Donald Trump war noch gar nicht im Amt, da hofften seine Gegner schon auf ein Amtsenthebungsverfahren. Doch das "Impeachment" hat seine eigene Logik – von der Trump profitiert.
Genug ist genug, wetterte Sarah Palin. Die Frontfrau der rechten Tea Party rechnete in einem Gastbeitrag für "Breitbart" mit dem Präsidenten ab, listete seine angeblichen Fehler auf und kam zu einem drastischen Schluss: Sie forderte ein Amtsenthebungsverfahren.
Damals, im Juli 2014, hiess dieser Präsident noch
Zu einem Verfahren kam es nie. So sehr die Parteielite Obama und seine Politik verachtete, verschwendete sie nie einen ernsthaften Gedanken daran, ein Impeachment auch nur zu versuchen.
Der spätere Trump-Rivale Ted Cruz sagte damals schlicht: "Das ist ein Kampf, den wir nicht gewinnen können."
Forderungen schon vor der Vereidigung
Diesen Satz sollte man sich immer vergegenwärtigen, wenn es um die Frage geht, ob
Eine Umfrage aus dem November hat ergeben, dass 49 Prozent der Befragten für ein Verfahren wären, nur 41 Prozent dagegen. Und schon jetzt liesse sich ein Anlass konstruieren, die Ermittlungen von Robert Mueller in der Russland-Affäre führen in Trumps unmittelbares Umfeld.
Nur: All das zählt nicht. Weil das "Impeachment", das in Artikel 2, Absatz 4 der US-Verfassung festgeschrieben ist, seiner eigenen Logik folgt. Es soll ein verfassungsrechtliches Korrektiv sein, funktioniert aber wie ein politisches Instrument. Und das nutzt Donald Trump.
Eine Waffe, die schwer zu bedienen ist
Die "Süddeutsche Zeitung" hat das Amtsenthebungsverfahren jüngst als "Damoklesschwert" bezeichnet, das im Fall von Donald Trump zu hoch hänge oder stumpf sei.
Ein Vergleich mit Excalibur wäre vielleicht passender - das "Impeachment" ist eine mächtige Waffe, aber sie kann nicht so einfach von jedermann benutzt werden.
Sie kann nur gezückt werden, wenn der Präsident des Hochverrats, der Bestechung oder anderer "schwerer Verbrechen und Vergehen" verdächtig ist.
Das lässt Spielraum zur Interpretation, schliesst aber einige Gründe aus: politische Fehler etwa oder schlechte Umfragewerte. Egal, wie leichtfertig die Gegner Trumps das Wort "Impeachment" in den Mund nehmen – es ist ein absoluter Ausnahmefall.
Erst drei von mittlerweile 45 Präsidenten mussten sich einem solchen Verfahren aussetzen, zwei überstanden es, Richard Nixon kam einer Verurteilung mit seinem Rücktritt zuvor.
Das "Impeachment" ist also kein konstruktives Misstrauensvotum, wie es die Bundesrepublik kennt.
Amerika funktioniert anders
Das amerikanische System funktioniert ganz anders als die parlamentarische Demokratie in Deutschland, erklärt Michael Hochgeschwender, Amerikanistik-Professor von der Ludwig-Maximilians-Universität München: "Der Präsident geht nicht aus der Mitte des Parlaments hervor, er ist eher eine Art Wahlmonarch."
Die Gründerväter orientierten sich mit ihrer Verfassung an den konstitutionellen Monarchien ihrer Zeit. Um zu verhindern, dass ein Präsident zum Despoten wird, schafften sie den "Impeachment"-Artikel, der erstmals 1868 gegen Andrew Johnson eingesetzt wurde.
Schon damals hatte sich ein Verfahren herausgebildet, das bis heute Bestand hat: Eröffnet wird der Prozess mit einer einfachen Mehrheit im Repräsentantenhaus. Im Senat entscheiden Anhörungen über eine tatsächliche Anklage, bei der die Zweite Kammer des Parlaments dann als Gericht fungiert.
Den Vorsitz bei der Verhandlung führt jedoch der Oberste Richter des Supreme Courts, des Obersten Gerichtshofs der USA. Für einen Schuldspruch und eine Absetzung des Präsidenten braucht es schliesslich eine Zweidrittelmehrheit im Senat.
Mehrheiten sind alles
Es geht also im Wesentlichen um Mehrheiten in den beiden Kammern. Das wäre anders, wenn beispielsweise der Supreme Court das "Impeachment" übernehmen würde.
Das allerdings wollten die Väter der Verfassung nicht, erklärt USA-Experte Michael Hochgeschwender von der LMU: "Man wollte nicht einer kleinen Gruppe von Menschen zugestehen, über den Präsidenten zu richten, das hätte seine Position geschwächt."
Mittlerweile hat der Supreme Court seine Stellung gestärkt, aber an eine Änderung des Verfahrens ist nicht zu denken – die Verfassung ist heilig in den USA.
Auch die vage Formulierung in Artikel 2, Absatz 4, laut der "schwere Verbrechen und Vergehen" strafwürdig sind, wird wohl nicht konkretisiert.
"Unter US-Verfassungsrechtlern gibt es Überlegungen, die gesamte Verfassung zu ändern, weil sie die Lebensrealität im 21. Jahrhundert nicht mehr widerspiegelt", sagt Hochgeschwender. "Aber das ist sehr schwer, selbst wenn es dafür eine gesellschaftliche Mehrheit gibt."
Das Equal-Rights-Amendment etwa, das Frauen die gleichen Rechte wie Männer zuspricht, wurde 1972 zwar im Kongress beschlossen, scheiterte aber an der nötigen Zweidrittelmehrheit der Bundesstaaten. Bis heute ist die Gleichberechtigung nicht in der US-Verfassung angekommen.
Teile und herrsche
Es wird also beim komplizierten Verfahren bleiben, was für Donald Trump eine gute Nachricht ist: Er kontrolliert die Mehrheiten, und noch mehr – er kontrolliert die Abgeordneten der Republikaner im Repräsentantenhaus, das Michael Hochgeschwender als Nadelöhr für ein mögliches "Impeachment" sieht.
"Das Verfahren basiert darauf, dass das Repräsentantenhaus 'bipartisan' arbeitet", sagt er. Selbst wenn nach den Mid-Term-Wahlen nächsten Herbst die Demokraten eine Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen und damit ein "Impeachment" vorantreiben, müssen sie dann immer noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat organisieren.
Das geht nicht ohne die Stimmen republikanischer Senatoren.
Nur wenn parteiübergreifend Einigkeit herrscht, muss sich der Präsident der Amtsenthebung stellen. Die Republikaner werden aber nicht gegen Trump stimmen – weil sie, wie Hochgeschwender es ausdrückt "Gefahr laufen, von der Basis abgestraft zu werden".
Denn die Wähler der Republikaner halten Trump die Stange, seine Zustimmungsrate bei Anhängern der Grand Old Party liegt noch immer bei 81 Prozent. Die Senatoren aus seiner eigenen Partei, die sich gegen ihn ausgesprochen haben, bezahlten in der Regel mit einem dramatischen Einbruch ihrer Sympathiewerte.
Einer seiner grössten internen Kritiker, Senator Bob Corker, hat seinen Rückzug angekündigt, weil seine Umfragewerte in den Keller gerutscht waren.
"Die meisten Konservativen verfolgen Pro-Trump-Medien" schrieb "The Atlantic" jüngst über die Gründe für Trumps ungebrochene Popularität in den eigenen Reihen.
Diskussion um Impeachment nützt Trump
Und je mehr Demokraten vom Impeachment redeten, umso fester würden die Reihen der Republikaner sich schliessen. Trump profitiert also von der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, die er selbst befeuert – je vergifteter das Klima, desto schwieriger die Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikaner, umso unwahrscheinlicher ein Impeachment-Verfahren.
Trump kann also bei der breiten Bevölkerung unbeliebt sein, er kann schlechte Politik machen, das zählt nicht.
Er darf nur keinen Fehler machen. Der bekannte US-Politikwissenschaftler Allan Lichtman, der schon Trumps Wahlsieg vorhergesagt hatte, ist sich zwar sicher, dass der Präsident irgendwann einen solchen schweren Fehler machen wird – Michael Hochgeschwender allerdings beobachtet, dass Trump für diesen Fall bereits vorsorgt: "Selbst wenn der Sonderermittler Robert Mueller eine 'Smoking Gun' finden sollte - Trump tut jetzt schon alles, um ihn in den Bereich der Fake News zu rücken."
Damit könnte er das Verfahren, das doch eigentlich ein verfassungsrechtliches Instrument sein soll, auf die politische Ebene zerren - und da hat er Vorteile.
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