Auch wenn bis zur Präsidentschaftswahl noch fast eineinhalb Jahre vergehen werden, stecken die USA schon im Wahlkampf. In einem ersten TV-Duell haben sich zehn Bewerber der Demokraten präsentiert, die Donald Trump 2020 herausfordern wollen. Ein Kandidat bezeichnete Trump als "grösste Gefahr" für die USA. Mitfavoritin Elizabeth Warren blieb hinter den Erwartungen zurück. Und der Präsident setzte vorm TV-Gerät bissige Tweets ab.

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In 16 Monaten werden die US-Bürger zur Präsidentschaftswahl an die Urnen treten. Während Donald Trump die Nominierung bei den Republikanern praktisch sicher hat und eine zweite Amtszeit anstrebt, bewerben sich bei den Demokraten insgesamt 25 Politiker um die Kandidatur – so viele wie niemals zuvor.

Bei der ersten TV-Debatte stellten sich die ersten zehn Bewerber der Öffentlichkeit vor. Für die Sendung kamen nur jene infrage, die in drei Umfragen mindestens ein Prozent der Stimmen erhalten oder Spenden von insgesamt 65.000 Förderern aus 20 US-Bundesstaaten nachgewiesen haben.

Um welche Themen ging es?

"Langweilig!", twitterte US-Präsident Donald Trump eine halbe Stunde nach Beginn der TV-Debatte im US-Sender NBC. Da ging es gerade um Einwanderung.

Wenig später spottete er über einen kurzzeitigen Ausfall der Mikrofone und nutze diese technische Panne für einen Angriff auf NBC als "Fake-News-Organisation".

Während Trump aus der Ferne gewohnt kräftig austeilte, musste er sich von den Demokraten im Studio auch einiges anhören. Vor allem bei den Themen Immigration, Waffenbesitz, Gesundheitsvorsorge und Aussenpolitik liessen diese kein gutes Haar an der Politik des Amtsinhabers.

Was waren die wichtigsten Aussagen?

Elizabeth Warren: Die linke Senatorin aus dem Bundesstaat Massachusetts hielt sich mit Attacken auf Trump überraschend zurück. Warren forderte eine Gesundheitsvorsorge für alle Amerikaner und strukturelle Veränderungen, damit nicht nur "eine immer kleiner werdende Schicht an der Spitze" von der boomenden US-Wirtschaft profitiert. Die grassierende Waffengewalt kommt für sie einem "öffentlichen Gesundheitsnotstand" gleich. Die Lösung seien schärfere Waffengesetze.

Cory Booker: Der afroamerikanische Senator aus New Jersey stellte immer wieder eine Beziehung zwischen Trumps Innenpolitik und seiner eigenen Lebenswirklichkeit her. Das wirkte authentisch.

Die Menschen in seiner Community hätten wegen der schlechten Gesundheitsvorsorge eine geringere Lebenserwartung als der Durchschnitt. Und erst letzte Woche seien in seiner Nachbarschaft sieben Menschen erschossen worden. Booker war der einzige Kandidat, der den Atom-Deal mit dem Iran nicht wiederherstellen würde, wenn er könnte.

Julián Castro: Der frühere Obama-Minister sprach wie eine Handvoll der Kandidaten immer wieder ein paar Sätze Spanisch, um die Latino-Wählerschaft direkt anzusprechen.

Das jüngste Foto von zwei toten Flüchtlingen an der US-Grenze zu Mexiko nannte er "herzzerreissend". Castro forderte, dass Grenzübertritt künftig kein Verbrechen mehr sein soll, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit. Und er setzte sich für einen Marschall-Plan für Honduras und andere Staaten Mittelamerikas ein, um Fluchtursachen zu bekämpfen.

Bill de Blasio: Der Bürgermeister von New York City war der einzige, der Russland als grösste Gefahr für die USA bezeichnete - wegen der vermeintlichen Einmischung in die Wahl 2017.

De Blasio forderte eine Gesetzesänderung, wonach künftig der Kongress zustimmen muss, wenn die USA in den Krieg ziehen. Dass er betonte, "einen schwarzen Sohn" gross zu ziehen, könnte ihm Sympathien bei afroamerikanischen Zuschauern eingebracht haben.

Tim Ryan: Der Abgeordnete aus Ohio war der erste, der sich aus der Deckung wagte und Donald Trump direkt attackierte. Der stünde für "Hass, Angst und Trennung".

Beto O’Rourke: Auch der frühere Abgeordnete aus Texas ging Trump direkt an. Man dürfe keine Mauern bauen und keine Kinder in Käfige stecken. Ausserdem habe Trump "Verbündete verprellt und uns schwächer als Land gemacht". Schliesslich fiel O`Rourke auch auf, weil er häufiger mal die Merkel-Raute imitierte.

Amy Klobuchar: Die Senatorin aus Minnesota kritisierte, dass Trump "früh um fünf im Bademantel" gefährliche Tweets über den Iran absetze. Für die schlechte Gesundheitsvorsorge in den USA fand sie den Vergleich: "Alles nur Schaum, kein Bier".

Was war das Rededuell des Abends?

Das einzige längere Wortgefecht lieferten sich die Kongress-Abgeordnete Tulsi Gabbard und Tim Ryan. Ryan behauptete, dass das Engagement der US-Truppen in Afghanistan dazu geführt habe, dass die Taliban nicht mehr die USA attackieren könnten.

Gabbard, die selbst im Irak und in Kuwait gedient hatte, klärte ihren Kollegen auf: "Die Taliban haben uns an 9/11 nicht attackiert, Al-Kaida war das." Sie will die Truppen nach Hause bringen und das Geld lieber für amerikanische Gemeinden ausgeben. Ryan will die Auslandseinsätze fortführen.

Was war der Moment des Abends?

Russland, China, der Klimawandel, Atomwaffen: Die Antworten auf die Frage nach der grössten Gefahr für die USA fielen völlig unterschiedlich aus. Jay Inslee, der Gouverneur von Washington, hatte seine ganz eigene Meinung. "Die grösste Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten ist Donald Trump." Dafür bekam er sehr grossen Applaus, womöglich den lautesten des Abends.

Was ist das Ergebnis?

Mit seinem "Langweilig!"-Tweet hatte Donald Trumps nicht ganz unrecht. Denn wegen der grossen Anzahl der Teilnehmer war kaum Zeit für kontroverse Rede-Gegenrede-Duelle - eine schwäche des Formats.

Inhaltlich gab es laut NBC-Analyse wenig Neues, sieht man von der Forderung Castros ab, den Grenzübertritt zu entkriminalisieren. Dass so viel spanisch gesprochen wurde, sei allerdings bemerkenswert gewesen. Das war ein direktes Signal an die Latino-Wählerschaft – und vielleicht auch eine Solidaritätsbekundung mit den Migranten, die in den Lagern an der US-Grenze unter teils menschenunwürdigen Bedingungen ausharren müssen.

Die Kritik an Donald Trump fiel zwar deutlich aus, wirklich harte Attacken gab es aber kaum. Angriffe auf die Favoriten unter den demokratischen Bewerbern – Joe Biden, Bernie Sanders, Pete Buttigieg und Kamela Harris - blieben völlig aus.

Diese vier bestreiten mit sechs weiteren Bewerben in der Nacht auf Freitag eine zweite TV-Debatte. Wetten, dass Donald Trump wieder vor dem Bildschirm sitzen und twittern wird?  © dpa

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