Schon seit Jahren setzt sich Daniel Häni hartnäckig für ein Grundeinkommen ein. Selbst hätte er das Geld nicht mehr nötig, denn er ist erfolgreicher Unternehmer. Das hat er dank einem Stipendium einer Stiftung geschafft. Am 5. Juni wird die Schweizer Stimmbevölkerung über sein Anliegen abstimmen.

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Mit schwungvollen Schritten eilt Daniel Häni durch sein Kaffeehaus "unternehmen mitte" in Basel. Er wirkt jugendlich mit seinen blauen Turnschuhen und dem braunen Vollschopf. Dabei ist er 50 Jahre alt und bereits Grossvater.

Es ist Sonntagnachmittag. Häni will erst mal Kaffee trinken. Doch der Mann, der Sätze sagt wie "Fleiss und Gehorsam sind out" oder "Der protestantische Arbeitsethos ist ein Auslaufmodell", ist weder faul noch dumm. Er findet es bloss widersinnig, zwischen Freizeit und Arbeit zu unterscheiden. Er vereint Familienleben, Arbeit und politisches Engagement unter einem Dach: An bester Lage in der Altstadt von Basel bewohnt er mit seiner Patchwork-Familie und vielen Gästen eine Wohnung in der oberen Etage, während in den unteren Räumen das Kaffeehaus sowie das Büro der Initiative untergebracht sind.

Zusammen mit Mitstreitern hat Häni eine überparteiliche Initiative zustande gebracht, die traditionelle Prinzipien der Arbeitswelt auf den Kopf stellt: Jede in der Schweiz lebende Person – auch ein Ausländer mit Aufenthaltsrecht – soll ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, welches das Existenzminimum deckt. Die Initianten gehen von 2500 Franken monatlich für einen Erwachsenen und 625 Franken pro Kind aus.

"Die Schweiz hat die beste Demokratie Europas"

Wollen die Initianten also ein sozialistisches Ideal verwirklichen? Daniel Häni – der sich und das Initiativkomitee keiner politischen Partei zuordnen lassen will – verneint. Sein Motiv sei vor allem ein Liberales, nämlich die "Verantwortungsfähigkeit des Menschen": Wer etwas tue, weil er müsse, sei nicht gleichermassen verantwortungsfähig, wie jemand, der freiwillig handle. In der Schweiz lebe man unter den Möglichkeiten, behauptet er.

Bereits als Jugendlicher habe er beobachtet, dass die Schweizerinnen und Schweizer oft unzufrieden seien – obwohl sie doch in paradiesischen Verhältnissen lebten. Er habe sich gefragt: "Was fehlt, wenn doch alles da ist?" Heute ist dieser Satz der Titel vom "Buch zur Abstimmung", das Häni mit dem Journalisten Philip Kovce kürzlich publizierte.

Häni mag die Schweizer Mentalität nicht besonders. Sie ist ihm zu eng und konservativ. Trotzdem nennt er sich einen "Schweiz-Fan". Begründung: "Die Schweiz hat die beste Demokratie Europas, wenn nicht sogar der Welt!" In anderen Ländern müsse man Politiker werden, um Ideen einzubringen. In der Schweiz könne man eine Volksinitiative lancieren.

Häni beschäftigt sich schon länger mit dem Thema Grundeinkommen. 2008 produzierte er zusammen mit dem Künstler Enno Schmidt einen Dokumentarfilm. Dieser scheint ihm heute "amateurhaft und viel zu lang!". Trotzdem ist er wichtig: Der Film erklärt die volkswirtschaftlichen Motive der international aktiven Bewegung für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Inzwischen ist der Kaffee ausgetrunken. Wir dislozieren vom lebhaften Kaffeehaus in die hinteren Kampagnen-Räume. Häni setzt sich auf ein goldenes Sofa, das zur Werbekampagne gehört. Die Initianten sind bekannt für ihre kreative Werbung. Sie kippten acht Millionen Fünfräppler (das sind 400'000 Schweizer Franken) auf den Bundesplatz und verteilten Geld an Passanten – insgesamt 10'000 Franken. Demnächst soll das grösste Plakat der Welt entstehen, finanziert mit Crowdfunding.

Die Initiative lebt ausschliesslich von Spendengeldern. Häni selbst ist nach eigenen Angaben nicht vermögend. Diese Aussage mag erstaunen – wohnt er doch am ehemaligen Hauptsitz der Schweizerischen Volksbank im Zentrum von Basel und führt ein Kaffeehaus mit 80 Mitarbeitern und 1000 Gästen pro Tag. Doch die Nutzung des Gebäudes hat eine Stiftung ermöglicht, und das "unternehmen mitte" ist gemeinnützig, das heisst, Häni partizipiert nicht am Gewinn. Ob er selbst von 2500 Franken monatlich leben könnte? Häni gerät aus dem Konzept und lässt die Frage unbeantwortet.

Das Grundeinkommen selbst ausprobiert

Wer Daniel Häni verstehen will, muss seine Biographie kennen: Als er fünf Jahre alt war, starb die Mutter. Er musste früh Verantwortung für sich selbst übernehmen und lernte viel dabei. Das gab er weiter an seine beiden Töchter (heute 15 und 21 Jahre alt). Die jüngere Tochter, die kurz vorbeischaut, bestätigt: "Im Unterschied zu anderen Eltern traut mir mein Vater zu, dass ich mit Freiheit richtig umgehen kann."

Häni lernte zunächst Vermessungszeichner, dann begann er ein Studium in Siedlungsplanung. Letzteres brach er ohne Abschluss ab. "Ich war entsetzt, dass wir fast nur technisch ausgebildet wurden und verstand dann, warum die Etagen unserer Häuser immer niedriger gebaut werden", erklärt er. "Das dient der Gewinnmaximierung – es können mehr Stockwerke gebaut werden – doch es steht nicht im Dienste des Menschen."

Später bekam er von der Fried Geuter Stiftung ein Stipendium, von dem er ein Jahr lang leben konnte, ohne eine Arbeit abliefern zu müssen. Häni hat quasi das bedingungslose Grundeinkommen selbst getestet. Und es war eine Erfolgsgeschichte: Dank dem Stipendium legte er den Grundstein für sein "unternehmen mitte".

Dieser Erfolg ist wohl auch Hänis besonnenem Charakter zu verdanken. Er spricht ruhig und überlegt lange, bevor er eine Frage beantwortet. Nur einmal braust er auf, als die Frage fällt, ob das Grundeinkommen eine "Herdprämie" sei und Hausfrauen von einer Teilzeitarbeit abhalte. Die Initiative sei im Gegenteil emanzipatorisch, ruft Häni und macht spontan einen Vorschlag für einen Werbeslogan: "Mann weg? – Grundeinkommen bleibt!"

Die Initiative im Detail

Die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert, dass die Bundesverfassung der ganzen Schweizer Bevölkerung ein Grundeinkommen garantiert, das ein "menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglicht". Über die Höhe des Grundeinkommens oder die Finanzierung sagt die Initiative nichts. Die Initianten schlagen 2500 Franken für einen Erwachsenen und 625 Franken für ein Kind vor.

Gemäss Bundesrat müssten für die Finanzierung des Grundeinkommens von jedem Erwerbseinkommen 2500 Franken abgezogen werden, bei Einkommen unter 2500 Franken entsprechend das ganze Einkommen. Das heisst: Ab 2500 Franken Einkommen würde sich für den Betroffenen nichts ändern, er hätte gleich viel Geld zur Verfügung wie bisher. Wer weniger verdient, müsste nicht zwingend arbeiten gehen – er hätte mit oder ohne Erwerbsarbeit exakt 2500 Franken zur Verfügung.  © swissinfo.ch

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