Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat ein Rüstungsgeschäft von Rheinmetall mit Russland verhindert. Moskau droht nun mit einer Schadensersatzklage in Millionenhöhe. Was bedeutet das für Deutschlands Rolle im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland?

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Bereits im März hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Geschäft als Reaktion auf die Krim-Krise vorläufig auf Eis gelegt. Zum endgültigen Widerruf der Ausfuhrgenehmigung kam es jetzt vor dem Hintergrund der von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland. Bei dem Auftrag, den die schwarz-gelbe Vorgängerregierung genehmigt hat, handelt es sich um den Bau einer Gefechtsübungsanlage im Wert von rund 123 Millionen Euro.

Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge geht Gabriels Entscheidung über die geplante Sanktionshärte hinaus. So sehen die seit vergangener Woche in Kraft getretenen Strafmassnahmen der EU lediglich ein Moratorium für Rüstungsgeschäfte vor. Schon vereinbarte Geschäfte sind davon nicht betroffen. Offenbar hatte die Bundesregierung zuvor vergeblich versucht, Rheinmetall davon überzeugen, den Deal auszusetzen. Gegen den Widerruf kann Rheinmetall klagen und auf finanzielle Kompensation hoffen. Genauso wie Russland.

Auf die Frage, ob er nicht hohe Schadensersatzforderungen riskiere, sagte Gabriel am Montag vor Pressevertretern: "Ich riskiere vor allen Dingen durch die Auslieferung eines Gefechtszentrums nach Russland, dass die militärischen Auseinandersetzungen grösser werden." Es gehe dort schliesslich nicht um Geld, sondern um Menschenleben. Frankreich bewertet die Sache trotz Kritik aus Berlin deutlich anders und will eine bereits vereinbarte Lieferung zweier hochmoderner Hubschrauberträger an Moskau noch ausführen.

Gabriel setzt deutliches Signal

ARD-Korrespondent Thomas Schmidt beglückwünscht Gabriel zu seinem Rüstungsstopp-Entschluss, der "auch jenseits der Öffentlichkeitsarbeit einen guten Klang" habe. So bleibe nicht verborgen, dass Gabriel "das nachholt, was ihm als SPD-Parteichef in den Koalitionsverhandlungen nicht gelungen ist: Sein Wahlkampfversprechen für schärfere Rüstungskontrollen". Das hatte er damals nämlich nicht durchsetzen können. Und aus noch einem anderen Grund bewertet Schmidt Gabriels Vorgehen positiv. "Er hat ein deutliches Signal gesetzt und sich dafür ein äusserst passendes Datum ausgesucht: Es kommt gut, wenn ein deutscher Wirtschaftsminister an genau dem Tag auf die Rüstungsbremse tritt, an dem in der Welt an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnert wird", schreibt Schmidt.

Die "Saarbrücker Zeitung" kommt dagegen zu der Auffassung, dass Gabriel einen Eindruck politischer Entschlossenheit wecke, der allerdings problematische Kehrseiten habe. "Die deutsche Rüstungsindustrie zählt immerhin rund 100.000 Beschäftigte. Und ganz so gleichgültig, wie er offiziell tut, sind Gabriel diese Jobs eben doch nicht", heisst es in dem Kommentar. "Man darf getrost davon ausgehen, dass Gabriel den Schadensersatz sogar 'eingepreist' hat. Ein solcher Deal ginge jedoch zu Lasten Dritter, nämlich der Steuerzahler, die dafür geradestehen müssten", fürchtet das Blatt.

Merkel soll mit Putin reden

Welche politischen Auswirkungen das vereitelte Geschäft für die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland hat, ist indes noch unklar. Das russische Verteidigungsministerium werde wegen des Vertragsbruchs vor Gericht ziehen, zitierte die Agentur Interfax einen Mitarbeiter der Behörde.

Horst Teltschik, der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, fordert in jedem Fall eine Führungsrolle Deutschlands im Ukraine-Konflikt. Im "Deutschlandfunk" sagte Teltschik, es sei offensichtlich, "dass Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Putin eine Schlüsselrolle hat". Zumal es um die Kommunikation zwischen Putin und dem britischen Premierminister David Cameron sowie US-Präsident Barack Obama momentan nicht zum Besten steht. Doch anstatt nur noch über Sanktionen zu argumentieren, sagte Teltschik, solle Merkel "darüber nachdenken, ob es nicht klug wäre, mit dem ein oder anderen Partner aus Europa nach Moskau zu fliegen und Putin konkret zu stellen und mit ihm zu reden."

Neben der politischen Verantwortung hat Deutschland auch sonst eine wichtige Rolle inne. Wirtschaftlich betrachtet ist Deutschland nach Russland der wichtigste Handelspartner der Ukraine. 2012 haben die deutschen Exporte – vor allem Autos und Elektrotechnik – um sieben Prozent auf 5,7 Milliarden Euro zugenommen. Das entspricht immerhin 0,5 Prozent der gesamtdeutschen Waren-Exporte. Nur Russland kann mit 38 Milliarden Euro ein noch grösseres Volumen im Handel mit der Ukraine vorweisen.

Im Vergleich dazu sank der deutsche Handel mit Russland, nach einem Rekordergebnis von 80,5 Milliarden Euro im Jahr 2012, 2013 auf 76,5 Milliarden Euro. Rainer Lindner, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, warnte bereits im Februar vor dem wirtschaftlichen Risiko, das vom russisch-ukrainischen Konflikt ausgeht: "Konjunkturell sind wir alle voneinander abhängig". Lindner forderte deshalb, dass dieses gemeinsame Interesse letztlich auch zu gemeinsamen Lösungen führen sollte.

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