Das zweite TV-Duell der demokratischen Bewerber für die US-Präsidentschaftswahl 2020 war deutlich spannungsgeladener als die Sendung am Vortag. Emotionaler Höhepunkt: ein Schlagabtausch zwischen Senatorin Kamala Harris und Ex-Vizepräsident Joe Biden.

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25 demokratische Politiker wollen bei den Präsidentschaftswahlen 2020 gegen Amtsinhaber Donald Trump antreten. 20 haben sich für die TV-Debatten qualifiziert. In der Nacht auf Freitag präsentieren sich zehn Herausforderer in der zweiten landesweiten Diskussion dem US-Publikum, darunter die Mitfavoriten Joe Biden, Bernie Sanders, Kamala Harris und Pete Buttigieg.

Während die Debatte der ersten zehn Kandidaten am Tag zuvor von sachlichen Tönen geprägt war, ging es nun deutlich turbulenter zu: Persönliche Vorwürfe, emotionale Statements, gewagte politische Ideen und harte Attacken gegen Präsident Donald Trump bestimmten die zweistündige Übertragung im US-Sender ABC.

Was sagen die Kandidaten?

Joe Biden: Der frühere US-Vizepräsident unter Barack Obama erlebte einen Abend mit Höhen und Tiefen. Einerseits legte er staatsmännisch seinen Plan für eine gerechtere Gesellschaft mit College-Bildung und Krankenversicherung für alle Bürger dar und stellte einen Abzug der US-Kampftruppen aus Afghanistan in Aussicht.

Andererseits bot er durch seine langjährige Regierungserfahrung auch eine grosse Angriffsfläche. So warf ihm Mitbewerberin Kamala Harris vor, dass unter Obamas und Bidens Verantwortung drei Millionen illegale Einwanderer aus dem Land deportiert worden seien.

Kamala Harris: Die charismatische Senatorin aus Kalifornien war eine der Gewinnerinnen des Abends. Sie machte sich überzeugend für die kleinen Leute stark, punktete durch scharfe Attacken auf Donald Trump ("die grösste Sicherheitsgefahr für die USA") und setzte immer wieder Nadelstiche gegen ihre Mitbewerber, vor allem gegen Joe Biden.

Harris Betroffenheit über die humanitären Zustände an der US-Grenze zu Mexiko oder die Toten durch die lasche Waffengesetzgebung wirkte authentisch.

Bernie Sanders: Harte Angriffe auf Donald Trump, ein radikaler Wandel der US-Gesellschaft und viel Kritik an den aus seiner Sicht zu zahmen Ideen seiner Mitbewerber: Der linke Senator aus dem Bundesstaat Vermont polarisierte wieder einmal.

Sanders will die Macht der Wall Street, der Lobbyisten, der Pharmaindustrie und der Versicherungsgesellschaften brechen und den Reichtum im Land gerechter verteilen. Trump nannte er einen "Schwindler, Rassisten und pathologischen Lügner".

Pete Buttigieg: Der Mann mit dem schwer auszusprechenden Nachnamen ("batti-dschidsch") gilt als einer der jungen Hoffnungsträger seiner Partei. In der Debatte bewies er, warum.

Zum Waffenrecht sagte der 37-Jährige. "Wenn mehr Waffen uns sicherer machen würden, wären wir das sicherste Land der Welt. Aber so läuft das nicht." Welchen verprellten US-Verbündeten würde er als Präsident als ersten zurückgewinnen? "Wir wissen nicht, welche Verbündeten Trump zwischen heute und dann am meisten vor den Kopf gestossen haben wird", spottete Buttigieg. Zudem warf er den Republikanern, die sich gern auf christliche Werte beziehen, wegen des Umgangs mit Flüchtlingen Heuchelei vor.

Kirsten Gillibrand: Die Senatorin sprach sich für einen gesunden Kapitalismus aus und gegen korrupten Kapitalismus - eine Breitseite auf Bernie Sanders und sein sozialistisches Gesellschaftsmodell. Bei der Forderung nach einer staatlichen Krankenversicherung für alle Bürger stimmt sie jedoch mit Sanders überein.

Marianne Williamson: Die bislang eher unbekannte Bewerberin forderte ihre Parteikollegen auf, nicht nur schlaue Pläne vorzulegen. Trump habe auch keine Pläne gehabt, sondern einfach gesagt: Make America great again. Williamson erklärte, es brauche eine Idee, eine Inspiration für das Land. Die Trennung von Flüchtlingskindern von ihren Eltern an der US-Grenze nannte sie "staatlich unterstützte Verbrechen".

John Hickenlooper: Der frühere Gouverneur von Colorado fiel vor allem durch seinen eindringlichen Schlussappell auf: "Wenn wir uns dem Sozialismus zuwenden, riskieren wir, dass der schlechteste Präsident in der Geschichte der USA wiedergewählt wird."

Andrew Yang: Der Unternehmer hob sich durch seinen radikalen Plan eines bedingungslosen Grundeinkommens von 1.000 Dollar von seinen Bewerbern ab.

Michael Bennet: Der Senator aus Colorado forderte die Wiederherstellung der Demokratie in den USA. Über Trump sagte er: "Er glaubt nicht an die Herrschaft des Rechts, er glaubt nicht an Pressefreiheit, er glaubt nicht an unabhängige Justiz. Er glaubt an die Korruption, die er nach Washington gebracht hat."

Eric Swalwell: Der Abgeordnete aus Kalifornien sprach sich für härtere Waffengesetze aus. Zum Ende verglich er Windeln wechseln mit dem Politbetrieb in der US-Hauptstadt. "Meistens riechen die Windeln besser als Washington". Da waren ihm einige Lacher sicher.

Was war das Rededuell des Abends?

Kamala Harris, die einzige Afro-Amerikanerin auf der Bühne, blies zur Attacke auf Joe Biden. Sie warf ihm vor, dass er sich kürzlich positiv über die frühere Zusammenarbeit mit zwei rassistischen Senatoren geäussert habe. "Das war schmerzlich", sagte Harris sichtlich berührt. Ausserdem, so Harris, habe Biden in den 70er Jahren ein Programm abgelehnt, durch das afro-amerikanische Kinder mit Bussen in ehemals nur von weissen besuchte Schulen transportiert wurden. Sie selbst war eines der betroffenen Kinder, erzählte die 54-Jährige.

Biden sei "kein Rassist", stellte Harris klar, trotzdem schwang der Vorwurf in ihren Schilderungen mit. Favorit Biden geriet sichtlich in die Defensive, schaute betreten zu Boden. Er verteidigte sich schliesslich mit seiner Arbeit unter Barack Obama und behauptete, er habe niemals "Rassisten gelobt".

Was war der Moment des Abends?

Bernie Sanders mag 77 Jahre alt sein, aber vom Feuer für seine Überzeugungen hat er nichts verloren. In einem seiner Redebeiträge appellierte er eindringlich und lautstark an seine Mitbewerber. "Wer hat den Mut, sich mit der Wall Street anzulegen, sich mit der Industrie für fossile Brennstoffe anzulegen, sich mit den grossen Lobbygruppen anzulegen, die unglaublichen Einfluss auf das ökonomische und politische Leben dieses Landes haben?" Die (unausgesprochene) Antwort lautete natürlich: Bernie Sanders.

Was sagt Donald Trump?

Trump kommentierte die Debatte auch diesmal mit einem bissigen Tweet. Als alle Kandidaten den kostenlosen Zugang von Gesundheitsvorsorge für illegale Einwanderer befürworteten, erklärte Trump das Rennen um die Präsidentschaft für beendet. "Wie wäre es, wenn sie sich zuerst um amerikanische Bürger kümmern!?", meckerte der Präsident auf Twitter.

Was ist das Ergebnis?

Eine unterhaltsame, spannende und emotionale Debatte, in der der grosse Favorit Joe Biden Federn lassen musste. Anders als sein ein Jahr älterer Konkurrent Bernie Sanders wirkte Biden (76) teilweise ein wenig müde. Manchmal verhaspelte er sich, wirkte fahrig. Seine Verteidigung von Harris` Kritik kam halbherzig daher. Biden spulte in seinen starken Momenten durchaus staatsmännisch sein Programm herunter, ohne grosse Aufreger. Vielleicht ist genau das das richtige Rezept, um moderate Republikaner-Wähler für sich zu gewinnen und Donald Trump zu schlagen?

Ob der linke Sanders mit seinem radikalen Programm gegen Trump eine Chance hätte, wird von vielen Beobachtern nämlich angezweifelt. Kamala Harris mit ihrer mutigen und nicht ganz risikolosen Attacke gegen Biden sowie der eloquente Pete Buttigieg konnten ihre Ansprüche auf die Präsidentschaftskandidatur der demokratischen Partei untermauern.

Und: Alle Bewerber waren sich einig, dass Donald Trump dem Land schweren Schaden zugefügt hat. Die Kritik fiel noch um einiges klarer aus als bei der ersten Debatte in der Nacht zu Donnerstag. Joe Biden schimpfte, Trump habe Amerika durch seine Politik die Seele herausgerissen. Ob Biden selbst oder doch einer seiner Konkurrenten sie dem Land zurückgeben kann, werden die nächsten Monate zeigen.

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