- Ein falsch interpretierter Satz sorgt für Kritik am Corona-Impfstoff von Biontech.
- Ein Faktencheck zeigt, dass der Hersteller anders als behauptet nicht an der Wirksamkeit seines Produkts zweifelt.
- Kein namhafter Forscher behauptet, eine Impfung schütze zu 100 Prozent vor COVID-19.
Seit fast anderthalb Jahren wird der Impfstoff von Biontech weltweit gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 eingesetzt. Obwohl viele internationale Untersuchungen nachgewiesen haben, dass er Schutz gegen schwere Krankheitsverläufe bietet, gibt es immer wieder Kritik. Aktuell wird dem Hersteller mit Verweis auf ein Dokument aus den USA unterstellt, er sei gar selbst gar nicht überzeugt von seinem Impfstoff.
Behauptung: "Biontech glaubt nicht mal selbst an die Impfung", heisst es beispielsweise von der AfD.
Bewertung: Falsch.
Fakten: Im Mittelpunkt des Vorwurfs steht ein Biontech-Bericht an die US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) vom 30. März 2022 über das Geschäftsjahr 2021. Ein solcher muss nach dem US-Handelsgesetz jährlich von ausländischen Aktiengesellschaften vorgelegt werden.
Kritik an vermeintlich fehlender Wirksamkeit
Grundsätzlich verweist Biontech in diesem Bericht auf das "hohe Schutzniveau" der Impfung. Das Mittel biete "ein hohes Mass an Schutz gegen bedenkliche Varianten, einschliesslich Alpha, Beta und Delta". Jüngste Laborstudien hätten zudem gezeigt, dass drei Impfdosen auch gegen die Variante Omikron wirken, so das Unternehmen.
Für Kritik sorgt vor allem ein Satz im insgesamt 700 Seiten umfassenden Papier: "Es könnte sein, dass wir nicht in der Lage sind, eine ausreichende Wirksamkeit oder Sicherheit unseres COVID-19-Impfstoffs und/oder variantenspezifischer Präparate nachzuweisen, um eine dauerhafte behördliche Zulassung in den USA, in Grossbritannien, in der Europäischen Union oder in anderen Ländern zu erhalten, in denen der Impfstoff eine Notzulassung oder eine bedingte Marktzulassung erhalten hat."
Vorwurf gegen Corona-Impfstoff ist falsch
Einige schliessen daraus, der Hersteller selbst räume ein, ein unwirksames und unsicheres Mittel auf den Markt gebracht zu haben. Aber das stimmt nicht. Die Aussage fällt in einem Warnhinweis mit Vorhersagen der Geschäftsführung ("Cautionary statement regarding forward-looking statements"). Diese juristischen Angaben sind von der Börsenaufsicht detailliert vorgeschrieben, um mögliche Schadenersatzklagen von Investoren zu vermeiden. Im Biontech-Bericht führt diese Vorschrift dazu, dass alle denkbaren Einflüsse auf den Unternehmensgewinn und die geschäftliche Entwicklung geschildert werden müssen. Damit sollen sich Investoren über sämtliche möglichen Risiken ein Bild machen können.
Zu den aufgeführten potenziellen Unwägbarkeiten gehört unter anderem auch die Konkurrenz durch andere Impfstoffe und deren Effizienz, Kosten, Transport- und Lagermöglichkeiten, Sicherheit, Nebenwirkungen und Beständigkeit der Immunantwort. Die Geschäftsergebnisse könnten demnach zum Beispiel auch beeinflusst werden durch "das Ausmass, in dem ein COVID-19-Vakzin in der Zukunft weiterhin nötig sein wird".
Derzeit gilt für den Biontech-Impfstoff Comirnaty in der Europäischen Union eine sogenannte bedingte Marktzulassung. Diese wurde erstmals im Dezember 2020 erteilt und im November 2021 um ein weiteres Jahr verlängert. An die Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen werden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) dieselben Anforderungen gestellt wie an jeden anderen in der EU zugelassenen Impfstoff. Bei einer bedingten Zulassung werden Daten bewertet, sobald sie verfügbar sind - und nicht erst, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind.
Biontech-Schutz bei Omikron weniger stark
Nach einer anfänglichen Notfallzulassung in den USA hatte die Arzneimittelbehörde FDA dem Mittel bereits im August 2021 die vollständige Zulassung erteilt. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft hat Comirnaty bei Infektion mit der Delta-Variante eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent gegen eine schwere COVID-19-Erkrankung. Bei der Omikron-Mutante zeigen erste Daten nach Angaben des Robert Koch-Instituts, dass der Schutz weniger gut ist.
In einer von Pfizer finanzierten Studie betrug die Wirksamkeit nach drei Dosen gegen Krankenhauseinweisungen wegen Omikron 85 Prozent innerhalb der ersten drei Monate nach der Impfung. Sie fiel aber auf 55 Prozent nach drei Monaten oder länger. Zu keinem Zeitpunkt in der Pandemie haben namhafte Forscher behauptet, eine Corona-Impfung schütze zu 100 Prozent vor COVID-19. (dpa/okb)
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