Vergangenes Jahr klatschte sie ihm spöttisch zu, dieses Mal zerreisst sie seine Ansprache - im wörtlichen Sinn. Top-Demokratin Nancy Pelosi und US-Präsident Donald Trump verbindet eine innige Abneigung. Was von einer Rede an die Nation übrig blieb.

Mehr zu den USA unter Donald Trump hier

Mehr als eine Stunde lang hatte US-Präsident Donald Trump ein Loblied auf seine politischen Errungenschaften gesungen - dann zeigte ihm seine demokratische Gegenspielerin Nancy Pelosi, was sie von seiner Rede zur Lage der Nation hielt. Der finale Applaus hallte am Dienstagabend (Ortszeit) durch den Kongress, als die Sprecherin des Repräsentantenhauses hinter Trumps Rücken demonstrativ und mit einem Ausdruck von Ekel im Gesicht die Blätter von dessen Manuskript zerriss - und damit wütende Reaktionen auslöste.

Pelosi: Rede ist "Manifest der Unwahrheiten"

Auf die Szene angesprochen bestätigte Pelosi wenig später, es sei angesichts der Alternativen das Höflichste gewesen, was sie hätte tun können. Sie bezeichnete die Rede als "Manifest der Unwahrheiten". Pelosi ist eine erbitterte Gegnerin von Trump und eine der treibenden Kräfte gegen den US-Präsidenten im Amtsenthebungsverfahren, das am Mittwoch aller Voraussicht nach mit einem Freispruch durch die republikanische Mehrheit im Senat endet.

Das Weisse Haus verurteilte Pelosi in einem Tweet für das Zerreissen der Rede. Aussenminister Mike Pompeo verspottete sie gar und veröffentlichte ein Bild vom Cartoon-Mädchen Lisa Simpson, das Papiere in der Hand hält und dabei schluchzt. "Ihr kindisches Benehmen beleidigt unsere amerikanischen Traditionen", schrieb Newt Gingrich, ein früherer Vorsitzender des Repräsentantenhauses, auf Twitter. Der prominente republikanische Senator Lindsey Graham sagte: "Das Zerreissen der Rede wird die Leistungen dieses Präsidenten nicht zerreissen."

Demokraten unterstützen Aktion von Pelosi

Von den Demokraten dagegen erhielt Pelosi für das Zerreissen des Manuskripts Unterstützung. "Ich hätte es geschreddert", schrieb die Kongressabgeordnete Rashida Tlaib auf Twitter. Auch ihre Kollegin Sylvia Garcia stellte sich hinter Pelosi. Die Menschen seien aufgebrachter über das Zerreissen der Rede als darüber, dass Trump Familien an der Grenze zu Mexiko ausseinanderreisse, schrieb sie in einem Tweet.

Schon zu Beginn der Ansprache gab es einen aufsehenerregenden Moment: Als Trump an das Rednerpult trat und Pelosi sein Manuskript gab, streckte diese ihm die Hand hin, die der 73-Jährige jedoch nicht ergriff. Die Top-Demokratin zog ihre Hand zurück, zuckte leicht mit den Schultern und lächelte. Es war nicht klar, ob Trump sie absichtlich ignorierte. Pelosi twitterte ein Foto von der Szene und schrieb: "Demokraten werden niemals aufhören, die Hand der Freundschaft auszustrecken".

Sie verzichtete auch darauf, Trump - wie eigentlich vorgesehen - anzukündigen. Statt "Ich habe das grosse Privileg und die besondere Ehre, Ihnen den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu präsentieren" sagte sie nur: "Mitglieder des Kongresses, der Präsident der Vereinigten Staaten". Während der Ansprache schaute sie immer wieder mit versteinerter Miene nach unten, schüttelte auch den Kopf, zum Beispiel als der Präsident über Migrationspolitik redete.

Top-Demokratin und Trump hegen eine lange Fehde

Pelosi hatte schon im Vorjahr bei Trumps Rede zur Lage der Nation ihre Geringschätzung des Präsidenten gezeigt: Dort beklatschte die Demokratin das Staatsoberhaupt auf eine abfällige Art und Weise. Auch in den folgenden Monaten verbesserte sich das Verhältnis der beiden nicht. Pelosi kritisierte beispielsweise den Präsidenten, weil er aus ihrer Sicht mit einem Wutanfall aus einem Treffen gestürmt war. "Ich bin fünffache Mutter und neunfache Grossmutter (...) Ich erkenne einen Wutausbruch, wenn ich ihn sehe."

Inmitten des Impeachments-Prozesses wurde Pelosi zu einem von Trumps Lieblingsfeinden. Ein Foto aus dem Oktober zeigte Pelosi stehend und mit erhobenem Finger vor dem Präsidenten, als ob sie ihn belehren wollte. Es machte bei ihren Fans rasch die Runde. Doch auch Trump twitterte dazu und schrieb: "Der unkontrollierte Zusammenbruch der nervösen Nancy!" (mgb/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.