- Facebook, Instagram und Twitter haben Donald Trump verbannt. Jetzt holt der ehemalige US-Präsident zum Gegenschlag aus: Er will sein eigenes soziales Netzwerk gründen.
- Noch ist offen, ob "Truth Social" erfolgreich an den Start geht und Nutzer findet - oder ob es sich als Luftnummer entpuppt, wie Trumps bisherige Versuche, eigene Nachrichtenkanäle zu etablieren.
- Klar ist aber: Trump will zurück an die Macht.
Dass der republikanische Kongressabgeordnete Devin Nunes aus Kalifornien sein Amt niederlegt, hätte es wohl kaum in die deutschen Schlagzeilen geschafft, wäre Nunes' neuer Chef nicht
Zu der Personalie muss man wissen: Nunes stand immer bedingungslos hinter Trump, gilt als dessen enger Vertrauter. Die Demokraten haben indes gezielt seinen Wahlkreis neu zugeschnitten. Seinen Sitz bei der nächsten Wahl zu verteidigen, wäre deshalb wohl sehr schwer geworden. Nunes glaubt nun offenbar, sein Idol ausserhalb des Parlaments besser unterstützen zu können und verleiht Trumps Vorhaben damit durchaus Gewicht. "Dass ein relativ hochkarätiger Politiker wie Nunes, der immerhin Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus war, sich dafür zur Verfügung stellt, finde ich zumindest bemerkenswert", sagt der Politologe Winand Gellner von der Uni Passau im Gespräch mit unserer Redaktion.
Donald Trump sinnt auf Rache an Facebook und Twitter
"Truth Social" soll das Netzwerk heissen, die Botschaft des Namens ist klar: Trump schwebt eine Plattform vor, auf der er seine - häufig nur vermeintlichen - Wahrheiten ungestört verbreiten kann. Bevor Facebook, Instagram und Twitter Trump im Januar nach dem Sturm auf das Kapitol aus den Communitys hinausschmissen, zählte er dort insgesamt rund 146 Millionen Follower. Auf diesen für ihn so wichtigen Kanälen zum Schweigen gebracht zu werden, war für Trump eine Zäsur. Und Trump wäre wohl nicht Trump, wenn er das so einfach auf sich sitzen liesse.
Dementsprechend ist in der Unternehmenspräsentation von TMTG auch unumwunden vom "Kampf gegen die 'big tech'-Firmen des Silicon Valley" die Rede. Auch kommt das Papier - typisch Trump - wenig bescheiden daher: "Truth Social" wird in einer Reihe mit Twitter und Facebook genannt, TMTG+, der ebenfalls geplante Streaming Dienst, will es mit Branchenriesen wie Netflix und Disney+ aufnehmen. Schon in zwei Jahren sollen die Dienste 3,7 Milliarden Dollar Umsatz machen.
Experten sehen hohe Hürden für Trump-Netzwerk
Politologe Gellner ist skeptisch, ob der Plan aufgeht: "Trump hat schon mehrfach versucht, eigene Nachrichtenkanäle aufzubauen, aber die Projekte sind alle kümmerlich gescheitert", sagt er. Man denke nur an die Alternative zum konservativen Fernsehsender "Fox News", die Trump nach der verlorenen Wahl im Herbst 2020 angekündigt hatte oder an seinen Blog mit dem Titel "From the Desk of Donald J. Trump", der im Juni nach nur wenigen Wochen mangels Leserschaft wieder eingestampft wurde. Ausserdem rechnet Gellner damit, dass allerlei Hacker versuchen werden, das Projekt zu stören. Einen Vorgeschmack darauf gab es im Oktober, als Internetnutzer sich Zugang zu einer Vorabversion verschafften und dort allerlei Schabernack trieben.
Auch USA-Kenner Martin Klepper von der Humboldt Universität in Berlin sieht "hohe Hürden". "Um zum Beispiel mit einer App arbeiten zu können, müssen Apple und Google diese in ihren App-Stores anbieten - was sie im Fall von 'Truth Social' womöglich nicht tun werden", sagt er. "Dann wird es sehr schwer, die breite Masse zu erreichen, aber genau die braucht Trump. Nur die Trumpisten genügen nicht." Die Macht der Tech-Riesen bekamen auch schon Parler und Gab zu spüren. Die sozialen Netzwerke, die in den USA um rechte bis rechtsextreme Nutzer buhlen, wurden von Google und Apple aus ihren Appstores verbannt. Parler war im Januar mehrere Wochen offline, nachdem Amazon das Unternehmen vom Server geworfen hatte.
Über eine Milliarde Dollar eingesammelt
Und so hat offenbar sogar Trump selbst Respekt vor der Aufgabe, eine Twitter-Alternative aufzubauen - er legt aber natürlich auch das gebotene Selbstbewusstsein an den Tag. In einer Pressemitteilung von TMTG aus dem Oktober schreibt er: "Es ist eine ungeheuer grosse Herausforderung, aber mir ist klar geworden, dass ich womöglich der einzige Amerikaner bin, der das Sprachrohr, die Mittel, die Erfahrung und den Willen hat, das möglich zu machen."
Eines hat der Ex-Präsident schon bewiesen: Geld eintreiben kann er. Investoren hätten eine Milliarde Dollar zugesagt, liess TMTG am vergangenen Samstag wissen. Wer die Geldgeber sind, ist unklar. Gellner tippt auf eine Mischung aus "ultrareichen konservativen Amerikanern, die ihren Helden unterstützen wollen" und Kapitalanlegern, die schlicht auf das grosse Geld hoffen.
Dank "Truth Social" zurück in den Schlagzeilen
Darüber hinaus soll TMTG knapp 300 Millionen Dollar durch einen Börsengang zur Verfügung gestellt bekommen. Das Geld stammt aus einem sogenannten Spac (Special Purpose Acquisition Company), einem börsennotierten Unternehmen, das nur eine Hülle zum Zweck einer Übernahme darstellt. Die Anleger wissen nicht, was mit ihrem Geld passiert, bis das Spac mit einem Unternehmen, in diesem Fall TMTG, fusioniert und dieses so durch die Hintertür an die Börse bringt. Die Katze im Sack zu kaufen, ist für Anleger mit hohem Risiko verbunden. Auch deshalb rufen Spacs immer öfter die Börsenaufsicht auf den Plan, so auch in Trumps Fall. Die "United States Securities and Exchange Commission" nimmt das Geschäft gerade unter die Lupe.
Der Start von "Truth Social" ist für das erste Quartal 2022 angekündigt. Im App-Store von Apple war zwischenzeitlich eine vorläufige Version der App zu sehen, die optisch stark an Twitter erinnerte. Inzwischen ist sie aber wieder verschwunden. Was aus Trumps hochtrabenden Plänen wird, muss sich also erst zeigen. Einen aus Trumps Sicht positiven Nebeneffekt hat das Projekt aber schon erfüllt, wie Winand Gellner sagt. "Es gelingt Trump langsam wieder, auch in den etablierten Medien vorzukommen. Von sich Reden zu machen ist sicher auch eine Motivation für den Launch von 'Truth Social'."
Trump drängt zurück in die Öffentlichkeit - und in die Politik. Zwar hat er, wohl aus taktischen Gründen, noch nicht erklärt, bei den Präsidentschaftswahlen 2024 wieder kandidieren zu wollen. Doch er generiert bereits fleissig Spenden: CNN bezifferte die Summe schon im August auf mehr als 100 Millionen Dollar. Ausserdem unterstützt er zahlreiche Kandidaten, die bei den Midterm-Wahlen 2022 für die Republikaner antreten.
Immer mehr Amerikaner glauben Lüge vom gestohlenen Wahlsieg
Trump ist abgewählt, aber nicht abgeschrieben - wobei sogar die Sache mit der Abwahl für viele in Zweifel steht. Die von Trump und seinen Mitstreitern gestreute Lüge, wonach die Präsidentschaftswahl manipuliert und Trump der eigentliche Gewinner war, hält sich nicht nur hartnäckig, sondern immer mehr Amerikaner glauben sie. Einer repräsentativen CNN-Umfrage zufolge zweifelten im Januar 40 Prozent der Befragten an der Rechtmässigkeit der Wahl, bis September stieg der Wert auf 59 Prozent. Unter Anhängern der Republikaner waren es gar 76 Prozent.
Gellner und Klepper sind einhellig der Ansicht, dass in Trumps Partei nach wie vor viele auf eine erneute Kandidatur Trumps setzen. Gellner sagt, er sei erstaunt, wie wenige gemässigte Republikaner sich nach dem "Putschversuch", wie man den Sturm auf das Kapitol seiner Ansicht nach nennen muss, ausdrücklich von Trump distanziert haben. Klepper wird noch deutlicher: "Noch sind die Republikaner eine Trump-Partei", sagt er. "Ich möchte deshalb nicht ausschliessen, dass er irgendwann ganz schnell wieder da ist."
Verwendete Quellen:
- Gespräche mit Winand Gellner und Martin Klepper
- Unternehmenspräsentation von TMTG
- CNN vom 1. August 2021: "Donald Trump's political organization builds war chest topping $100 million"
- CNN vom 15. September 2021: "The Big Lie is (unfortunately) winning"
- TMTG-Pressemeldungen vom 4. und 6. Dezember 2021
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.