China wird zur militärischen Weltmacht. Sowohl bei Waffenexporten als auch bei -importen belegt das Reich der Mitte mittlerweile einen Spitzenplatz. Und China rüstet sich bereits für die Zukunft: den Cyberwar. Europa muss hingegen sparen - und kürzt die Militärausgaben. Das ist auch ein Problem für die Rüstungsindustrie.
Der Waffenhunger in Asien wächst: Laut einem aktuellen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri sind die fünf grössten Waffenkäufer der Welt Indien (zwölf Prozent Anteil am Weltrüstungshandel) vor China (sechs Prozent), Pakistan und Südkorea (fünf Prozent) sowie Singapur (vier Prozent). Asien und Ozeanien machen mittlerweile 44 Prozent des Weltrüstungshandels aus.
Bei den Exporten hat vor allem China rasant zugelegt und ist mit einem Anteil von fünf Prozent am weltweiten Waffenhandel zwischen 2008 und 2012 zum ersten Mal in die Top-5 aufgestiegen. Das Reich der Mitte hat seine Exporte während dieser Periode im Vergleich zu 2003 bis 2007 um 162 Prozent gesteigert. An der Spitze liegen aber weiter die USA (30 Prozent) vor Russland (26 Prozent), Deutschland (sieben Prozent) und Frankreich (sechs Prozent). Weltweit stieg das Handelsvolumen mit Waffen um 17 Prozent.
Die 100 grössten Rüstungsunternehmen haben davon jedoch nicht profitiert. Laut einem Sipri-Bericht aus dem Februar ist ihr Umsatz zum ersten Mal seit 1995 gesunken - um immerhin fünf Prozent auf 410 Milliarden Dollar (307 Milliarden Euro). Chinesische Firmen hat Sipri aufgrund der mangelnden Datenbasis jedoch nicht in das Ranking der Top-100 aufgenommen. Insgesamt ist das "Boomjahrzehnt" für die Rüstungskonzerne mit einem Umsatzplus von 51 Prozent seit 2002 wohl erst einmal vorbei.
Cyberwar als neues Geschäftsfeld
Vor allem der Sparzwang in Europa führte dazu. Bestes Beispiel: Griechenland. Laut Sipri ist der europäische Krisenstaat im Ranking der grössten Waffenabnehmer von Platz vier im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 auf Platz 15 in den Jahren 2008 bis 2012 abgestürzt. Die Importe gingen um 61 Prozent zurück. Europaweit ist der Kauf von Rüstungsgütern um 20 Prozent zurückgegangen.
Laut Sipri-Analystin Susan Jackson gäben die westlichen Nationen zwar immer weniger für herkömmliche Waffen aus. Doch dafür werde ein anderer Bereich immer wichtiger: "Der Schutz vor Angriffen etwa im Internet wird von Ländern zunehmend als Frage der nationalen Sicherheit betrachtet", erklärt Jackson. In elektronische Kriegsführung werde trotz sinkender Militäretats weiter investiert. "Viele Staaten sehen durch Hackerangriffe ihre nationale Sicherheit gefährdet und sind bereit, für den Schutz trotz sinkender Budgets noch Geld auszugeben."
US-amerikanische Konzerne wie Lockheed Martin, Raytheon und Northrop Grumman, drei der zehn grössten Rüstungsunternehmen weltweit, haben das längst erkannt und expandieren ebenso wie das deutsch-französisch-spanische Unternehmen EADS, siebtgrösster Waffenhersteller der Welt, im Bereich Cyber-Sicherheit.
IT-Sicherheit als lukrativer Markt
Die auf den Cyberspace spezialisierte EADS-Tochter Cassidian beschäftigt bereits 350 Personen - Tendenz steigend. "Der Cyberraum ist Bestandteil unseres Alltags geworden", erklärt Thomas Köhler, Chef des Geschäftsbereichs Cyber-Sicherheit bei Cassidian, bei "Focus Online" und wirbt für einen grösseren Schutz. "Wir müssen in der Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik ein noch stärkeres Bewusstsein für eine präventive Cyber-Sicherheit schaffen."
Gerade dieser Bereich ist lukrativ für die Unternehmen. "Die Rüstungsindustrie treibt vorwiegend die Entwicklung von defensiver IT-Technik zum Schutz vor Angriffen voran", erklärt Dr. Sandro Gaycken, Experte für Cyberwar und Hochsicherheits-Infrastrukturen an der FU Berlin sowie Autor des Buches "Cyberwar – Das Wettrüsten hat längst begonnen" im Gespräch mit unserem Portal.
Im Offensivbereich könne die Rüstungsindustrie jedoch eher wenig profitieren, meint Gaycken, der auch als Berater für das Auswärtige Amt tätig ist. Zwar experimentierten Unternehmen bereits mit Tools für automatisierte Hacker-Attacken, doch generell sei jeder Angriff individuell: "Technik kann den Einsatz von gut ausgebildeten Personen in diesem Bereich nicht ersetzen."
"China versteht sich als Weltmacht"
Laut Gaycken ist China bei der Man-Power für den Cyberwar schon lange führend. Zwar lägen keine belastbaren Zahlen vor, doch könne man davon ausgehen, dass China mehrere tausend Hacker für Industriespionage oder -sabotage beschäftige. Zum Vergleich: die USA und Israel beschäftigen etwa 500 Hacker.
Zudem gehe China bei Hacker-Attacken besonders aggressiv vor: "Während andere Länder versuchen, ihre Angriffe im Cyberspace so gut wie möglich zu tarnen, tut China kaum etwas zur Verschleierung", sagt Gaycken. Das zeige ein neues Selbstverständnis Chinas als zweite Weltmacht neben den USA: "Es drohen ja keine Konsequenzen, wenn chinesische Cyber-Angriffe aufgedeckt werden. Handelssanktionen sind ebenso wie offene militärische Aktionen vollkommen ausgeschlossen."
Bei Angriffen macht China nicht einmal vor westlichen Rüstungsunternehmen halt. So berichtete "Spiegel Online" Ende Februar von einer "bemerkenswerten" Hacker-Attacke auf EADS. Die Spur führte ins Reich der Mitte.
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