• Seit Twitter, Facebook und andere Portale Donald Trumps Accounts gesperrt haben, hat der Noch-US-Präsident keine Social-Media-Plattform mehr.
  • Auf die bei seinen Fans, Rechtskonservativen und Rechtsextremen beliebte App Parler kann er nicht ausweichen: Sie ist auf Betreiben von Apple, Google und Amazon offline.
  • Ob das Vorgehen richtig ist, welche Wirkung Deplatforming hat und wohin die Gesperrten jetzt ausweichen könnten, erklärt ein Experte der Amadeu Antonio Stiftung.

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36 Tweets und Retweets setzte Donald Trump 2020 laut Statista im Durchschnitt täglich ab. 56.571 Tweets hatte er über seinen Account insgesamt veröffentlicht, wie die Seite Trump Twitter Archive V2 dokumentiert.

Aber dieses Sprachrohr mit 89 Millionen Followern hat der Noch-US-Präsident seit einer Woche verloren: Nachdem seine Anhänger das US-Kapitol in Washington D.C. gestürmt hatten, sperrte Twitter Trumps Account. Der Präsident hatte zuvor bei einer Kundgebung dazu aufgefordert, zum Parlament zu marschieren und für ihn zu kämpfen.

Vor Twitter hatten schon Facebook und Instagram Trumps Profile gesperrt. Twitch und Reddit folgten, und auch auf YouTube darf der Noch-Präsident mindestens eine Woche lang keine Videos veröffentlichen. Neben Trump blockte Twitter 70.000 Accounts von QAnon-Verschwörungsanhängern.

Experte Blumenthaler: "Soziale Netzwerke übernehmen endlich Verantwortung"

"Generell ist es positiv zu bewerten, wenn menschenfeindlichen Inhalten die Reichweite entzogen wird", sagt Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonio Stiftung. Schliesslich hätte Trump in seinen Tweets "rechtsextreme Verschwörungserzählungen verbreitet, gegen Minderheiten und politische Gegner gehetzt und immer wieder seine Anhänger zu Aktionen aufgerufen". Die sozialen Netzwerke übernähmen damit "endlich eine Verantwortung für die Debatte auf ihren Plattformen, die die Zivilgesellschaft schon lange fordert", sagt der Experte, dessen Stiftung sich unter anderem gegen Rechtsextremismus einsetzt und dafür die demokratische Zivilgesellschaft stärken will.

Social-Media-Unternehmen ahnden laut ihrer Community Guidelines auf ihren Portalen Gewaltaufrufe, Desinformationen, rechtsextreme Agitation, Rassismus und Antisemitismus. "Im Fall von Trump ist die interessante Frage, warum er nicht schon viel früher von den Plattformen geworfen wurde", sagt Blumenthaler. "Oder warum andere politische Anführer, die Entsprechendes äussern, noch da sind." Als Beispiel nennt er Sayyid Ali Khamenei, den obersten Führer des Iran, der "seit Jahren übelsten Antisemitismus auf Twitter verbreitet und von Israel als Krebsgeschwür spricht. Bisher wurde er nicht gesperrt."

Deplatforming entzieht den Betroffenen die Aufmerksamkeit

Das Vorgehen der Tech-Konzerne heisst auch Deplatforming: Jemand oder eine Gruppe wird von Plattformen verbannt. Aber ist das die richtige Strategie gegen Nutzer wie Trump, seine Anhänger oder beispielsweise Rechtsextreme, Islamisten oder Verschwörungstheoretiker?

Durch Deplatforming verlieren die betroffenen Nutzer enorm an Reichweite, meint Blumenthaler. Die Studie "Hate Not Found" des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena hat das exemplarisch für gesperrte Accounts der extremen Rechten untersucht. Darin heisst es: "Das Deplatforming zentraler rechtsextremer Akteure schränkt deren Mobilisierungskraft deutlich ein und nimmt ihnen eine zentrale Ressource, auf die ihre Inszenierungen abzielen: Aufmerksamkeit. In dieser Hinsicht lässt sich eindeutig sagen: Deplatforming wirkt."

Dennoch sei das Verbannen von Portalen kein Allheilmittel, sagt der Referent der Antonio Amadeu Stiftung: "Die meisten Hass-Accounts tauchen später auf einer anderen, kleineren Plattform wieder auf. Dort erreichen sie weniger, aber dafür extremere Menschen."

Parler ist offline: Wo tummeln sich die Nutzer jetzt?

Ein Portal ist für die Ausgesperrten aktuell keine Alternative mehr: Bei Parler hatten sich viele Rechte und Rechtskonservative ausgetauscht und ausgetobt. Sie durften dort alles schreiben, egal, ob es sich um Lügen, Hassreden oder Verschwörungstheorien handelte. Dort hatten sich auch die Trump-Fans verabredet, die das Kapitol stürmten. Einige sprachen sogar davon, wie sie Gegner erschiessen oder erschlagen wollten.

Das hatte Folgen: Zuerst warfen Apple und Google die App aus ihren Stores. Danach zog Amazon wegen Verstoss gegen die Nutzungsrichtlinien den Stecker. Der Anbieter hostet die Anwendung nicht mehr auf seinen Servern. Bis die Macher Ersatz gefunden haben, ist Parler offline.

Andere Netzwerke, bei denen sich auch Rechte und Verschwörungstheoretiker tummeln, sind weiterhin online. Auch bei Plattformen wie dem Messenger Telegram, dem Netzwerk VK oder dem Kurznachrichtendienst Gab können Nutzer schreiben, was sie wollen. Reglementiert wird wenig oder nichts.

Verschwörungsfans und Rechtsextreme werden neue Plattformen finden

Beliebt bei der rechtsextremen und islamistischen Szene weltweit sei derzeit vor allem Telegram, erklärt Blumenthaler. Rechtsextreme Rekrutierung und Radikalisierung erfolgten darüber hinaus häufig über Imageboards wie 4chan. Und auch, wenn Twitter Zehntausende Accounts lösche, blieben noch Verschwörungsfans und Rechtsextreme auf der Plattform. Der Experte sagt: "Sie werden bald neue Hashtags zur Vernetzung entwickeln."

Ebenso stehe fest, dass sie eine neue Plattform zum Austausch finden werden. Dann seien eine aktive Zivilgesellschaft, Journalisten und Politiker gefordert, sagt Blumenthaler. Sie alle müssten die Portale beobachten, um "Straftaten zu ahnden, Gefährdungen zu erkennen und ihnen effektiv entgegenzuwirken".

Über den Experten: Lorenz Blumenthaler ist Pressereferent der Amadeu Antonio Stiftung. Die Stiftung wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, die demokratische Zivilgesellschaft zu stärken. Sie kämpft gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Lorenz Blumenthaler
  • statista: Trump tweetet täglich 36 Mal
  • Trump Twitter Archive
  • Hate Not Found: Das Deplatforming der extremen Rechten und seine Folgen
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