Schleuserbekämpfung im Mittelmeer ist der Auftrag, doch in der Praxis wurden vor allem Bootsflüchtlinge gerettet. Die Marine setzt die Beteiligung an dem EU-Einsatz Sophia aus. Zunächst wird kein neues Schiff geschickt.

Weitere aktuelle News finden Sie

Deutschland setzt seine Beteiligung an der EU-Mission Sophia zur Bekämpfung von Schleusernetzwerken im Mittelmeer aus. Nach dem Einsatz der Fregatte "Augsburg" schicke die Bundeswehr Anfang Februar zunächst kein weiteres Schiff vor die libysche Küste, teilte Generalinspekteur Eberhard Zorn nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag den Obleuten im Verteidigungs- und im Auswärtigen Ausschuss mit. Es bleiben demnach aber zehn Soldaten im Hauptquartier der Mission sowie weitere auf einem Führungsschiff.

Die Operation Sophia war in der Flüchtlingskrise 2015 zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität gestartet worden. In der Praxis retteten die Soldaten aber vor allem Flüchtlinge, ohne dass zuletzt noch klar war, wo sie an Land gebracht werden können. Hintergrund ist die harte Haltung der populistischen italienischen Regierung, die möglichst wenig Bootsflüchtlinge im Land aufnehmen will.

FDP-Politikerin: "Ein Armutszeugnis für Europa"

Die Mission kümmert sich mittlerweile auch um Aufgaben wie die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Von der Küste des Landes aus machen sich jedes Jahr Tausende in oft seeuntüchtigen Booten auf den Weg nach Europa.

Bislang wurden insgesamt mehr als 49.000 Bootsflüchtlinge an Bord genommen. Sie wurden nach den 2015 beschlossenen Einsatzregeln zunächst alle nach Italien gebracht. Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini verweigerte zuletzt aber die Aufnahme von Bootsflüchtlingen.

"Das Mandat der Mission Sophia war es, alle Migranten nur in Italien anlanden zu lassen", erklärte Salvini am Dienstagabend. Auf diese Weise seien 50.000 Menschen in Italien angekommen. "Wenn sich jemand zurückzieht, ist das für uns sicher kein Problem."

FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte nach Bekanntwerden des Aussetzens der deutschen Beteiligung: "Das ist ein Armutszeugnis für Europa." Ein Schiff wie die "Augsburg" werde nicht ersetzt, weil es keine Einigung über die Aufteilung der Flüchtlinge gebe. Der aussenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Stefan Liebich, sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Das ist ein Trauerspiel. Solange Sophia nicht durch eine zivile Mission ersetzt wird, wird es dazu führen, dass noch mehr Menschen ertrinken."

Deutsche Marinesoldaten haben seit Mai 2015 etwa 22 500 Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet. Die "Augsburg" sollte eigentlich durch den Einsatzgruppenversorger "Berlin" abgelöst werden. Dieser hält sich nun in Bereitschaft und könnte bei einer neuen Entscheidung binnen zwei Wochen im Mittelmeer sein.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte die EU am Montag für ihre Unterstützung der libyschen Küstenwache kritisiert. Sie trage dazu bei, dass Migranten abgefangen, nach Libyen zurückgebracht und anschliessend unrechtmässig und misshandelt in Haft sässen. Das italienische Innenministerium hatte erklärte, am Sonntag seien 393 Migranten von der libyschen Küstenwache zurück in das nordafrikanische Land gebracht worden. Die Operation Sophia soll auch dazu beitragen, illegalen Waffentransport in den Krisenstaat Libyen zu verhindern, wo seit Jahren rivalisierende Milizen um die Macht kämpfen.

Mehr als 400 Schleuser-Boote zerstört

Die eingesetzten Schiffe sind ermächtigt, in internationalen Gewässern Boote anzuhalten und zu durchsuchen. Sie können beschlagnahmt und umgeleitet, Verdächtige an Bord eines Kriegsschiffs genommen und an einen EU-Mitgliedstaat übergeben werden.

Laut Bundeswehr haben seit Beginn der Mission die Hinweise zur direkten Festnahme von mehr als 140 Schleuserei-Verdächtigen durch italienische Behörden geführt. Einheiten des Verbandes haben seit 2015 zudem mehr als 400 von Schleusern genutzte Boote zerstört. Die Operation ist nach einem somalischen Mädchen benannt, das im August 2015 an Bord der Fregatte "Schleswig-Holstein" zur Welt kam. (br/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.