Für eine grosse Reform von "Obamacare" gibt es keine Mehrheit. Jetzt wollen die US-Republikaner nur einige Kernpunkte der Krankenversicherung abschaffen. Aber auch das könnte 15 Millionen Menschen die Versicherung kosten.
Der "Skinny Repeal" soll es nun richten, auf deutsch in etwa: die abgespeckte Abschaffung.
Doch es gibt einen Plan B: Nun sollen wenigstens Teile von "Obamacare" zurückgenommen werden.
Tobias Endler vom "Heidelberg Center for American Studies" sieht darin eine kühle Strategie: "Das kann darauf hinauslaufen, 'Trumpcare' durch die Hintertür einzuführen", sagt der Amerika-Experte im Gespräch mit unserer Redaktion.
Denn wenn eine Mehrheit im Senat den "Skinny Repeal" beschliesst, käme das Gesetzesvorhaben ins "Conference Committee", ein gemeinsames Gremium mit dem Repräsentantenhaus. Und dort könnten die Republikaner den Vorschlag dann wieder ausgiebig verändern.
Der Kern von Obamacare: die Versicherungspflicht
Dramatische Folgen hätte aber auch schon der "Skinny Repeal", denn Kernpunkte von
Grössere Unternehmen waren bisher zudem verpflichtet, ihren Mitarbeitern eine Versicherungspolice zu beschaffen. Diese Pflicht wollen die Republikaner ebenfalls abschaffen.
Vielen republikanischen Politikern ist beides schon lange ein Dorn im Auge. Denn: Gerade die Republikaner mögen es nicht, wenn der Staat den Bürger zu etwas zwingt.
"Die Versicherungspflicht kam bei vielen schon aus ideologischen Gründen nicht gut an", sagt Tobias Endler. "'Obamacare' hat aber auch allgemein eine ganze Reihe von Haken gehabt, die vielen Versicherungsnehmern erst spät bewusst wurden und die durchaus verbesserungswürdig sind."
Dazu gehören vor allem die Versicherungsprämien, die stärker stiegen, als viele das erwartet hatten.
Mögliche Folgen: noch höhere Prämien
Die Krux am "Skinny Repeal": Ein funktionierendes Versicherungssystem benötigt genügend gesunde, meist junge Versicherungsnehmer, um die Kosten für die Behandlung von anfälligeren, chronisch kranken oder älteren Mitgliedern auszugleichen.
Wenn aber gerade junge, gesunde Beitragszahler wegfallen, weil sie sich nicht mehr versichern müssen, sinken die Einnahmen – als Konsequenz würden die Versicherungsprämien steigen, um Behandlungskosten auszugleichen.
Die Leidtragenden wären nicht unbedingt die Ärmsten der Gesellschaft. Denn Zuschüsse der Regierung stellen bei ihnen sicher, dass sie sich ihre Versicherung leisten können.
Anders ist das bei Menschen mit einem mittleren Einkommen, die keinen Anspruch auf staatliche Hilfe haben. Sie könnten sich die teureren Prämien womöglich nicht mehr leisten, schreibt J. B. Silvers, Professor für die Finanzierung des Gesundheitswesens, in einem Kommentar für die "New York Times".
43 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung im Jahr 2026?
Das "Congressional Budget Office", eine überparteiliche Beratungsbehörde des US-Kongresses, geht davon aus, dass 15 Millionen Menschen in den kommenden zehn Jahren ihren Schutz verlieren könnten - wenn die Versicherungspflicht wegfällt.
Die Zahl der unversicherten Amerikaner würde demnach von jetzt 28 Millionen auf 43 Millionen im Jahr 2026 steigen.
Umstritten sind die langfristigen Folgen einer solchen Entwicklung. Der New-York-Times-Kolumnist Nicholas Kristof warnte im Januar, dass die Zahl der Todesfälle in den USA um jährlich 8.400 Menschen steigen könnte – als Konsequenz aus der Abschaffung von "Obamacare".
Konservative Politiker und Medien bestreiten das. Doch zweifellos hätte es Folgen, wenn Menschen ihren Versicherungsschutz verlieren, so Wissenschaftler Tobias Endler: "Auch Unversicherte brechen sich mal ein Bein und werden pflegebedürftig. Ohne umfassende Versicherung haben Sie in den USA dann ein Riesenproblem: Entweder Sie zahlen selbst und gehen dann möglicherweise pleite – oder Sie lassen die Operation nicht vornehmen."
"Tanz auf dünnem Eis"
Dennoch scheinen Präsident Donald Trump und die grosse Mehrheit der republikanischen Senatoren trotzdem fest entschlossen zu sein, Teile von "Obamacare" zurückzunehmen – schon um nach einem halben Jahr Trump endlich irgendein wichtiges Gesetz durch den Kongress zu bringen. "Bisher hat die Regierung keinen einzigen gesetzgeberischen Erfolg vorzuweisen", sagt Tobias Endler.
Ob das gelingt, ist trotzdem offen. Denn die Abschaffung von "Obamacare" mag ein zentrales Wahlversprechen sein – die Wählerschaft könnte sie trotzdem hart treffen.
Für die Republikaner sei das Thema ein Tanz auf dünnem Eis, so Endler. "Die müssten gerade ihren älteren, gebrechlichen, schwerkranken Wählern erklären, warum sie für die Abschaffung von Obamacare sind – und sich noch nicht einmal untereinander auf eine Alternative einigen können."
Das erklärt dann auch, warum Trump bei bisher jeder Abstimmung über "Obamacare" auf die Stimmen republikanischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus beziehungsweise Senatoren verzichten musste.
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