Russland, die Nato, Israel, China – mal wählt Donald Trump harte Worte, mal gibt er den engen Partner. Gerade vor der Nato-Sicherheitskonferenz in München fragt sich die Welt: Was will der US-Präsident aussenpolitisch denn nun wirklich?

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Sicher scheint in der Aussenpolitik des amerikanischen Präsidenten nur eines zu sein: Es gibt keine Sicherheit. Was Donald Trump sagt, ändert sich von Tag zu Tag. Was er wirklich will, bleibt offen. Auch erfahrene Beobachter können noch keine klare Linie ausmachen.

"Es ist zur Zeit sehr schwierig festzustellen, ob und wie eigentlich die amerikanische Aussenpolitik gemacht wird", sagt David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Russland: Doch keine so enge Freundschaft?

Die vielleicht überraschendste Kehrtwende hat Trump in dieser Woche vollzogen. Ein zentrales aussenpolitisches Ziel war die Annäherung an Russland, über seinen Amtskollegen Wladimir Putin hatte er sich mehrfach bewundernd geäussert.

Jetzt aber erklärte sein Sprecher, Trump fordere Russland auf, die besetzte Halbinsel Krim an die Ukraine zurückzugeben. Möglicherweise stecke die innenpolitische Situation dahinter, glaubt David Sirakov: Nach dem Rücktritt des Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn stand Trump unter Druck und wollte ein Zeichen setzen: Er kann gegenüber Russland auch mal hart auftreten.

Trotzdem macht man sich in Europa Sorgen: Kommt der Kontinent unter die Räder, wenn sich Trump und Putin verbünden?

Sirakov kann sich nicht vorstellen, dass das allzu schnell passiert. "Ich sehe in der Beziehung zwischen den USA und Russland nicht das grosse Tauwetter", sagt der Politikwissenschaftler. Dazu seien die Interessenlagen der beiden Grossmächte zu unterschiedlich.

Nato: Zuckerbrot und Peitsche

Die Nato sei obsolete (deutsch: "veraltet") – in Europa hat wohl keine Äusserung von Trump für so grosse Verunsicherung gesorgt wie diese. Erklären lässt sie sich vielleicht ebenfalls mit dem Blick auf seine Anhänger.

"Der Eindruck verstärkt sich, dass die Projektionsfläche von Trumps Handeln seine Wählerschaft ist", sagt David Sirakov. Und unter seinen Wählern gebe es eben viele, die der Auffassung seien: Wir zahlen zu viel für die Sicherheit in Europa.

Der neue US-Verteidigungsminister James Mattis hat bei seinem ersten Besuch in Brüssel einen ähnlichen Ton angeschlagen, gleichzeitig aber auch die Treue zum Bündnis betont.

Alles andere würde auch nicht zu Amerika passen, erklärt David Sirakov: "Die USA wollten in der Nato immer eine Führungsmacht sein. Das ist keine Rolle, in die sie hineingedrängt wurden."

Bei diesem Thema wird deutlich, was die US-Regierung bezweckt, wenn sie mal das Zuckerbrot, mal die Peitsche auspackt: Sie steht zur Nato, aber die anderen Mitgliedstaaten sollen mehr für Verteidigung ausgeben. Das war allerdings auch schon die Haltung unter Trumps Vorgänger Barack Obama.

Nahostkonflikt: Potenzial verschenkt

Eine jahrzehntelange Linie hat Trump beim Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern verlassen. Bisher war sich der Westen einig: Eine Lösung könne es nur mit zwei Staaten für zwei Völker geben. Jetzt sagte Trump beim Besuch von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lapidar, er könne mit dem leben, was für die beiden Parteien sinnvoll sei.

Das klingt diplomatisch, ist es aber nicht. Denn es ist kaum zu erwarten, dass sich Israelis und Palästinenser ohne den Druck von aussen zu zweit auf einen Weg in die Zukunft einigen.

Für die Aussichten auf eine Lösung des jahrzehntelangen Konflikts verheisst Trumps Standpunkt deshalb nichts Gutes. "Er hat sich mit seinen Aussagen jetzt selbst das Potenzial genommen, als Vermittler aufzutreten", sagt David Sirakov.

China: Mehrfach zurückgerudert

Der Umgang mit dem Reich der Mitte ist eine wichtige Herausforderung für die Zukunft, wirtschaftlich wie politisch. Das sieht wohl auch der neue Mann im Weissen Haus so. Trotzdem ist bei diesem Thema besonders unklar, was er eigentlich will.

"Trump hat im Wahlkampf angekündigt, China praktisch am ersten Tag als Währungsmanipulator an den Pranger zu stellen", so Sirakov. Ein Affront war aus Sicht der chinesischen Führung auch ein Telefonat, das er kurz nach seinem Wahlsieg mit der taiwanesischen Präsidentin führte. China erkennt die Inselrepublik, die bis 1949 chinesische Provinz war, nicht als souveränen Staat an – und erwartet das auch von seinen Partnern.

"In der China-Politik ist Trump bei vielem zurückgerudert, was er angekündigt hatte", sagt David Sirakov jetzt: Die Klage über Chinas angebliche Währungsmanipulationen hat in den letzten Wochen keine Rolle gespielt. Und in einem Telefonat mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erklärte er nun, natürlich an der Ein-China-Politik festhalten zu wollen.

Der Präsident sorgt für grosse Verunsicherung. Ob ein System dahintersteckt?

"Trump will den Staat wie ein Unternehmen führen. Und zu diesem Stil kann es natürlich gehören, seinen Verhandlungspartner immer ein bisschen im Ungewissen zu halten, sich nicht festzulegen", sagt USA-Experte Sirakov. "Ich glaube trotzdem, dass da zur Zeit viel aus der Not geboren ist – auch weil die Administration ja noch gar nicht komplett aufgestellt ist."

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