Die USA wählen Donald Trump zum Präsidenten. Vielerorts wächst damit die Sorge, Amerika könnte Europa militärisch alleine dastehen lassen. Wird Deutschland deshalb nun massiv in die Bundeswehr investieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach von einem "schweren Schock". Die CDU-Politikerin meinte die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsident der USA.

Ein Experte für Sicherheitspolitik ging noch weiter. "Der amerikanische Schirm über Europa ist für immer weggezogen", schrieb der frühere US-Botschafter in Deutschland John Kornblum in einem Beitrag für die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Trumps Wahl markiere "das Ende der Nachkriegswelt". Er sieht nach dem Ergebnis der US-Wahl 2016 Deutsche und Europäer künftig weitgehend auf sich allein gestellt. Doch: Stimmt das wirklich? Und: Muss die Bundesregierung das Verteidigungsbudget nun massiv ausweiten?

Müssen sich Deutschland und Europa militärisch verändern?

Europa muss sich militärisch emanzipieren. Diese Forderung hallt durch die Institutionen der Europäischen Union (EU) nach der Wahl Trumps zum Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte lauter denn je.

Dabei ist die Ansage Trumps, die Partner Amerikas künftig stärker in die Verantwortung zu nehmen, nicht neu. Der Republikaner dürfte vielmehr einen Trend verschärfen, der sich schon in der zweiten Amtszeit Barack Obamas angedeutet hatte: das Verlangen nach mehr Geld und Eigeninitiative Europas.

Unabhängig vom Wahlausgang in den USA habe sich bereits eine grössere Eigenverantwortung in der Sicherheitspolitik abgezeichnet, schilderte etwa von der Leyen der ARD.

"Europa muss sich darauf einstellen, dass es sich besser selber vorsorgt", sagte die 58-Jährige. Dazu gehöre auch ein höheres Verteidigungsbudget. Sie rechne zudem mit stärkeren Forderungen der USA an das deutsche Engagement in der Nato.

"Trump wird in allen sicherheitspolitischen Fragen Wert darauf legen, dass Europa zur Kasse schreitet", erklärte auch Politikwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Heinrich Oberreuter im Gespräch mit unserer Redaktion.

Muss nach Jahren der Abrüstung umgedacht werden?

Es wird bereits seit Anfang des Jahres und dem intensivierten Kampf gegen den Terror nicht nur über ein grösseres militärisches Engagement nachgedacht, sondern gehandelt.

Die sechs Bundeswehr-Tornados, die bei Aufklärungsflügen über Syrien und dem Irak für die Allianz gegen den Terror im Einsatz sind, sind beispielhaft dafür. Deutschland müsse seine Verteidigungsausgabe erheblich erhöhen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Wirtschaftstag ihrer Partei im Juni.

Die EU sei derzeit nicht in der Lage, sich allein gegen die Bedrohungen von aussen zu verteidigen, begründete sie. "Es wird auf Dauer nicht gutgehen, dass wir sagen, wir hoffen und warten darauf, dass andere für uns die Verteidigungsleistungen tragen."

Bereits Ende März beschloss ihr Kabinett, dass der Verteidigungsetat in den kommenden vier Jahren um durchschnittlich rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr steigen soll.

Markant: Von der Leyen hatte ausrechnen lassen, dass in den nächsten 15 Jahren 130 Milliarden Euro allein in die Modernisierung der Ausrüstung gesteckt werden müssten. Das wären rund vier Milliarden Euro zusätzlich - pro Jahr.

Die Verteidigungsministerin hat durch die Wahl Trumps nun ein neues, starkes Argument für mehr Budget an der Hand.

Ist es nötig, europäische Streitkräfte aufzustellen?

"Wer dieses grosse Land regiert, der trägt Verantwortung, die beinahe überall auf der Welt zu spüren ist", sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung zur Wahl Trumps. Sie dürfte mit ihrem eindringlichen Appell auch die sicherheitspolitische Verantwortung Amerikas gemeint haben.

"Jetzt sucht er Leute, die von den Sachen was verstehen", meinte indes Politikwissenschaftler und US-Experte Prof. Dr. Thomas Jäger im Gespräch mit unserer Redaktion. Eben diese Experten dürften Trump raten, Europa nicht alleine dastehen zu lassen oder gar die Nato aufzukündigen.

Die Staaten selbst haben ein zu grosses Interesse am transatlantischen Bündnis. Es seien nur die strategische Bedeutung des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle im Mittelmeer sowie das Hauptquartier der US-Landstreitkräfte in Wiesbaden als Druckmittel genannt.

Ohnehin kommt die Bundesregierung den Amerikanern längst entgegen. "Ein Land wie Deutschland, das 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgibt, und die Vereinigten Staaten, die 3,4 Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, werden sich annähern müssen", erklärte Kanzlerin Merkel im Sommer.

Trump werde "die Nato beim Thema Sicherheitspolitik mehr verpflichten", sagte Politikwissenschaftler Oberreuter. "Das wird die Zukunft bestimmen."

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