- Donald Trump wird wegen der verlorenen Wahl im November sein Amt im Januar abgeben müssen. Damit verbunden auch seine Immunität.
- Nach seiner Amtszeit drohen ihm eine Fülle von Klagen
- Schon jetzt denkt Trump daher darüber nach, sich vorsorglich selbst zu begnadigen.
Es ist eine beachtliche Reihe von Gerichtsverfahren, die auf
Im Staat New York wird untersucht, ob Trump regelmässig seine Einkünfte falsch angab. Der Vorwurf: Wenn es um Steuerzahlungen ging, habe er seine Gewinne kleingerechnet, wenn er dagegen in der Forbes-Liste der reichsten Menschen weit oben stehen wollte, habe er übertrieben. Trump-Sohn Eric wurde zu diesen Vorwürfen im Oktober unter Eid vernommen, das Verfahren dauert an.
In Maryland wird dem Noch-Präsidenten vorgeworfen, er habe sich rechtswidrig an Staatsausgaben für sein Hotel in Washington bereichert. In zwei weiteren Prozessen geht es um die Klärung länger zurückliegender Vorwürfe der Vergewaltigung und der sexuellen Belästigung.
Sexuelle Belästigung, Steuerbetrug, illegale Bereicherung und vieles mehr
Mary Trump, Nichte des Präsidenten und Autorin eines Enthüllungsbuches über ihn, hat Trump wegen Erbstreitigkeiten verklagt. Im sogenannten Mueller-Bericht über Mauscheleien des Trump-Teams mit Russland im Wahlkampf 2016 war Sonderermittler Robert Mueller zu dem Ergebnis gekommen, Trump könnte wegen bestimmter Vergehen nach Ende seiner Amtszeit erneut angeklagt werden.
Am liebsten wäre es Donald Trump angesichts dieser Fülle von möglichen Anklagen wohl, wenn ihm die Immunität, die er als Präsident geniesst, für immer bleiben würde. Doch diese Möglichkeit gibt es faktisch nicht: "Die Immunität ist ausschliesslich mit dem Amt verbunden", sagt der US-Experte Christoph Haas im Gespräch mit unserer Redaktion. Das stehe zwar so nicht in der Verfassung, sei aber höchstrichterlich bestätigt.
Das Begnadigungsrecht dagegen ist in der Verfassung erwähnt: Artikel 2 Abschnitt 2 gibt dem Präsidenten ausdrücklich das Recht, "Strafaufschub und Begnadigung für Straftaten gegen die Vereinigten Staaten zu gewähren". Wie weit dieses Recht reicht, ist nicht definiert: Ob der Präsident auch sich selbst amnestieren kann, sei umstritten, sagt Haas.
Viele Juristen hielten die Selbstamnestie für erlaubt, dem stehe aber die Rechtsauffassung entgegen, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf. In der Geschichte der USA ist eine Selbstbegnadigung des Präsidenten bisher nicht vorgekommen.
Sollte Trump es als Erster versuchen, würde wohl am Ende der Supreme Court entscheiden. Obwohl sechs der neun Richter des Obersten Gerichts von republikanischen Präsidenten berufen worden sind, lässt sich deren Abstimmungsverhalten kaum voraussagen.
Auf "Schleichwegen" zur Begnadigung?
Doch es gibt auch "Schleichwege" zur Begnadigung. Richard Nixon wurde, nachdem er 1974 wegen des Watergate-Skandals zurückgetreten war, von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigt. Für Trump ergäbe sich die Möglichkeit, vor Joe Bidens Amtsübernahme sein Amt kurzzeitig ruhen zu lassen.
Sein Vize
Haas hält eine solche Lösung allerdings für äusserst unwahrscheinlich. Seine Begründung: Einstige Vizepräsidenten wurden oft später selbst Präsidenten. Siehe Joe Biden, der von 2009 bis 2017 Barack Obamas Vize war.
Auch Mike Pence habe möglicherweise solche Ambitionen und könnte sich mit einem durchsichtigen Manöver zur Begnadigung Trumps sowohl in seiner Partei als auch bei den Wählern seiner Chancen berauben.
Sollten all dies nicht eintreffen, könnte Trump schliesslich noch auf die Grossmütigkeit seines Nachfolgers hoffen: Joe Biden hätte als Präsident die Möglichkeit, ihn zu begnadigen. Doch auch das hält Experte Haas für "schwer vorstellbar": Eine derartige "grosse Geste" gegenüber Trump und seinen Anhängern würde "zu grossem Aufruhr bei den Demokraten führen" – ein Risiko, das Biden nicht eingehen würde.
Viele Anklagen würden trotz Begnadigung bestehen bleiben
Doch selbst, wenn Trumps Begnadigung – auf die oder andere Weise – zustande käme, wäre er nicht sicher vor gerichtlicher Verfolgung. Denn die Verfassung erlaubt die Amnestie nur in Fällen von "Straftaten gegen die Vereinigten Staaten". Nicht gemeint sind damit, wie Christoph Haas erklärt, Handlungen, die gegen das Recht einzelner Bundesstaaten verstiessen.
Nicht gemeint sind privatwirtschaftliche Vergehen wie Steuerhinterziehung, Bankbetrug und ähnliches. Und nicht gemeint sind auch Vergehen wie die im Mueller-Bericht vermuteten, die schon vor Trumps Amtszeit stattgefunden haben. Alle diese Verfahren, sagt Haas, habe Donald Trump "so oder so am Hals".
Selbst der Präsident kann sich also nicht von allen Verfehlungen freisprechen. Vielleicht bleibt ihm nur noch eine letzte Möglichkeit: Dem Magazin "The New Yorker" verriet eine langjährige Trump-Mitarbeiterin, der Präsident erwäge auch eine Flucht ins Exil.
Verwendete Quellen:
- Aaron Maté: Der Mueller-Report: ein Debakel für die Demokraten. In "Le Monde diplomatique" vom 9.5.2019
- Department of Justice: Report On The Investigation Into Russian Interference In The 2016 Presidential Election.
- Chris Cillizza: 6 lawsuits Donald Trump is going to have to deal with when he leaves office. CNN, 10.11.2020
- Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika
- Why Trump can’t afford to lose. In: “The New Yorker”, 9.11.2020.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.