Der FDP-Vorsitzende will im ARD-Interview nichts schönreden. Mit ihrem Appell an Eigenverantwortung dringen die Liberalen zur Zeit nur selten durch. An seinem Kurs will Christian Linder aber festhalten – und für die heiklen Fragen fühlt er sich nicht zuständig.
Es gibt in der Tat eine Partei namens FDP in Deutschland. Dass man das kurz hätte vergessen können, liegt schlicht und einfach daran, dass die Liberalen derzeit eher selten in der öffentlichen Debatte auftauchen. In der Bewältigung der Corona-Krise zieht die schwarz-rote Bundesregierung alle Aufmerksamkeit auf sich, beim laut Umfragen zweitwichtigsten Thema Klimaschutz stehlen die Grünen der FDP meistens die Show.
Der Parteivorsitzende
Kritik an Staatsverschuldung
Was also sollten die Liberalen unternehmen? Wer gehofft hatte, dass die FDP sich an diesem staatsgläubigen Zeitgeist orientiert, sieht sich enttäuscht: Linder will, dass die Liberalen an ihren Überzeugungen festhalten. Die Lockdown-Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus hatte Linder als Freiheitsberaubung oder Freiheitseinschränkung gebrandmarkt. Ob er damit nicht "den falschen Nerv getroffen" habe, will Tina Hassel wissen. Der FDP-Chef aber bleibt dabei: Es sei die Aufgabe der liberalen Opposition, die Einschränkung von Grundrechten kritisch zu hinterfragen. Mit den jetzigen abgeschwächten Regelungen sei er "viel zufriedener als mit dem harten Lockdown". Dass der Staat derzeit sehr viel Geld ausgibt, um die Wirtschaft anzukurbeln, bereitet Lindner Unbehagen: "Man kann eine Volkswirtschaft dieser Grösse nicht mit Staatsverschuldung am Leben halten."
Übergrosse Kopfschmerzen scheinen der Zustand des Landes und seiner Partei Lindner aber auch nicht zu bereiten. Ziemlich entspannt sitzt er der Journalistin vor der Kulisse des von der Abendsonne beschienenen Reichstags gegenüber. Vielleicht fällt ihm das so leicht, weil er sich bei schwierigen Fragen als nicht zuständig erklärt: Als Tina Hassel über Fallpauschalen im Gesundheitswesen sprechen will, bittet Lindner um Verständnis: "Ehrlich gesagt muss ich die Frage, die sehr fachlich ist, an unsere Gesundheitsexperten abgeben." Seiner Generalsekretärin Linda Teuteberg, über deren Eignung wegen des blassen Auftretens der FDP gerade diskutiert wird, stärkt er nur indirekt den Rücken. Teuteberg sei "eine starke Persönlichkeit und ein starker Teil unseres Teams", sagt Lindner. Dass sie ihren Posten auf jeden Fall behalten soll, sagt er damit nicht.
"Grosser Schaden" in Thüringen
Und dann wäre da noch ein Thema, das nach den aufregenden Corona-Monaten schon wieder wie aus einer anderen Zeit wirkt: Im Februar hat sich der FDP-Politiker
Das Thema dürfte Linder allerdings weiter beschäftigen. Kemmerich möchte die Thüringer FDP offenbar erneut als Spitzenkandidat in Neuwahlen führen. Er selbst würde das an Kemmerichs Stelle nicht machen, sagt der Bundesvorsitzende zwar. Doch auch hier sieht er sich nicht in der Verantwortung: Der Thüringer Landesverband treffe seine eigenen Entscheidungen. "Als Parteivorsitzender habe ich darauf keinen Einfluss."
Also einfach zurücklehnen und warten, bis die Zeiten für die FDP wieder besser sind? Der Eindruck hätte aufkommen können – aber zum Ende tritt Lindner ihm dann doch entgegen: Die letzten Monate seien "eine harte Zeit gewesen", die an ihm nicht spurlos vorbeigegangen sei. "Jetzt geht’s ums Kämpfen", sagt Lindner – und schiebt etwas bescheiden hinterher: "Ich glaube, dass wir in den anstehenden Diskussionen durchaus gute Beiträge leisten können."
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