Anhänger von Donald Trump verbreiten seit Jahren die Verschwörungstheorie QAnon. Sie glauben, dass das Land von einem Ring prominenter Kinderschänder unterwandert wird. Der US-Präsident hat mit den Unterstützern kein Problem - im Gegenteil.
Das grosse "Q" ist ihr Markenzeichen: Die Anhänger einer Verschwörungstheorie sorgen mittlerweile weit über die Grenzen der USA für Aufsehen. Besonders häufig sind sie jedoch bei Demonstrationen für und bei Wahlkampfveranstaltungen von US-Präsident Donald Trump zugegen. Sie zeigen sich mit entsprechenden T-Shirts und Postern oder halten den ausgeschnittenen Buchstaben "Q" in die Höhe.
Erst durch
Der US-Präsident selbst hat damit kein Problem. Von seinen Anhängern, die die abstruse Erzählung verbreiten, will er sich nicht distanzieren. "Wie ich verstehe, mögen sie mich sehr, was ich zu schätzen weiss", sagte der US-Präsident am Mittwochabend auf einer Pressekonferenz im Weissen Haus.
Er wisse zwar nicht viel über die Bewegung. Er habe aber gehört, dass sie an Popularität gewinne. Und: "Ich habe gehört, dass es Leute sind, die unser Land lieben."
Politiker und Schauspieler als Kinderhändler
Begonnen hat alles im Oktober 2017: Im anonymen Internetforum 4chan meldete sich ein User unter dem Namen Q zu Wort. Seine Botschaften verbreiteten sich in der Folge in anderen Foren, dann auch in den grossen sozialen Medien, auf Facebook, Twitter und Youtube.
Nutzer setzten dabei schier unendliche und immer wieder neue Einzelstücke zur obskuren Verschwörungstheorie QAnon zusammen. Q steht dabei für den unbekannten Nutzer, "Anon" für anonym.
Der Kern der Theorie: In den USA sollen ein verdeckt operierender Ring und Mitarbeiter des US-Regierungsapparats am Sturz von Präsident Trump arbeiten. Ausserdem behaupten die Anhänger, Politiker der Demokratischen Partei und Prominente liessen sich mit Hormonen behandeln, die aus dem Blut von Kindern gewonnen würden. Diese Gruppe würde zudem als "Sex-Ring" fungieren und Kinderhandel betreiben. Prominente wie die ehemalige Präsidentschaftskandidatin
USA - Land der Verschwörungstheorien
Verschwörungstheorien sind in den USA nichts Neues. Zudem sei das gesamte politische Spektrum dafür anfällig, sagt Joseph Uscinski, Politikwissenschaftler an der Universität von Miami und Experte für das Thema, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Es gebe Republikaner, die glauben, dass
Im Fall von QAnon stehen die Anhänger allerdings klar hinter dem aktuellen US-Präsidenten. "Einem evangelikalen, für Verschwörungen empfänglichen Trump-Anhänger fällt das im Fall von QAnon leicht. Diese Theorie erzählt eine Geschichte, die zu seinem Weltbild passt", sagt Uscinski
"Wunsch, die Welt zu erklären"
Aber warum glauben Menschen überhaupt an Verschwörungen, selbst wenn diese besonders abenteuerlich sind?
"Der Wunsch, die Welt zu erklären, ist etwas zutiefst Menschliches", sagt Marius Raab, Psychologe an der Universität Bamberg, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Wenn Menschen an Verschwörungstheorien glauben, stecke häufig der Wunsch dahinter, die Komplexität der Welt zu reduzieren, so eine wissenschaftliche Annahme.
Raab betont allerdings, dass es auch Theorien gebe, die die Welt eher noch komplexer machen. "Häufig verschwimmen bei Verschwörungstheorien berechtigte Sorgen der Bevölkerung mit abstrusen Annahmen."
Ist QAnon wirklich eine Bewegung?
Wer hinter QAnon in den USA steckt, ist nach wie vor ein Rätsel. "Niemand weiss es. Es könnte eine Person sein, es könnten mehrere sein", sagt Politologe Uscinski. Mittlerweile hat sich die Erzählung auch verselbstständigt. Jeder Nutzer kann seinen Teil dazu beitragen, eigene Deutungen ergänzen - auch das macht sie so attraktiv. Die Zahl der Menschen, die an die solche Theorien glauben, sei schwer einzuschätzen. Zahlen in den USA rangieren von einigen Zehntausend bis zu einer Million. Uscinski geht aber von eher wenigen Anhängern aus.
Als prominente Unterstützer gelten die Schauspielerin Roseanne Barr und Alex Jones. Der Betreiber des ultrarechten Internetportals "Infowars" glaubt unter anderem, dass die damalige US-Administration unter Barack Obama 2012 den Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule inszeniert habe.
Die Q-Fans hoffen laut einem Artikel der "Washington Post", dass Trump die Bewegung öffentlich erwähnt. Das hat er bisher nicht explizit getan. Inhalte von QAnon und deren Verschwörungserzählungen verbreitet er trotzdem. Darunter etwa die falsche Behauptung, sein Amtsvorgänger Obama sei gar nicht in den USA geboren.
Ein Präsident als Verschwörungstheoretiker
"Wir haben jetzt einen Präsidenten, der selbst Verschwörungstheoretiker ist", sagt Uscinski. "Er und seine Mitarbeiter sind in der Lage Theorien unter einem grossen Publikum zu verbreiten."
Wie gefährlich können Verschwörungstheorien werden? Es komme auf die Inhalte an, sagt Psychologe Raab. "Einige Theorien lenken Aufmerksamkeit auf die Mächtigen und können das Bewusstsein schärfen, dass Politiker gerade auch in einer Demokratie kontrolliert werden müssen. Wenn aber, wie es leider auch immer wieder der Fall ist, einzelne gesellschaftliche Gruppen wie zum Beispiel Juden für alles verantwortlich gemacht werden, ist das sehr gefährlich."
Im Fall von QAnon sind mögliche Folgen schon sichtbar geworden: Im Dezember 2016 schoss ein Mann auf Besucher eines Pizza-Restaurants in der Hauptstadt Washington, weil er glaubte, dass von dort aus ein Kinderschänder-Ring der Demokraten operieren würde.
Facebook löscht QAnon-Accounts
Die sozialen Netzwerke haben mittlerweile reagiert. Erst am Mittwoch hat Facebook in einem breiten Vorgehen gegen QAnon 790 Gruppen, 100 Seiten und 1.500 Werbeanzeigen entfernt. Zudem wurden bei 1.950 Facebook-Gruppen und 10.000 Accounts der Foto-Plattform Instagram Einschränkungen verhängt, wie das weltgrösste Online-Netzwerk mitteilte. Twitter hatte bereits vor knapp einem Monat mehr als 7.000 Accounts, die QAnon-Unterstützern zugerechnet wurden, dauerhaft gesperrt.
Und Trump? Der wurde am Mittwoch von einer Reporterin darauf angesprochen, dass die QAnon-Anhänger glaubten, er rette die Welt "vor einem satanischen Kult aus Pädophilen und Kannibalen".
Die Antwort des US-Präsidenten: "Ich habe das nicht gehört. Aber soll das etwas Schlechtes sein oder etwas Gutes? Wenn ich helfen kann, die Welt vor Problemen zu retten, bin ich bereit dazu."
QAnon-Anhänger dürften sich wieder einmal bestätigt sehen.
Verwendete Quellen:
- Mit Material von dpa
- Joseph Uscinski, Associate Professor an der University of Miami, Institut für Politikwissenschaft
- Dr. Marius Raab, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Institut für Psychologie
- Washington Post: We are Q’: A deranged conspiracy cult leaps from the Internet to the crowd at Trump’s ‘MAGA’ tour
- Spiegel Online: US-Verschwörungstheoretiker – Trumps Trolle zeigen sich
- Süddeutsche Zeitung: Wirre Welt aus Visionen
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.