Der Einsatz von Chemiewaffen wird international geächtet, die Gefahr galt lange als gebannt. Doch im syrischen Bürgerkrieg und nun offenbar auch im Sudan werden chemische Kampfstoffe wieder eingesetzt. Die wichtigsten Fakten zu Chlorgas, Senfgas & Co.
Als Chemiewaffen werden solche bezeichnet, die durch ihre toxischen, d.h. giftigen Eigenschaften Menschen verletzen oder töten können. Sie zählen zu den Massenvernichtungswaffen und werden im Chemiewaffenübereinkommen von 1992 international geächtet. Weil sie von den Opfern spät oder gar nicht erkannt werden, gelten sie als besonders perfides Mittel der Kriegsführung.
Welche Chemiewaffen gibt es?
Die ersten modernen chemischen Waffen wurden im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Sie basierten auf Substanzen, die in der chemischen Industrie zur Anwendung kamen. Dazu zählen Gase wie Chlor, Phosgen, Blausäure oder Arsin. Später wurden die Gifte in Aerosol- und Pulverform eingesetzt, was ihre Wirkung erhöhte.
Darüber hinaus werden auch Brand- (Napalm), Nebel- und Rauchstoffe sowie Entlaubungsmittel (Herbizide) zu den chemischen Waffen gezählt. Im syrischen Bürgerkrieg kam nachweislich Chlorgas (durch die syrische Regierung) und Senfgas (durch den Islamischen Staat) zum Einsatz. Das war der erste Einsatz von Chemiewaffen seit 25 Jahren und überhaupt der erste im 21. Jahrhundert.
Welche Auswirkungen haben die einzelnen Waffen?
Die Folgen von Chemiewaffen auf den menschlichen Körper hängen stark von der Art und Dosierung des Kampfstoffes ab. Im Ersten Weltkrieg kamen Hautkampfstoffe zum Einsatz. Sie bewirken schwere und schwerste Verbrennungen und Verätzungen an der Haut und den Schleimhäuten. Die moderneren Nervenkampfstoffe wirken direkt auf das zentrale Nervensystem und setzen die Kontrolle von Muskeln ausser Kraft. So wird das Atemsystem lahmgelegt - die Menschen ersticken oft qualvoll.
Was waren die verheerendsten Einsätze von Chemiewaffen?
Bereits in der Antike sollen die Spartaner Brandkörper, die hohe Konzentrationen von Schwefeldioxid auslösten, auf gegnerische Stellungen geschleudert haben. Im Ersten Weltkrieg setzten die Kriegsparteien chemische Waffen erstmals massenhaft ein. Die Schätzungen gehen von bis zu 90.000 Toten und 1,2 Millionen Verwundeten aus.
Der erste wirkungsvolle C-Waffenangriff erfolgte im April 1915, als deutsche Truppen mit Chlorgas mindestens 1.200 Franzosen in ihren Schützengräben töteten. Das faschistische Italien soll im Krieg gegen Äthiopien zwischen 1935 und 1936 bis zu 50.000 Äthiopier vergiftet haben.
Im Zweiten Weltkrieg war Japan die einzige Nation, die chemische Waffen einsetzte - auch zur gezielten Massentötung von Zivilisten. Die USA besprühten im Vietnamkrieg das Land massenhaft mit dem Entlaubungsmittel "Agent Orange". Drei Millionen Vietnamesen haben nach offiziellen Angaben Folgeschäden erlitten, mindestens 150.000 Kinder wurden mit Behinderungen geboren. In den USA gibt es rund 2,5 Millionen geschädigte Veteranen.
Einer der folgenschwersten Giftgasangriffe erfolgte 1988 in der kurdisch-irakischen Stadt Halabdscha. Mehr als 5.000 Menschen wurden damals durch die Armee Saddam Husseins getötet.
Wer ist im Besitz von Chemiewaffen?
Die früheren Supermächte im Kalten Krieg, Russland und die USA, besitzen noch Altbestände, zu deren Entsorgung sie sich aber bekannt haben. Diese Altbestände stellen laut Experten keine Gefahr dar. Bei den Staaten, die das Chemiewaffenübereinkommen nicht unterzeichnet oder ratifiziert haben (Angola, Ägypten, Nordkorea und Südsudan sowie Burma und Israel), ist die Situation allerdings nicht geklärt.
Eine Gefahr geht auch von Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat aus, der in Syrien nachweislich mit chemischen Kampfstoffen hantierte. Ob der IS zu einem Anschlag in einer europäischen Grossstadt in der Lage wäre, kann niemand mit Sicherheit ausschliessen. Der tödliche Nervengas-Angriff der Aum-Sekte in Tokyo 1995 hat bewiesen, dass nicht-staatliche Akteure zu Anschlägen mit Chemiewaffen in der Lage sind.
Wird die Gefahr grösser?
Chemiewaffen sind international geächtet. Durch herkömmliche Waffen kommt ausserdem ein Vielfaches an Menschen zu Tode. Jedoch ist die Antwort der internationalen Gemeinschaft auf Chemiewaffenangriffe in den letzten Jahren schwächer geworden, wie Experten kritisieren. Länder wie Russland machen mit dem Thema Politik. So weigerte sich Moskau, die Gasangriffe der syrischen Regierung im UN-Sicherheitsrat zu verurteilen.
"Chemiewaffen gehören weltweit geächtet und vernichtet", sagte der mittlerweile verstorbene FDP-Politiker Guido Westerwelle 2013 der Passauer Neuen Presse auch in Richtung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Durch den Einsatz solcher Waffen in Syrien und nun offenbar auch im Sudan wird die Welt daran erinnert, dass die Gefahr auch im 21. Jahrhundert nicht gebannt ist.
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