Kurze Zeit nach Werner Faymanns Rücktritt gehen die Spekulation über den Nachfolger in die Vollen. Als heisse Kandidaten werden Christian Kern, Gerhard Zeiler und Andreas Schieder gehandelt. Die Anwärter im Portrait.

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Die Tatsache, dass die SPÖ nach Faymanns Rücktritt keinen geeigneten Kandidaten nennen konnte, war für Meinungsforscher wie etwa Thomas Hofer Grund zur Besorgnis über den Zustand der Partei, wie er in einer ORF-Sendung noch am Montag meinte: "Die Partei war nicht vorbereitet". Faymann hat mit seinem Rücktritt zwar eine logische Konsequenz gezogen, die SPÖ allerdings tief gespalten und aufgezeigt, wie schlimm es um die Nachwuchsarbeit bei den Sozialdemokraten bestellt ist.

Ein Kandidat, der als möglicher neuer Kanzler gehandelt wird und auch gestern immer wieder kursierte, war jener von ÖBB-Chef Christian Kern. Unter anderem sprach sich der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser für ihn aus: "Ich halte sehr viel von ihm", sagte dieser über den 50-Jährigen. Auch der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden hat Tendenzen zu Kern als Faymann-Nachfolger gezeigt. Kern selbst kommentierte die Überlegungen nicht. Er besuchte am Abend das Muse-Konzert in der Wiener Stadthalle – laut Facebook-Postings auf seiner Seite.

Starke Unterstützung für Kern

Seitens der ÖVP gab man sich zugeknöpft. Ob man mit dem immer wieder als potenziellen Nachfolger gehandelten Kern gut zusammenarbeiten könnte, tat der interimistische Kanzler, Reinhold Mitterlehner, vorerst als spekulative Frage ab. Jedenfalls müsse der neue Kanzlerkandidat ebenfalls an der bisherigen Linie in der Asylpolitik festhalten. Neuwahlen stünden derzeit nicht zur Debatte. Was wieder für Kern spricht: Er dürfte innerparteilich über starken Rückhalt verfügen. Auch Josef Muchitsch, Chef der Bau-Holz-Gewerkschaft und Faymann-Kritiker, sprach sich für ihn aus.

Kern: Kompetenzen als Manager und Journalist

Nicht zu verleugnen ist Kerns Kompetenz als Manager, auch in der Privatwirtschaft. Nachdem er in den 1990ern im SPÖ-Parlamentsklub aktiv war, wechselte er kurz darauf zum Verbund, wurde dort 2007 Vorstand und danach 2010 ÖBB-Chef. Er gilt zudem als Brückenbauer zwischen sozialdemokratischen Werten und wirtschaftlichen Anforderungen.

Auch im Umgang mit Medien ist Kern ein Profi: er studierte Kommunikationswissenschaften und war am Beginn seiner Karriere Wirtschaftsjournalist. Heinz Schaden wiederum meinte: "Es läuft auf Christian Kern oder Gerhard Zeiler hinaus. Kern hat Zeiler gegenüber den Vorteil, dass er jünger ist. Ich halte ihn politisch für erfahren genug."

Zeiler: Medienprofi mit Führungserfahrung

Politisch zwar nicht so erfahren wie Kern ist Gerhard Zeiler, der dafür enorme Kompetenzen im Medienmanagement mitbringt. Der 60-Jährige war ORF-Generaldirektor und danach RTL-Boss. Aktuell ist er Präsident von Turner Broadcasting System International in London und dabei auch für CNN International verantwortlich. Zudem wird ihm ein starker Draht zu SPÖ-Chef und Wiener Bürgermeister Michael Häupl nachgesagt.

Auch Zeiler "lernte" in der SPÖ, zunächst als Pressesprecher von Fred Sinowatz, der damals Unterrichtsminister war. Danach für Franz Vranitzky. Im Anschluss wurde er Geschäftsführer des Privatsenders Tele5 in München, folglich Chef von RTL2. Daraufhin wechselte er 1994 zurück zum ORF, wo er als Generaldirektor ein umfassendes Reformpaket startete. 2008 ging es für ihn erneut nach Deutschland in den Bertelsmann-Konzern, wo er, nach der Geschäftsführung von RTL, weitere hohe Posten bekleidete. Damit wäre auch Zeiler ein Kandidat, der die Gräben zwischen Sozialdemokratie und Wirtschaft schliessen könnte.

Andreas Schieder: Ein Pragmatiker

Möchte die SPÖ möglichen Grabenkämpfen entgehen, käme ein Berufspolitiker in Frage. Das wäre zum Beispiel Andreas Schieder, derzeitiger Klubobmann. Er begann seine Karriere in der sozialistischen Jugend, wurde 1994 Vizepräsident der Sozialistischen Jugendinternationale, Präsident der Jungsozialisten, 1997 Bezirksrat in Wien-Penzing und war von 1997 bis 2006 Abgeordneter zum Wiener Landtag und Gemeinderat. Im Anschluss wurde Schieder 2006 Nationalratsabgeordneter , 2008 Staatssekretär im Kanzleramt, dann im Finanzministerium und 2013 schliesslich durch Faymann zum Klubchef bestellt. Ihm wird die Fähigkeit nachgesagt zwischen linken und rechten Flügeln gut vermitteln zu können, was seinem Pragmatismus geschuldet sein dürfte.

Doskozil, Ederer, Kaiser ebenfalls auf der Liste

Erst seit Kurzem in der Politik, aber bereits für höchste Weihen bereit wäre Hans-Peter Doskozil. Der aktuelle Verteidigungsminister wurde ebenfalls als Faymann-Nachfolger genannt. Wenn auch derzeit nur in der Funktion den SPÖ-Chefs. Ebenfalls im Gespräch war Brigitte Ederer, die ehemalige Siemens-Chefin. Diese winkte allerdings vorübergehend ab und meinte: "Ich bin eine alte Frau." Zudem sei die 60-Jährige vor allem bei der Gewerkschaft ein rotes Tuch, weil sie als Siemens-Boss die Arbeitnehmer vernachlässigt habe.

Ebenfalls eher als SPÖ-Chef gehandelt, denn als Kanzlerkandidat, wird Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser. Sein Erfolg in Kärnten, den Landeshauptmann nach Jahren der blauen Führung zurückzuerobern, hat ihm in der Partei viel Lob eingebracht. Ob der 57-Jährige aber tatsächlich nach Wien wechseln möchte ist unklar.

Entscheidung nach Pfingsten

Eine endgültige Entscheidung darüber, wer SPÖ-Chef und Österreichs neuer Kanzler wird ist nach Pfingsten zu erwarten. Das hat bereits Interims-SPÖ-Chef Michael Häupl angekündigt. Er selber wolle nicht im Amt bleiben und strebe auch nicht die Kanzlerschaft an. Wer auch den Parteivorsitz übernimmt, als Kanzler kommen wohl nur Gerhard Zeiler oder Christian Kern in Frage.

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