Die USA liefern ATACMS-Raketen an die Ukraine, Bundeskanzler Olaf Scholz bleibt hingegen bei seinem Taurus-Nein. Die Kritik – und auch der Druck – auf die Bundesregierung wächst damit.
Angesichts der Lieferung von ATACMS-Raketen durch die USA wächst erneut der Druck auf die Bundesregierung, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern.
Der polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski sagte der "Bild am Sonntag", er hoffe, dass sich Bundeskanzler
Polens Chefdiplomat Sikorski sagte im Gespräch mit der "BamS" und weiteren Medien des Axel-Springer-Verlags, die Lieferung der ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern sei eine "Reaktion auf die drastische russische Eskalation". Er hoffe, dass Scholz dies anerkenne und dass "Deutschland mehr tun wird, als es bereits tut".
Die USA hatten am Mittwoch die Lieferung von reichweitenstärkeren Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS an die Ukraine bekannt gegeben. Diese haben laut US-Verteidigungsministerium eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern.
Warum Scholz die Taurus-Lieferungen ablehnt
Taurus-Marschflugkörper haben allerdings eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Damit könnten sie russisches Staatsgebiet von der Ukraine aus erreichen und etwa dortige Waffendepots und Kommandozentralen zerstören.
Der mögliche Beschuss von russischem Staatsgebiet ist ein Grund für Bundeskanzler Scholz, der Lieferung nicht zuzustimmen. Als weiteren Grund nennt er die aus seiner Sicht notwendige deutsche Beteiligung bei der Zielführung der Marschflugkörper, durch die Bundeswehr-Angehörige direkt an Einsätzen beteiligt wären. Befürworter von Taurus-Lieferungen bestreiten diese Notwendigkeit.
Scholz: Deutschland tut bei Ukraine-Unterstützung "das Meiste"
Bei einem Europawahlkampfauftritt in Hamburg unterstrich Scholz am Freitag erneut seinen Standpunkt, demzufolge Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine "das Meiste" tue. Die Bundesregierung müsse aber "besonnen handeln" und "auch dafür sorgen, dass es (…) nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato kommt".
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hielt dem entgegen, angesichts der ARACMS-Lieferung der USA werde das Nein des Kanzlers zu Taurus-Lieferungen "immer unverständlicher". Aus seiner Sicht hätte längst mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an dem Taurus-System begonnen werden können, sagte Heusgen den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
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Deutsche Haltung soll auch in den USA für Unverständnis sorgen
Nach Angaben des früheren Nato-Generalsekretärs Rasmussen stösst die Haltung der Bundesregierung auch in den USA parteiübergreifend auf Unverständnis. "Weder in der US-Regierung noch in republikanischen Kreisen gibt es Verständnis dafür, dass Deutschland weiter die Lieferung von Taurus verweigert", sagte Fogh Rasmussen der "Welt am Sonntag".
Rasmussen fügte an, Deutschland verhalte sich ähnlich wie bei der Lieferung Leopard-Kampfpanzern, die Berlin nach langem Zögern schliesslich an Kiew lieferte. Es sei "nicht einfach, diese Kommunikationsstrategie zu verstehen". Schliesslich stelle Deutschland nach den USA die meisten Militärhilfen für die Ukraine zur Verfügung. "Warum übernimmt Berlin hier keine Führungsrolle?", kritisierte Rasmussen.
Ausdrücklich nicht zu einer möglichen Taurus-Lieferung äussern wollte sich hingegen Rasmussens Nachfolger, der derzeitige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er wolle einzelnen Nato-Verbündeten keine öffentlichen Ratschläge erteilen, sagte Stoltenberg im "Bericht aus Berlin" der ARD. Deutschland gehe bei der Unterstützung der Ukraine als europäischer Verbündeter, der Kiew die meiste Hilfe leiste, "mit gutem Beispiel voran".
Grundsätzlich warnte Stoltenberg aber vor Zaghaftigkeit bei Waffenlieferungen an die Ukraine. "Keine Option ist ohne Risiko, wenn man einen Nachbarn wie Russland hat", sagte Stoltenberg der ARD. Die Ukraine habe aber das Recht, sich zu verteidigen – und die westlichen Verbündeten dürften und sollten das attackierte Land dabei unterstützen.
Selenskyj hofft auf mehr Luftverteidigungssysteme aus dem Westen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte die westlichen Verbündeten seines Landes erneut dazu auf, mehr Luftverteidigungssysteme zu liefern. In der Nacht zum Samstag habe die ukrainische Luftverteidigung 21 von 34 russischen Raketen abgeschlossen, erklärte Selenskyj im Onlinedienst Telegram. Die Welt habe "jede Gelegenheit, uns dabei zu helfen, jede einzelne Rakete und jede einzelne Drohne abzuschiessen", sagte Selenskyj. (AFP/ms) © AFP
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