US-Präsident Donald Trump hat neue Zölle gegen eine Reihe von Staaten angekündigt – darunter auch gegen die EU. Ökonomen fürchten, dass Deutschland davon besonders betroffen wäre. Doch die EU könne sich gegenüber dem US-Präsidenten selbstbewusst zeigen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Adrian Arab sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es ist nicht so, dass Donald Trump die Welt über seine Absichten im Ungefähren gelassen hätte. Vor allem in der Spätphase seines Präsidentschaftswahlkampfs kam kaum ein Auftritt ohne einen Begriff aus, den er einmal sogar als sein Lieblingswort bezeichnete: "Tariffs", Zölle. Im November etwa kündigte Trump einen "Basiszoll" von zehn Prozent auf alle US-Importe an. Im Januar, bei seiner Amtseinführung, drohte er Europa mit Zöllen von 20 Prozent. Und die BRICS-Staaten sollten sich sogar auf Einfuhrzölle von 100 Prozent gefasst machen, sollten sie ihre Abhängigkeit vom Dollar reduzieren.

Mehr aktuelle News

Trotzdem dürfte mancher Beamte im Berlaymont-Gebäude, dem Hauptsitz der Europäischen Kommission, insgeheim gehofft haben, dass die Würde und Ernsthaftigkeit seines neuen Amts Trump in den ersten Tagen mässigen würde. Schliesslich hatte er schon oft mit brachialer und undifferenzierter Rhetorik Wahlkampfthemen besetzt, um später an der einen oder anderen Stelle wieder zurückzurudern.

Was die Zölle betrifft, kann von Relativierung bei Trump allerdings nicht die Rede sein. Bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit kündigte er an, Mexiko und Kanada mit Zöllen von 25 Prozent zu belegen, wenig später war dann auch Europa dran. Was die EU getan hätte, sei ein "Gräuel", sie kauften keine Autos und keine Agrarprodukte – eigentlich kauften die Europäer "fast nicht", sagte Trump. Deshalb würden die USA "sehr bald" Zölle auch auf Waren aus Europa erheben. Ein konkretes Datum nannte Trump bislang noch nicht.

Wird Trump die Zölle tatsächlich scharf schalten?

Die Zölle gegen Kanada und Mexiko hat Trump zwar bislang nicht scharf geschaltet und auch ein konkretes Datum für die Massnahmen gegen Europa steht noch nicht im Raum. Für Anfang dieser Woche hat Trump jedoch angekündigt, Stahl- und Aluminiumimporte in die USA mit Zöllen von 25 Prozent zu belegen. Sie sollen für alle Länder gelten. Zudem werde er "gegenseitige Zölle" ankündigen, also Importzölle auf Produkte, wenn ein anderes Land Zölle gegen die USA verhängt. Das betrifft auch die EU: Insbesondere bei Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produkten liegen die EU-Zollsätze deutlich über denen der USA. So erhebt die Europäische Union auf importierte Lebensmittel aus den USA einen Zoll von durchschnittlich 25,8 Prozent, während die USA auf vergleichbare europäische Produkte niedrigere Zölle erheben.

Schaut man auf Trumps neueste Zollkapriolen, dann besteht also kein Zweifel: Der neue US-Präsident nimmt wie bereits in seiner ersten Amtsperiode Kurs auf einen neuen Handelskrieg mit der Welt. Davon, so warnen Experten, wäre Deutschland, das wie kein anderes Land in Europa vom Export abhängt, in besonderer Weise betroffen.

Am Auto, dem wichtigsten Exportgut, lassen sich die Folgen dieses Handelskrieges besonders gut erkennen. VW, Mercedes und BMW sowie grosse Teile der deutschen Zulieferindustrie sind nicht nur stark vom US-Markt abhängig, sondern auch eng mit jenen Ländern verflochten, die Trump jetzt ins Visier genommen hat:

Ein Beispiel ist Mexiko, wo viele Hersteller grosse Produktionsstätten betreiben und wo allein im vergangenen Jahr 716.000 Fahrzeuge vom Band liefen. Audi produziert seit 2016 in San José Chiapa mit einer Kapazität von 150.000 Fahrzeugen pro Jahr. Mercedes-Benz betreibt ein Joint Venture in Aguascalientes, wo der SUV GLB gefertigt wird. VW produziert seit über 50 Jahren in Puebla – mit rund 2.500 Motoren täglich, von denen die meisten für den US-Markt bestimmt sind. Und im kanadischen Ontario haben die Wolfsburger gerade erst eine Batteriezellfabrik eröffnet.

Zwei Folgen: Entweder weniger Wettbewerbsfähigkeit oder sinkende Gewinne

All diese Produkte dürften erheblich teurer und unrentabler werden, wenn für den Export in den amerikanischen Markt Zölle fällig werden. Das hat zwei mögliche Folgen: Entweder verlieren deutsche Hersteller an Wettbewerbsfähigkeit, weil sie die steigenden Kosten in höhere Preise und damit auf den Verbraucher umlegen. Oder sie tragen die zusätzlichen Kosten selbst – dann sinken ihre Gewinne. Beides ist eine schlechte Nachricht, die sich etwa an den Börsenkursen deutscher Autohersteller ablesen liess: Sie fielen erheblich.

Das Problem trifft aber längst nicht nur die Autoindustrie. Auch Hersteller in der Elektroindustrie, dem Maschinenbau oder der Chemie betreiben grosse Werke ausserhalb der USA, in denen sie für den amerikanischen Markt produzieren. Beispielsweise Siemens, Schaeffler und BASF.

"Zurück zum Plastik": Trump will Förderung von Papiertrinkhalmen beenden

US-Präsident Donald Trump will die unter seinem Vorgänger Joe Biden eingeführte Förderung von Papiertrinkhalmen in den USA abschaffen. Er werde ein Dekret unterzeichnen, das die "lächerliche Förderung von Papiertrinkhalmen beendet", erklärte Trump in seinem Onlinedienst Truth Social. "Zurück zum Plastik!", schrieb er in Grossbuchstaben.

Auch Unternehmen ausserhalb des amerikanischen Markts drohen Probleme

Paradoxerweise könnten sogar Unternehmen, die fast ausschliesslich für den europäischen Markt produzieren, von Trumps Ankündigung betroffen sein, wie der Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) gegenüber unserer Redaktion erklärt: "Die Zölle dürften dazu führen, dass bestimmte Produkte aus China, Mexiko und Kanada nun verstärkt auf den europäischen und deutschen Markt exportiert werden und deshalb dort der Konkurrenzdruck für deutsche Unternehmen steigt." Das würde dann auch den mittelständischen Maschinenbauer aus Baden-Württemberg oder den hochspezialisierten Autozulieferer aus Bayern treffen, die ihre Produkte vorrangig in Europa vertreiben. Maschinenbauer, die ohnehin Schwierigkeiten haben, steigende Kosten durch Produktivitätssteigerungen auszugleichen, könnten von diesem Sekundäreffekt besonders betroffen sein: Ihr Wettbewerbsdruck würde zusätzlich erhöht, wenn Importe aus Ländern, die von US-Zöllen betroffen sind, auf den europäischen Markt drängen.

Dullien weist zudem auf einen weiteren Kollateralschaden hin, der weit über Trumps Amtszeit hinausreichen dürfte: Die Tatsache, dass der US-Präsident per Federstrich neue Zölle einführt, könnte das Vertrauen internationaler Investoren in etablierte Freihandelszonen wie USMCA (ehemals NAFTA) erheblich erschüttern. "Trumps Zölle haben gezeigt, dass trotz der Existenz von Freihandelsabkommen quasi über Nacht wieder massive Zölle eingeführt werden könnten", erklärt Dullien.

Grenzüberschreitende Lieferketten könnten künftig als weitaus riskanter gelten als bisher. Viele Unternehmen dürften darum verstärkt auf heimische Produktion setzen, um sich vor plötzlichen Handelshemmnissen zu schützen. "Damit würde sich die Globalisierung ein Stück zurückdrehen", sagt Dullien – mit spürbaren Konsequenzen. Denn wenn Unternehmen Produktion aus Kostengründen ins Ausland verlagert haben, bedeutet eine Rückkehr ins Heimatland – sogenanntes "Homeshoring" – zwangsläufig steigende Preise.

Homeshoring ist für die Industrie derzeit noch kein Thema

Noch hat sich kaum ein Unternehmen öffentlich zu solchen Überlegungen geäussert, bis zu einem Exitus europäischer Firmen aus Übersee ist es noch ein weiter Weg. Die Investitionskosten wären immens, eine kurzfristige Verlagerung ganzer Wertschöpfungsketten oder eine völlige Neuausrichtung internationaler Strategien ist kaum realistisch – und auch der Fachkräftemangel in Europa macht Homeshoring im grossen Stile derzeit eher unrealistisch.

Manager berichten zudem im persönlichen Gespräch, dass sie das Risiko, dass Trump seine Drohungen gegen Europa tatsächlich durchsetzt, für eher gering halten. Sein Ziel sei weniger, einen Handelskrieg zu entfachen, für den am Ende auch die US-Verbraucher zahlen müssten, etwa über steigende Verbraucherpreise oder Vergeltungsmassnahmen in Branchen, in denen vor allem Trump-Wähler arbeiten.

Vielmehr wolle Trump konkrete Veränderungen durchsetzen, die seiner "America First"-Strategie entsprechen: eine Reduzierung der teils immensen Handelsdefizite mit China und Europa, mehr Einfluss in der WTO oder schlicht neue Handelsabkommen zu besseren Bedingungen. Ein Beispiel: Europa erhebt derzeit 2,5 Prozent Einfuhrzoll auf amerikanische Autoexporte, gegenüber 10 Prozent, die die USA erheben. Auch nicht gerade fair.

Lesen Sie auch

Ökonom empfiehlt der EU Zuckerbrot und Peitsche

Für den Ökonomen Jörg Rocholl, Präsident der ESMT Berlin, lässt sich noch nicht absehen, ob Donald Trump "die Strafzölle als kurzfristiges Verhandlungsmittel nutzt oder ob sie als langfristiges Instrument zur protektionistischen Abschottung der US-Wirtschaft dienen sollen". Europa sitze zweifellos am kürzeren Hebel, weil es mehr Waren in die USA verkaufe als andersrum. Doch der amerikanische Exportüberschuss der USA bei Dienstleistungen – insbesondere im Bereich der Digitalwirtschaft – verschaffe Europa Verhandlungsspielraum.

Rocholl rät gegenüber unserer Redaktion daher zu einer gemischten Strategie aus Zuckerbrot und Peitsche: Verhandlungsbereitschaft in jenen Bereichen, die Trump innenpolitisch für sich nutzen kann, gepaart mit gezielter Vorbereitung auf den Ernstfall. "Anstatt blind Gegenmassnahmen zu ergreifen, sollte die EU proaktiv Handelsabkommen und Gegengeschäfte anbieten, die für beide Seiten Vorteile schaffen", sagt Rocholl und rät: "Europa sollte sich strategisch positionieren, ohne sich in eine Spirale gegenseitiger Strafmassnahmen hineinziehen zu lassen." Sollte es Trump tatsächlich ernst meinen, könne die EU durchaus selbstbewusst agieren, wie sie es auch in der Vergangenheit schon getan habe: Etwa mit Zöllen auf Harley-Davidson-Motorräder, Whiskey oder Orangen aus Florida.

Wozu auch immer sich Trump entscheidet – in der Wirtschaftswissenschaft herrscht über die ökonomisch klügere Option weitgehender Konsens: Freier Handel, offene Märkte und der Abbau von Zöllen fördern den Wettbewerb, treiben Innovationen voran und maximieren die Auswahl an Waren und Dienstleistungen. Davon sollen in erster Linie die Verbraucher profitieren. Handelskriege hingegen kennen keine Gewinner – bestenfalls jene, die weniger verlieren als andere.

Über die Experten:

  • Prof. Dr. Jörg Rocholl ist Wirtschaftswissenschaftler und Präsident der internationalen Wirtschaftshochschule ESMT Berlin. Er ist zudem Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen.
  • Prof. Dr. Sebastian Dullien ist Ökonom und Wissenschaftler Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.