hat Südkorea über Nacht in eine Staatskrise gestürzt. Was treibt ihn an und welche Rolle spielt Nordkorea?
Vom Kriegsrecht zur Kehrtwende in gerade mal sechs Stunden: In Südkorea haben sich seit Dienstagabend die Ereignisse überschlagen. Hier die zentralen Fragen und Antworten zur Krise des Landes:
Was hat sich in Südkorea zugetragen?
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat am Dienstagabend in einer dramatischen Fernsehansprache überraschend das Kriegsrecht über das Land verhängt. Als Begründung für den Ausnahmezustand nannte Yoon die Rolle der Opposition des Landes. Er beschuldigte sie, mit Nordkorea zu sympathisieren. Der ausgerufene Ausnahmezustand ziele darauf ab, "pro-nordkoreanische Kräfte auszulöschen und die verfassungsmässige Ordnung der Freiheit zu schützen", sagte er.
Es war das erste Mal seit Südkoreas Übergang zur Demokratie Ende der 1980er-Jahre, dass der Präsident das Kriegsrecht verhängte. Viele Südkoreaner fühlten sich wohl an das Vorgehen verschiedener Diktatoren in der Geschichte des Landes erinnert, die immer wieder auf das Kriegsrecht zurückgegriffen hatten, wenn sie politische Gegner ausschalten wollten. Das Kriegsrecht verbietet alle politischen Aktivitäten, einschliesslich Protesten sowie Parteiaktionen und schränkt die Tätigkeit von Medien und Verlagen ein.
Tausende Südkoreaner hielt das nicht davon ab, sich auf den Strassen von Seoul zu versammeln. Rund um das Parlamentsgebäude demonstrierten sie mit Bannern wie "Nein zu Kriegsrecht" und "Diktatur beenden". Die Nationalversammlung forderte den Präsidenten wenig später auf, den Ausnahmezustand wieder aufzuheben. 190 der insgesamt 300 Abgeordneten schafften es in das von bewaffneten Soldaten umstellte Gebäude. Sie alle stimmten für den Antrag. Yoon machte daraufhin einen Rückzieher.
Was hat Yoon zu diesem radikalen Schritt bewogen?
Yoons Vorgehen dürfte Experten zufolge innenpolitisch motiviert gewesen sein. Die Umfragewerte des unpopulären Präsidenten sind seit Monaten miserabel. An Wochenenden gingen zuletzt vermehrt Demonstranten in der Innenstadt von Seoul auf die Strassen, um seine Amtsenthebung zu fordern. Zudem gibt es seit längerem Korruptionsvorwürfe gegen seine Ehefrau. Gleichzeitig stritten Regierungslager und Opposition über den Staatshaushalt fürs kommende Jahr.
Yoon warf dem von der Opposition dominierten Parlament vor, durch Anträge zur Amtsenthebung von Ministern und weiteren Amtsträgern die Regierungsgeschäfte behindert zu haben. Seit dem Antritt der Regierung im Mai 2022 habe die Nationalversammlung 22 Amtsenthebungsanträge gestellt.
Welche Rolle spielt Nordkorea?
Da der Korea-Krieg 1953 mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete, befindet sich Südkorea formell bis heute im Kriegszustand mit dem nördlichen Nachbarn. Für die politische Rechte, der Yoon angehört, ist es ein gängiger Vorwurf, das linke Lager als kommunistisch und "pro-nordkoreanisch" zu diffamieren.
Während sein Vorgänger Moon stets auf Dialog setzte, fährt Yoon einen dezidiert harten Kurs gegenüber Nordkorea. Die Beziehungen beider Länder befinden sich auf einem Tiefpunkt. Zur Staatskrise im Süden hat sich Nordkorea noch nicht geäussert. Die Blamage für Yoon dürfte Machthaber Kim Jong-un aber gefallen.
Wie geht es jetzt weiter?
Präsident Yoon sieht sich wegen des kurzzeitig von ihm verhängten Kriegsrechts mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Die Opposition hat ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, das am Freitag zur Abstimmung gestellt werden könnte, sofern Yoon nicht von sich aus geht.
Auch der Chef der Regierungspartei, Han Dong Hoon, übte scharfe Kritik: Er forderte den Präsidenten laut Berichten südkoreanischer Medien auf, sein Verhalten zu erklären und Verteidigungsminister Kim Yong-hyun wegen der "desaströsen Lage" zu entlassen. (mcf)
Verwendete Quellen:
- dpa
- afp
- "welt.de" vom 4.12.2024: "Was hinter der politischen Achterbahnfahrt in Südkorea steckt"
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