• Die Todesstrafe verliert in den USA seit Jahren an Zustimmung.
  • Donald Trump allerdings hat auf Bundesebene 2020 so viele Menschen hinrichten lassen wie kein anderer Präsident im 20. und 21. Jahrhundert.
  • Drei weitere Todesurteile könnte seine Regierung bis zum 20. Januar noch vollstrecken lassen.

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Das Ende der Präsidentschaft von Donald Trump ist in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich. Das gilt nicht nur für seinen unerbittlichen Kampf gegen seine Abwahl und die Stürmung des Kapitols durch seine Anhänger. Der scheidende US-Präsident ist in seinen letzten Amtsmonaten auch für den Tod von Menschen verantwortlich: 2020 sind auf Bundesebene zehn Menschen hingerichtet worden - so viele wie nie zuvor in einem Jahr im 20. und 21. Jahrhundert.

Todesstrafe eigentlich auf dem Rückzug

Die allermeisten Demokratien der Welt haben die Todesstrafe im Laufe der vergangenen Jahrzehnte abgeschafft – nicht so die USA. Die Situation dort ist allerdings komplex: 22 der 50 Bundesstaaten haben die Todesstrafe inzwischen abgeschafft, zwölf weitere haben in den vergangenen zehn Jahren keine Menschen hinrichten lassen.

Insgesamt, so die Nichtregierungsorganisation Death Penalty Information Center (DPIC), sei die Todesstrafe in Amerika auf dem Rückmarsch. 2020 wurden in den USA 18 Todesurteile gesprochen – der niedrigste Wert der vergangenen vier Jahrzehnte. 17 verurteilte Straftäter wurden im vergangenen Jahr hingerichtet. Das waren so wenige wie seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr.

Todesstrafe auf Bundesebene 2019 wieder eingeführt

Allerdings wurden nur sieben der 17 Betroffenen nach den Gesetzen der Bundesstaaten hingerichtet. Zehn dagegen auf Bundesebene. Auch das Bundesstrafrecht sieht die Todesstrafe vor – dass sie vollzogen wird, kommt allerdings äusserst selten vor. Zwischen 2003 und 2019 hatten überhaupt keine Exekutionen nach Verurteilungen durch Bundesgerichte mehr stattgefunden.

Justizminister William Barr hatte die bundesweite Todesstrafe im Juli 2019 wieder eingeführt: auf Drängen von Präsident Donald Trump, der nicht erst seit seinem Einzug ins Weisse Haus ihr grosser Befürworter ist. Als in den 90er Jahren fünf jugendlichen Schwarzen und Latinos vorgeworfen wurde, eine Frau im New Yorker Central Park vergewaltigt zu haben, schaltete der Milliardär eine ganzseitige Zeitungsanzeige. Darin forderte er die Wiedereinführung der Todesstrafe im Bundesstaat New York und die Exekution der Täter. Später stellte sich heraus, dass die "Central Park Five" unschuldig sind.

Seit 1976 sind 13 Personen auf Basis des US-Bundesstrafrechts hingerichtet worden – zehn davon allein im zweiten Halbjahr 2020. Nicht nur die Zahl hat in den USA für Aufsehen gesorgt. Im September 2020 starb zum Beispiel der 40-jährige Christopher Vialva durch eine Giftspritze. Er war wegen der Beteiligung an der Ermordung eines Ehepaars im Jahr 1999 verurteilt worden. Vialva war damals 19 – es war die erste Hinrichtung für die Tat eines Unter-20-Jährigen seit 68 Jahren.

Experte: Trump will Tatsachen schaffen

Die Exekutionen gingen auch weiter, nachdem Trump am 4. November die Präsidentschaftswahl verloren hatte. Auch das ist ein Tabubruch: Seit 1889 ist es nicht mehr vorgekommen, dass scheidende US-Präsidenten in der Übergangsphase Todesurteile vollstrecken liessen.

Was treibt Trump auf den letzten Metern seiner Amtszeit dazu? "Er will das Bild des Law-and-Order-Präsidenten aufrechterhalten", glaubt David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. "Das war ein Thema, auf das er auch seinen Wahlkampf aufgebaut hat", erklärt der Politikwissenschaftler im Gespräch mit unserer Redaktion. Möglicherweise wolle Trump mit Hinrichtungen letzte Tatsachen schaffen, genau wie mit Begnadigungen für seine Weggefährten, die so keine Haftstrafen mehr zu fürchten brauchen. "Von seiner Basis wird er dafür bejubelt. Wobei man betonen muss, dass er von seiner Basis eigentlich immer bejubelt wird, egal was er macht", so Sirakov.

Zustimmung unter US-Bürgern schwindet

Die Haltung zur Todesstrafe gehört zu den Themen, die die amerikanische Gesellschaft spalten – ähnlich wie der Streit über Abtreibung oder Waffenbesitz. Allerdings zeichnet sich bei der Einstellung zur Todesstrafe ein langsamer, aber steter Wandel ab. Erstmals seit dem Start der Datenerhebung vor 34 Jahren sagte 2020 eine Mehrheit von 60 Prozent der Amerikaner in einer repräsentativen Umfrage des Instituts Gallup, dass eine lebenslange Haftstrafe eine bessere Bestrafung sei als der Tod.

Zwar bezeichnen sich weiterhin 55 Prozent der Amerikaner als generelle Befürworter der Todesstrafe für verurteilte Mörder. Doch die Gruppe der Gegner wächst: 1996 lehnten Gallup zufolge nur 16 Prozent der Befragten die Todesstrafe ab. Dieser Anteil wuchs danach beständig auf 43 Prozent im Jahr 2020.

Auch der neugewählte US-Präsident Joe Biden gehört zu den Gegnern. In seinem Wahlprogramm weist er darauf hin, dass seit 1973 mehr als 160 zum Tode Verurteilte später von den Vorwürfen entlastet wurden. Dem "Death Penalty Information Center" zufolge gab es auch bei drei der 17 Hinrichtungen 2020 Zweifel an der Schuld der Verurteilten. Biden will die Todesstrafe auf Bundesebene abschaffen – und die Bundesstaaten auffordern, es auch zu tun.

Drei weitere Hinrichtungen geplant

Noch ist Trump allerdings im Amt. Drei weitere Exekutionen will das US-Justizministerium bis zur Amtsübergabe am 20. Januar vollstrecken. Kontrovers wird vor allem der Fall von Lisa Montgomery diskutiert, sie wäre die erste Frau seit 70 Jahren, die auf Bundesebene hingerichtet wird. Sie hatte 2004 eine hochschwangere Frau getötet und ihr das Baby aus dem Bauch geschnitten, das die grausame Tat überlebte. Montgomery hat die Trump-Regierung um Gnade gebeten, auch mehr als 1000 Anwälte appellierten, die Todesstrafe nicht zu vollstrecken. Denn die Verurteilte gilt als psychisch krank – unter anderem als Folge schweren sexuellen Missbrauchs in ihrer Kindheit.

Quellen:

  • Gespräch Dr. David Sirakov, Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz
  • CNN Politics: Trump returns to the death penalty as Democrats turn against it
  • Death Penalty Information Center: The Death Penalty in 2020: Year End Report
  • Gallup: In Depth: Topic A to Z – Death Penalty
  • Gallup: Americans Now Support Life in Prison Over Death Penalty
  • National Catholic Reporter: Catholics' involvement in death penalty killing spree is scandalous
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