Chinas Rückkehr zur Weltmacht ist das erklärte Ziel von Staatspräsident Xi Jinping. Die chinesische Regierung rückt sich mit neuem, demonstrativem Selbstbewusstsein in Position. In Deutschland sorgt man sich vor allem über die verstärkten chinesischen Investitionen in heimische Unternehmen, während diese wiederum im Reich der Mitte auf hohe Hürden stossen. Wie gefährlich ist die chinesische Strategie?

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Die Rede von Xi Jinping vor dem Nationalen Volkskongress hat die Welt aufgeschreckt. Der chinesische Staatspräsident kündigte an, dass China wieder seinen "rechtmässigen Platz in der Welt" einnehmen wolle. Sein Land sei stark genug, um einen "blutigen Kampf gegen unsere Feinde bis zum bitteren Ende" zu führen, beschrieb er es mit drastischen Worten.

Für Doris Fischer, Professorin für chinesische Wirtschaft an der Universität Würzburg, passt Xis Rede in die allgemeine politische Entwicklung im Reich der Mitte, besonders seit der Neuausrichtung der Regierung im Herbst 2017.

"China ist selbstbewusster geworden und vertritt das auch offensiver nach aussen", sagt Fischer. Von der vorherigen Leitlinie eines eher sanften Auftretens habe sich Peking verabschiedet. Die neue Haltung ist aber nicht unproblematisch: "Weil China so gross ist, entstehen schnell Ängste", erklärt Fischer.

"Das war dem früheren Parteiführer Deng Xiaoping sehr bewusst, darum hat er China kleiner gemacht als es ist." Allerdings wurde China auch von vielen Seiten aufgefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen. "In dem Moment, wo sie es jetzt tun, wird es auch sehr kritisch gesehen", meint die China-Expertin. Dies bedeute nun eben auch, dass Peking lauter als bisher seine Interessen vertritt.

Chinesen auf Shoppingtour in Europa

In den vergangenen Jahren haben chinesische Übernahmen und Beteiligungen an europäischen und besonders deutschen Unternehmen viel Aufsehen erregt. Der Augsburger Robotik-Hersteller Kuka ist in chinesischer Hand, ebenso wie der Maschinenbauer Krauss Maffei aus München oder der Weltmarktführer für Pkw-Schliesssysteme Kiekert aus Nordrhein-Westfalen.

Für die Expertin für chinesische Wirtschaftspolitik ist es zunächst "völlig normal", dass in einer globalisierten Welt auch weltweit investiert werde. "Bis ins Jahr 2000 war es für chinesische Unternehmen und Unternehmer fast nicht möglich, im Ausland zu investieren", gibt sie zu bedenken.

Daher stehe hinter vielen Beispielen der chinesischen Shoppingtour die schlichte Motivation, Geld anzulegen: "Auch wenn wir das in Deutschland gerne glauben, ist nicht alles in China von der Regierung gesteuert." Auch den jüngsten Einstieg des chinesischen Unternehmers Li Geely bei Daimler als grösster Einzelaktionär, ordnet Fischer als private Portfoliobeteiligung ein: "Das sehe ich ganz entspannt."

In Deutschland waren vor allem die verstärkten Übernahmen sogenannter "hidden champions", also erfolgreiche deutsche Mittelständler, im Jahr 2016 Grund zur Aufregung. "Interessanterweise hat gerade diese Aufregung, die dem chinesischen Image geschadet hat, dafür gesorgt, dass sich die Regierung stärker einmischt", sagt Fischer. Heute seien chinesische Investitionen stärker von Peking kontrolliert als vor 2016.

Wenn es um den Schutz sensibler Branchen wie Telekommunikation, IT-Sicherheit oder Energieversorgung geht, müssten sich nach Meinung der Ökonomin die Länder selbst hinterfragen, in wieweit sie dies zuliessen.

Im Zuge der Privatisierung in den 1990er Jahren sei in Deutschland Sicherheit kaum ein Thema gewesen. Private Unternehmen handeln eben nach der Logik der Marktwirtschaft. "Ich habe meine Zweifel, ob das ein speziell chinesisches Problem ist", sagt Fischer.

Versprochene Lockerungen werden nicht umgesetzt

Im eigenen Land schützt sich die chinesische Regierung selbst durch hohe Hürden und Beschränkungen vor ausländischen Investoren. Zwar kündigt Peking bereits seit längerem Lockerungen an, doch passiert ist bisher wenig.

"Da hinken sie den eigenen Versprechungen hinterher", meint Fischer. Das Ausland könne die chinesischen Investitionen aber durchaus nutzen, um in Peking darauf hinzuwirken, dass die Investitionsbeschränkungen in China abgebaut werden.

In China sind Wirtschaft und Innenpolitik eng miteinander verknüpft: Der zunehmende Lebensstandard und Wohlstand der Menschen sichert die Macht der Kommunistischen Partei. Das Wirtschaftswachstum wird als wichtiger Gradmesser dafür angesehen. 2017 betrug es 6,9 Prozent, drei Mal so hoch wie in Deutschland.

Dennoch hat die chinesische Volkswirtschaft ernstzunehmende Probleme. Die Staatsverschuldung ist mit 256 Prozent des Bruttoinlandsproduktes enorm hoch. Immobilienblasen, Kapitalflucht und Schattenbanken bedrohen den wirtschaftlichen Erfolg.

Die chinesische Wirtschaft hat im Kern ein Systemproblem. "Sie befindet sich in einer ständigen Reibung zwischen staatlicher Kontrolle und marktwirtschaftlicher Dynamik", sagt die Ökonomin Fischer. Unrentable Staatsbetriebe werden daher eher gepäppelt, anstatt sie pleite gehen zu lassen.

Die chinesische Regierung ist dabei sowohl Teil des Problems als auch der Lösung. Denn obwohl ihre Kontrolle oft zu weniger Effizienz führt, ist sie in der Lage, schnell zu reagieren. "Die Regierung sieht die Probleme und kann gegensteuern", so Fischer. Seit mittlerweile 40 Jahren ist sie dabei recht erfolgreich.

Kontrolle und Innovation - für China passt das zusammen

Allerdings schwindet Chinas Stellung als "Werkbank der Welt". Viele Unternehmen verlegen ihre Produktion in Länder mit niedrigeren Löhnen. Peking will deswegen China zu einem Innovationsstandort machen: mehr IT, mehr Technik, mehr Forschung.

"Aus unserer Sicht ist das die Quadratur des Kreises: Die Regierung will die Kontrolle behalten und gleichzeitig Innovation und Kreativität", meint Fischer. "Aus chinesischer Sicht passt das aber durchaus zusammen."

Die Regierung verwendet daher grosse Anstrengung auf Projekte, die Chinas Rang in der Welt sicherstellen sollen. Mit dem Bau eines eigenen Flugzeugs lässt China beispielsweise Boeing und Airbus aufhorchen. "Chinesische Firmen werden zunehmend zur Konkurrenz", sagt Fischer.

Die alten Platzhirsche aus dem Westen können sich also nicht ausruhen. Aber auch das gehöre zur Marktwirtschaft und müsse nicht automatisch für unsere Wirtschaft schlecht sein. "Ähnliche Ängste hat es auch schon beim wirtschaftlichen Aufstieg Japans gegeben und sie haben sich nicht bestätigt", so Fischer.

China ist ein Modell für Anti-Demokraten

Dennoch: Jahrzehntelang zeigten Europa und die USA, aber auch Japan, dass langfristiger wirtschaftlicher Erfolg mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gekoppelt ist. China hat sich zu einem Gegenmodell entwickelt. Für die Menschenrechte ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht.

"Wir können China keine Demokratie verordnen, das funktioniert nicht. Das Einzige, was wir machen können, ist, zu unseren Demokratien zu stehen", sagt Wissenschaftlerin Fischer. "Wir sollten aber aufpassen, dass China nicht seine wirtschaftliche Marktmacht nutzt, um die politische Ordnung global zu verändern."

Prof. Dr. Doris Fischer ist seit März 2012 Professorin für "China Business and Economics" an der Universität Würzburg. Sie hat Betriebswirtschaftslehre und Sinologie in Hamburg und Wuhan studiert und in Volkswirtschaftslehre an der Universität Giessen promoviert. Neben der chinesischen Wirtschaftspolitik beschäftigt sie sich auch mit Fragen zur ökologischen Nachhaltigkeit und einer klimafreundlichen Politik.
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