Die G20-Staaten sind für vier Fünftel des weltweiten Treibhausgas-Ausstosses verantwortlich. Im Kampf gegen die Erderwärmung spielen sie deswegen eine Schlüsselrolle. Vor der UN-Klimakonferenz haben Experten nun die Entwicklung in diesen Ländern bewertet – und das Ergebnis ist äusserst ernüchternd.
Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) sind allesamt noch nicht auf Kurs für eine Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den die internationale Initiative Climate Transparency am Montag vorgestellt hat.
Kein G20-Staat auf Klimaziel-Kurs
Zusammengerechnet nähmen die klimaschädlichen Emissionen der 20 grössten Volkswirtschaften der Welt weiterhin zu, heisst es in dem "Brown-to-Green"-Report – konkret um 1,8 Prozent im vergangenen Jahr. Der Bericht wurde mit Blick auf die UN-Klimakonferenz veröffentlicht, die vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid stattfindet.
Auf Kurs für das 1,5-Grad-Ziel, welches im Klimaabkommen von Paris beschlossen wurde, ist dem Bericht zufolge kein Land der Gruppe. Doch die Wissenschaftler und Umweltschützer haben auch eine optimistische Botschaft: Rund die Hälfte der G20-Staaten sei immerhin auf "gutem Weg, die selbst gesetzten nationalen Klimaziele zu erreichen oder gar zu überbieten", heisst es in dem Report. Damit könnten sie ihre bislang für das Pariser Klimaabkommen gemachten und "ausnahmslos zu schwachen Zusagen" im kommenden Jahr erhöhen, heisst es in dem Bericht.
Kritik an Deutschland: "Gleich in mehreren Bereichen schwach"
Das Abschneiden Deutschlands im G20-Vergleich sei hingegen "gleich in mehreren Bereichen schwach", kritisierten die Autoren. Das Land schneide demnach vor allem in den Bereichen Verkehr und Gebäude im G20-Vergleich nicht gut ab. In beiden Sektoren gehöre Deutschland zu den "Negativbeispielen". Mit Pro-Kopf-Emissionen im Gebäudebereich von mehr als drei Tonnen liege Deutschlands Wert rund 50 Prozent über dem EU-Schnitt und sogar doppelt so hoch wie der G20-Durchschnitt.
Bei der Sanierung des Gebäudebestands müsste das Tempo dem Bericht zufolge verfünffacht werden, um auf einen wirklich klimafreundlichen Kurs zu kommen. Lediglich bei Neubauten seien die Standards in Deutschland vergleichsweise gut, allerdings weiter nicht ausreichend zum Erreichen der angestrebten Klimaziele.
Im Bereich Verkehr liegt Deutschland dem Bericht zufolge bei den Emissionen direkt hinter den grossen Flächenstaaten USA, Kanada, Australien und Saudi-Arabien. Hierzulande werden demnach im Schnitt 84 Prozent der gereisten Kilometer mit dem Auto statt mit klimafreundlicheren Alternativen zurückgelegt - ein G20-Spitzenwert. Bei Elektroautos droht Deutschland dem Bericht zufolge den Anschluss zu verlieren. So hätten die USA, Kanada und Südkorea Deutschland bei den Marktanteilen für neu zugelassenen E-Autos überholt.
Klimapaket der Bundesregierung hat noch nicht in Bericht eingepreist
In den nun vorgestellten Bericht ist das neue Klimapaket der Bundesregierung noch nicht eingeflossen. Es sei aber in jedem Fall "wahrscheinlich, dass Deutschland ohne massive Nachbesserung seine Klimaziele deutlich verfehlen wird", erklärte die Ko-Autorin des Berichts, Lena Donat von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Die Bundesregierung hatte in ihrem Klimapaket vor allem die nun bemängelten Bereiche Verkehr und den Gebäudebereich ins Visier genommen, um die im Pariser Klimaabkommen beschlossenen Ziele zu erreichen.
In dem Abkommen haben sich fast alle Länder der Welt vorgenommen, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen - viele Staaten und Experten halten das 1,5-Grad-Ziel für notwendig. Um knapp ein Grad hat sich die Erde schon erwärmt. Wenn die Staaten nur ihre aktuellen Klimaschutz-Zusagen erfüllen, dürften es Klimaforschern zufolge bis Ende des Jahrhunderts 3 Grad werden - mit katastrophalen Folgen für Gletscher und Polareis, Korallenriffe, Artenvielfalt - und auch für die Menschheit.
Der Klimawandel lässt das Risiko für extreme Hitze- und Kältewellen, Dürren, schwere Stürme und Starkregen schon jetzt steigen. Extreme Wetterereignisse kosten in den G20-Staaten dem Report zufolge jährlich rund 16.000 Menschenleben und führen zu wirtschaftlichen Einbussen von 142 Milliarden US-Dollar, rund 129 Milliarden Euro.
G20 müsste laut UN Anstrengungen deutlich erhöhen
Nach den Massstäben des 1,5-Grad-Berichts des UN-Klimarats müssten die G20-Staaten ihren Treibhausgas-Ausstoss bis 2030 um mindestens 45 Prozent im Vergleich zu 2010 reduzieren, wie die Experten im "Brown to Green"-Report erläutern. Bis 2070 dürften sie unterm Strich keine Treibhausgase mehr ausstossen. Das bedeutet, dass alle verbleibenden Emissionen ausgeglichen werden müssten. Dafür müsste der Verbrauch von Erdöl, Kohle und Erdgas drastisch sinken. Derzeit beziehen die G20-Länder 82 Prozent ihrer Energie - nicht nur für Strom, sondern auch für Verkehr und Heizungen - aus solchen fossilen Quellen. Und der Energiebedarf steigt.
"Der neue "Brown to Green"-Report zeigt, dass es in allen relevanten Bereichen Vorreiter unter den G20-Staaten gibt, die den Wandel zur Emissionsfreiheit vorantreiben", so Jan Burck von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch, der zu den Autoren des Reports gehört. "Allerdings geschieht dies bisher nur in Teilbereichen und bezogen auf die gesamte G20 noch deutlich zu langsam."
Climate Transparency wird unter anderem von der Weltbank und vom Bundesumweltministerium unterstützt. Der "Brown to Green"-Report stellt seit 2015 jedes Jahr da, wie die G20 im Klimaschutz vorankommen. Das sind Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, die USA und die Europäische Union. (mgb/afp/dpa)
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