Seit dem Schweizer "Ja" zur Begrenzung der Einwanderung herrscht Aufruhr in der EU. Das Votum verunsichert vor allem diejenigen Ausländer, die bereits in der Eidgenossenschaft leben und arbeiten. Dazu zählen rund 290.000 Deutsche. Ihre Erfahrungen mit dem Status als "Ausländer" in der Schweiz gestalten sich dabei recht unterschiedlich.
Eine 45-Jährige berichtet, dass ihr die Schweizer reserviert begegnen: "Wenn ich den Mund aufmache und man hört, dass ich Deutsche bin, dann tritt eine gewisse Distanz ein." Ob allgemeine Vorbehalte gegen Ausländer bestehen, will die Deutsche, die in der Medienbranche tätig ist, nicht beurteilen. Doch sie bestätigt, dass es eine spezielle Ablehnung gegenüber dem grossen Nachbarn gibt. "Man mag die Deutschen nicht, das spürt man einfach." Besonders deutlich werde dies bei Fussballspielen. "Bei der letzten Europameisterschaft war ich beim Public Viewing. Es gab so böse, hasserfüllte Kommentare gegen Deutschland. Das hat mich schockiert."
Das Ergebnis des Volksentscheids am vergangenen Sonntag hat sie bestürzt. Sie fühle sich nicht mehr willkommen und würde gerne nach Deutschland zurückkehren. "50,3 Prozent Zustimmung heisst ja, dass jeder Zweite nicht will, dass ich hier bin." Doch ihre berufliche Perspektive hält sie im Moment davon ab. Doch nicht nur für Deutsche, auch für andere Ausländer befürchtet die Journalistin Konsequenzen. "Ich könnte mir vorstellen, dass jetzt auch Ressentiments gegen Menschen aus anderen Ländern ganz ungehindert hervorbrechen."
Integration ein Muss
Dass es in einem Land mit 23 Prozent Ausländerquote einen Wunsch nach mehr Regulierung gibt, kann ein anderer Deutscher durchaus nachvollziehen. Der IT-Experte, der anonym bleiben will, arbeitete einige Zeit in St. Gallen. Ihm ist keine spezielle Ablehnung gegen Deutsche aufgefallen. "Ich kann nicht erkennen, dass es speziell gegen Deutsche Vorbehalte gibt. Sicherlich gegen Personen, die nicht mit der entsprechenden Ausbildung herkommen. Hier bestehen Ängste, dass die Sozialsysteme belastet werden und beispielsweise die Kriminalität steigt."
Er gibt zu bedenken, dass man sich als Ausländer eben anpassen sollte. "Hier kommt das Thema 'Integration' zum Tragen. Wenn man sich 'benimmt' und die Regeln einhält, dann gibt es keine Probleme. Mir selbst schlug auch nie eine wirkliche Ablehnung entgegen." Ganz im Gegenteil: Er berichtet von offenen, freundlichen Schweizern.
Die Akzeptanz von Ausländern variiert regional also sehr stark. Gerade in der Bankenstadt Zürich steht man Einwanderern grundsätzlich offen gegenüber. Dies bestätigt eine Deutsche, die bei einer international tätigen Schweizer Bank arbeitet. "Manchmal habe ich in Geschäften schon das Gefühl, dass sich Verkäufer an meinem 'Hochdeutsch' stören, und man sogar Englisch sprechend höflicher bedient wird, aber das ist eher die Ausnahme. Zürich ist eine internationale Stadt."
Schweiz eine "Insel der Glückseligen"
Einen ähnlichen Eindruck hat ein Bankberater, der vor kurzem von Deutschland nach Zürich gezogen ist. "Meine Firma ist sehr international, und da haben die Leute eigentlich keine Vorbehalte gegenüber Ausländern." In seinem Umfeld wurde das Ergebnis der Abstimmung mit Entsetzen verfolgt. "Keiner ist besonders glücklich darüber, aber wir akzeptieren das. Wir wissen, dass es in vielen Teilen der Schweiz Probleme gibt mit Ausländern."
Gerade in nicht-akademischen Berufen sei der Argwohn gegenüber Nichtschweizern nachvollziehbar. "Man verdient hier verhältnismässig gut, auch in Berufen, in denen man in Deutschland wenig verdient. Da sind viele Deutsche bereit, für weniger Geld zu arbeiten als ein Schweizer." Dass dies für Unmut sorgt, ist keine Überraschung. Er sieht die Abstimmung auch als Versuch, den privilegierten Status des kleinen Landes zu bewahren. "Die Schweizer sehen sich hier als Insel der Glücksseligen. Die Probleme in der EU wie die Euro-Krise sind hier weit weg und da will man nicht reingezogen werden, und da kommen dann solche Ergebnisse zustande."
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.