- Der Vorwurf der "Fake News" war seine Allzweckwaffe, er selbst hat aber gelogen wie wohl kein US-Präsident vor ihm: Donald Trump verlässt das Weisse Haus mit einer Bilanz von Tausenden Lügen.
- Fünf von ihnen sind besonders denkwürdig. Experte Martin Thunert erklärt, wieso.
Die Faktenchecker haben während seiner Amtszeit auf Hochtouren gearbeitet: Mehr als 30.000 Mal soll Ex-US-Präsident
Er habe mehr als jeder Präsident zuvor für das Land getan, die erfolgreichste Wirtschaft geschaffen, die Mauer zu Mexiko sei bald fertig und seine Familie stamme aus Schweden – beinahe täglich hat Trump sein wechselhaftes Verhältnis zur Wahrheit unter Beweis gestellt.
Während der letzten vier Jahre hat Trump so viel gelogen, dass Experten ihm Demenz attestierten und die Lüge in der Politik ihre skandalisierende Wirkung verlor. Dabei haben auch schon zuvor US-Präsidenten gelogen – man erinnere sich an die Lewinsky-Affäre um
"Er hat sich nie Mühe gegeben, seine Lügen zu vertuschen und ist kein strategischer Lügner, sondern ein sogenannter Bullshitter", sagt Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies (HCA). Als solcher habe Trump ein indifferentes Verhältnis zur Wahrheit – sage immer das, was für ihn gerade vorteilhaft sei, egal, ob Lüge oder Wahrheit. Fünf Lügen werden uns dabei besonders in Erinnerung bleiben.
Lüge 1: Zuschauer bei der Amtseinführung
"Schon gleich zu seiner Amtseinführung hat Trump den Ton gesetzt und mit einer stilprägenden Lüge aufgewartet: Bei seiner Inauguration seien mehr Zuschauer vor Ort gewesen, als acht Jahre zuvor bei
Pressesprecher Sean Spicer behauptete jedoch einen Tag später, die Fotos seien extra aus einem für Trump nachteiligen Winkel aufgenommen worden, um den Enthusiasmus zu schmälern. Er liess für Trump verlauten: "Das war das grösste Publikum, das je an einer Inauguration irgendwo auf der Welt teilgenommen hat – Punkt." Kommunikationschefin Kellyanne Conway sprach später von "alternativen Fakten". "Trump kann es nicht haben, der Zweite oder der Verlierer zu sein. Viele hat diese Art von Lüge deshalb noch amüsiert", erinnert sich Thunert.
Lüge 2: Die Mär vom Wahlbetrug
"Die zweite Art von Lüge ist deutlich gefährlicher", sagt Experte Thunert. Es geht um die Lüge des Wahlbetrugs, der gestohlenen Wahl und der angeblichen Wahlmanipulationen. "Trump hat schon vor vier Jahren behauptet, ohne massiven Wahlbetrug hätte er auch die sogenannte popular vote gewonnen", sagt Politikwissenschaftler Thunert. Dabei geht es um die Anzahl der abgegebenen Stimmen, die Trump im Vergleich zu Clinton für sich vereinen konnte.
Im politischen System der USA kann es dazu kommen, dass ein Kandidat trotz Vorsprung beim prozentualen Stimmenanteil letzten Endes nicht als Präsident aus der Wahl hervorgeht. Denn entscheidend für den Wahlsieg ist bei der Präsidentschaftswahl in den USA das "electoral college", das Wahlmännergremium. So erhielt Trumps damalige Gegenkandidatin Hillary Clinton fast 2,9 Millionen Stimmen mehr, wurde aber nicht Präsidentin.
Keine Belege für Manipulation
Damals behauptete Trump, fünf Millionen Menschen hätten illegal abgestimmt. Beweise lieferte er dafür nicht, auch eine von ihm eingesetzte Kommission fand keine Belege für einen Wahlbetrug. "Trump hat 2020 noch einen draufgesetzt, als er behauptete, er habe die Wahl gewonnen", sagt Thunert. Weil er diese Behauptung nie zurückgenommen hat und stetig wiederholt, glauben noch immer grosse Teile der Republikaner an einen illegalen Wahlsieg von
"Die Lüge ist besonders schwerwiegend in ihrer Konsequenz gewesen, weil Trump seine Anhänger aufgestachelt hat und diese letzten Endes das Kapitol gestürmt haben", sagt Thunert. Fünf Menschen kamen bei dem Angriff auf den Parlamentssitz am 6. Januar ums Leben. "Die Lüge hat auch Joe Bidens Start in das Präsidentenamt erschwert, weil viele Amerikaner ihn nicht als legitimes Staatsoberhaupt anerkennen", ergänzt Thunert.
Lüge 3: Eigenes Loblied in der UNO-Vollversammlung
Eine weitere Lüge, mit der Trump in Erinnerung bleiben wird, stammt aus dem Jahr 2018. "Vor der UNO-Vollversammlung behauptete Trump, seine Administration habe in zwei Jahren mehr geleistet, als andere Präsidenten in vier oder acht Jahren", sagt Thunert. Die Reaktion der übrigen Staatsvertreter auf seine eigene Lobpreisung: riesiges Gelächter.
Für Thunert vor allem aus einem Grund besonders denkwürdig: "Amerikanische Präsidenten sind in der UNO-Vollversammlung in der Vergangenheit vielleicht schon beschimpft worden oder über sie wurde ein Witz gerissen – dass ein Oberhaupt einer Supermacht aber ausgelacht wurde, ist mindestens ungewöhnlich."
Deutlich gewöhnlicher hingegen Trumps anschliessende Aussage vor Journalisten in New York: "Sie haben mich nicht ausgelacht, sie haben mit mir gelacht", behauptete er. "Die Leute hatten eine gute Zeit mit mir. Wir hatten Spass."
Lüge 4: Herunterspielen des Coronavirus
Die Lüge, die aus Thunerts Sicht am gefährlichsten war, ist Trumps Behauptung, man habe das Coronavirus unter Kontrolle, es sei nicht gefährlicher als die Grippe und die Krise im April verflogen. "Das hat er wiederholt behauptet", erinnert der Experte. Besonders dramatisch sei es, dass Trumps Lüge dazu führte, dass die Regierung erst verspätet reagierte und Massnahmen ergriff. In den USA hat es bislang mehr als 410.000 Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 gegeben. Damit sind sie das Land mit den meisten Corona-assoziierten Todesfällen weltweit.
"Im aufgezeichneten Telefonat mit dem Journalisten Bob Woodward hat Trump ein paar Monate später sogar zugegeben, dass er gelogen hat – angeblich, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern", sagt Thunert. Der Experte hält das jedoch für eine Schutzbehauptung von Trump.
Lüge 5: Sharpie-Gate
Die letzte Lüge, an die sich viele als Teil von Trumps Erbe erinnern werden, ist "Sharpie-Gate". Was dahintersteckt: Im Jahr 2019 raste Hurrikan "Dorian" auf das US-amerikanische Festland zu. Das Nationale Hurrikanzentrum (NHC) gab Warnungen für die Bundesstaaten Florida, Georgia sowie North und South Carolina heraus.
"Trump hat fälschlicherweise behauptet, auch Alabama sei bedroht", sagt Thunert. Der Nationale Wetterdienst twitterte zur Klarstellung: "Alabama wird keine Auswirkungen von Dorian spüren." Der Sturm verlaufe weiter östlich.
Das ist aber nicht das Ende der Geschichte: Trump zeigte daraufhin bei einer Pressekonferenz eine mit einem Marker (auf Englisch: sharpie) nachträglich geänderte Karte des Hurrikan-Verlaufs. "Der ursprünglich vorausgesagte Weg war mit einer schwarzen Linie erweitert worden – bis nach Alabama", sagt Thunert.
Für den Experten ist diese Lüge ein Beweis für Trumps Unfähigkeit, mit Kritik umzugehen. Künftig dürften die Faktenchecker jedenfalls weniger zu tun haben.
Verwendete Quellen:
- Washingtonpost.com: The Fact checker’s database of the false or misleading claims made by President Trump while in office
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